S. 13 / Nr. 4 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 63 III 13

4. Entscheid vom 30. Januar 1937 i. S. Huber.


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Regeste:
SchKG Art. 70, Abs. 2: Hat einer von zwei gleichzeitig betriebenen
Mitschuldnern den andern zum gesetzlichen Vertreter, so sind zwei besondere
Zahlungsbefehle zuzustellen.
Art. 70, al. 2, LP: Lorsque l'un des deux codébiteurs poursuivis simultanément
est le représentant légal de l'autre, l'Office doit notifier un commandement
de payer distinct à chacun d'eux.
Art. 70, cp. 2, LEF: Qualora di due condebitori escussi simultaneamente l'uno
sia il reppresentante legale dell'altro, devonsi notificare due precetti
distinti.

Dem vom Rekurrenten gestellten Betreibungsbegehren gegen «Martin Walser,
Landwirt, Weesen, für sich und den Adoptivsohn Ernst Walser», entsprach das
Betreibungsamt Weesen durch Ausfertigung eines einzigen Zahlungsbefehls und
Zustellung desselben an die Ehefrau des Martin Walser. Auf das
Fortsetzungsbegehren hin nahm das Betreibungsamt folgende Pfändungsurkunde
auf: «Schuldner besitzt keinerlei pfändbares Vermögen. Schuldner ist
verheiratet und lebt in Gütertrennung. Schuldner ist seit Frühjahr 1936
arbeitslos. Auch der Adoptivsohn soll kein Vermögen besitzen, da dasselbe
aufgebraucht sei; zudem ist der Wohnort des Adoptivsohns nicht bekannt, und
kann daher bei ihm auch nicht gepfändet werden. Gegenwärtige Urkunde dient als
Verlustschein im Sinne von Art. 149
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 149 - 1 Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.289
1    Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.289
1bis    Das Betreibungsamt stellt den Verlustschein aus, sobald die Höhe des Verlustes feststeht.290
2    Der Verlustschein gilt als Schuldanerkennung im Sinne des Artikels 82 und gewährt dem Gläubiger die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 erwähnten Rechte.
3    Der Gläubiger kann während sechs Monaten nach Zustellung des Verlustscheines ohne neuen Zahlungsbefehl die Betreibung fortsetzen.
4    Der Schuldner hat für die durch den Verlustschein verurkundete Forderung keine Zinsen zu zahlen. Mitschuldner, Bürgen und sonstige Rückgriffsberechtigte, welche an Schuldners Statt Zinsen bezahlen müssen, können ihn nicht zum Ersatze derselben anhalten.
5    ...291
SchKG. Pfändungsvollzug, Donnerstag, den
1. Oktober 1936 nachmittags 4 Uhr in der Wohnung des Schuldners, in dessen
Beisein und seiner Ehefrau». Darauf verlangte der Rekurrent die Pfändung eines
Sparguthabens des Ernst Walser bei der st. gallischen Kantonalbank in
Wallenstadt, und als das Betreibungsamt sie nicht vollzog, führte er
Beschwerde mit dem Antrag, das Betreibungsamt sei gehalten, die verlangte
Pfändung gegen den Mitschuldner Ernst Walser zu vollziehen.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 29. Dezember 1936 die Beschwerde
abgewiesen.
Diesen Entscheid hat der Rekurrent an das Bundesgericht weitergezogen.

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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Der Rekurrent hat den Martin Walser und dessen Adoptivsohn als Mitschuldner
gleichzeitig betreiben wollen. Solchenfalls ist aber gemäss Art. 70 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 70 - 1 Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend.
1    Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend.
2    Werden Mitschuldner gleichzeitig betrieben, so wird jedem ein besonderer Zahlungsbefehl zugestellt.136

SchKG jedem Mitschuldner ein besonderer Zahlungsbefehl zuzustellen,
ausgenommen wenn die mehreren Mitschuldner einen gemeinsamen Vertreter haben.
Diese Ausnahme hat sich auch der Rekurrent zunutze machen wollen, von der
Ansicht ausgehend, was gelte, wenn mehrere Mitschuldner einen gemeinsamen
(gesetzlichen) Vertreter haben, sei auch angebracht, wenn der eine
Mitschuldner der gesetzliche Vertreter des andern sei. Indessen besteht keine
Veranlassung, die Ausnahme über den gesetzlichen Wortlaut hinaus auszudehnen,
weil sie schon bedenklich genug erscheint, insoweit sie vom Gesetz
ausdrücklich und eindeutig angeordnet ist. Werden mehrere Mitschuldner, die
einen gemeinsamen gesetzlichen Vertreter haben, durch Zustellung eines
einzigen Zahlungsbefehles gleichzeitig betrieben, so wird eine solche zunächst
einheitliche Betreibung richtigerweise die Fortsetzung durch zwei voneinander
durchaus unabhängige Pfändungen zu finden haben (abgesehen davon, dass sich
die Einheitlichkeit keinesfalls länger aufrecht erhalten liesse, wenn der eine
Mitschuldner der Konkursbetreibung unterliegt, der andere nicht, wie auch wenn
beide der Konkursbetreibung unterliegen, da eine Verbindung der
Konkursverfahren über die beiden Mitschuldner nicht in Frage kommen kann). Zu
pfänden sind nämlich Vermögensstücke, die teils dem einen, teils dem andern
Mitschuldner gehören (sofern sie nicht etwa ein gemeinsames Sondervermögen
haben, insbesondere Miterben sind und nur Erbschaftsvermögen gepfändet zu
werden braucht, für welchen Fall Art. 70 Abs. 2 i
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 70 - 1 Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend.
1    Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend.
2    Werden Mitschuldner gleichzeitig betrieben, so wird jedem ein besonderer Zahlungsbefehl zugestellt.136
. f. SchKG freilich seinen
guten Sinn hat). Es ist nicht einzusehen, wieso nicht jede dieser Pfändungen
ihre gewöhnliche Rechtswirkung entfalten sollte, ohne vom Bestehen der anderen
Pfändung irgendwie beeinflusst zu werden. Dem

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entsprechend würde die gemeinsame Vollziehung der Pfändungen und die Aufnahme
einer einzigen Pfändungsurkunde über beide Mitschuldner nur Verwirrung zu
stiften geeignet sein, zumal wenn etwa noch weitere Gläubiger des einen oder
andern oder beider an der einen oder andern Pfändung oder beiden teilnehmen
sollten. Es ist nicht wünschenswert, dass die Möglichkeit derartiger
Unklarheiten dadurch vermehrt werde, dass die in Art. 70 Abs. 2 i. f.
vorgesehene Ausnahme von der wohlbegründeten Regel ausdehnend ausgelegt werde.
Gerade aus der vorliegenden Pfändungsurkunde lässt sich ersehen, dass bei
Zustellung eines einzigen Zahlungsbefehls an einen Mitschuldner für sich und
einen andern Mitschuldner, dessen gesetzlicher Vertreter jener ist, die
Fortsetzung der Betreibung gegen den zweitgenannten leicht nur so als
Anhängsel der ersteren behandelt wird. Angesichts des unter Mitschuldnern
wahrscheinlichen Interessekonflikts erscheint es auch geradezu als erwünscht,
dass dem einen Mitschuldner und gesetzlichen Vertreter des andern zwei
verschiedene Zahlungsbefehle zugestellt werden, damit ihm die eigene und die
fremde Angelegenheit um so eindringlicher getrennt vor Augen geführt werden
und er umsoeher veranlasst werde, von letzterer der Vormundschaftsbehörde
zwecks Bestellung eines Beistandes gemäss Art. 392 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1  von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen;
2  einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder
3  eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind.
ZGB Mitteilung zu
machen. In dieser Beziehung verhält es sich ganz anders als im Falle, dass die
mehreren betriebenen Mitschuldner einen gemeinsamen Vertreter haben, welchem
der eine Mitschuldner nicht weniger am Herzen liegen dürfte als der andere,
weshalb damit gerechnet werden darf. er werde deren aller Interessen
gleichmässig wahren und nicht diejenigen des einen gegen den andern
ausspielen..
Zu Unrecht versucht der Rekurrent aus dem Präjudiz in BGE 41 III 395 ff.
herzuleiten, die Betreibung mehrerer (nicht gemeinsam gesetzlich vertretener)
Mitschuldner ohne Zustellung besonderer Zahlungsbefehle konvalesziere bei
nicht rechtzeitiger Beschwerdeführung. Etwas derartiges ist dort nicht
ausdrücklich ausgesprochen' sondern nur,

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dass «ein solcher Fehler in der Zustellungsform nicht ohne weiteres die
Nichtigkeit der Betreibung nach sich zieht», was auf eine andere damals
ebenfalls streitige Frage Bezug hat, dass nämlich «der Schuldner oder eine zur
Empfangnahme an seiner Stelle nach dem Gesetze befugte Person den
Zahlungsbefehl tatsächlich erhalten hat» (wenn auch nicht selbst vom
Betreibungsamt zugestellt erhalten hat). Das Fehlen besonderer Zahlungsbefehle
für zwei Mitschuldner ohne gemeinsamen gesetzlichen Vertreter wurde dort
vielmehr deshalb nachgesehen, weil sich der von der Zustellung nicht erreichte
Mitschuldner nachträglich in ein Rechtsöffnungsverfahren eingelassen hatte,
das zur Ausstellung eines Vollstreckungstitels gegen ihn führte, nämlich eben
der Rechtsöffnung, während der Zahlungsbefehl selbst wegen Rechtsvorschlages
gar nicht zum Vollstreckungstitel geworden war. Ganz anders kommt im
vorliegenden Fall einzig der unwidersprochene Zahlungsbefehl als
Vollstreckungstitel in Frage und kann der Rekurrent gegenüber dem Mitschuldner
Ernst Walser nichts weiteres vorbringen, als dass er gegen die Zustellung
eines einzigen Zahlungsbefehls an dessen gesetzlichen Vertreter und
gleichzeitig Mitschuldner nicht Beschwerde geführt hat. Allein zunächst darf
gegenüber Ernst Walser keine Präklusivwirkung daraus hergeleitet werden, dass
sein gesetzlicher Vertreter, der als Mitschuldner widerstreitende Interessen
haben mochte, nichts zur Wahrung des Interesses seines Schutzbefohlenen getan
hat. Hauptsächlich aber ist die Präklusion mit der Beschwerde überhaupt nicht
geeignet, den besonderen Zahlungsbefehl, welcher nach der Vorschrift des Art.
70 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 70 - 1 Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend.
1    Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend.
2    Werden Mitschuldner gleichzeitig betrieben, so wird jedem ein besonderer Zahlungsbefehl zugestellt.136
SchKG dem Ernst Walser bezw. seinem gesetzlichen Vertreter
zugestellt werden muss, damit jener als Mitschuldner betrieben werde, zu
ersetzen. Vielmehr fehlt es an jeglicher Grundlage für die Vollziehung einer
Pfändung gegen Ernst Walser.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 63 III 13
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 30. Januar 1937
Quelle : Bundesgericht
Status : 63 III 13
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : SchKG Art. 70, Abs. 2: Hat einer von zwei gleichzeitig betriebenen Mitschuldnern den andern zum...


Gesetzesregister
SchKG: 70 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 70 - 1 Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend.
1    Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend.
2    Werden Mitschuldner gleichzeitig betrieben, so wird jedem ein besonderer Zahlungsbefehl zugestellt.136
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 149 - 1 Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.289
1    Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.289
1bis    Das Betreibungsamt stellt den Verlustschein aus, sobald die Höhe des Verlustes feststeht.290
2    Der Verlustschein gilt als Schuldanerkennung im Sinne des Artikels 82 und gewährt dem Gläubiger die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 erwähnten Rechte.
3    Der Gläubiger kann während sechs Monaten nach Zustellung des Verlustscheines ohne neuen Zahlungsbefehl die Betreibung fortsetzen.
4    Der Schuldner hat für die durch den Verlustschein verurkundete Forderung keine Zinsen zu zahlen. Mitschuldner, Bürgen und sonstige Rückgriffsberechtigte, welche an Schuldners Statt Zinsen bezahlen müssen, können ihn nicht zum Ersatze derselben anhalten.
5    ...291
ZGB: 392
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1  von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen;
2  einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder
3  eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind.
BGE Register
41-III-393 • 63-III-13
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
zahlungsbefehl • gesetzliche vertretung • schuldner • betreibungsamt • frage • vollstreckungstitel • weiler • fortsetzungsbegehren • ehegatte • landwirt • betreibungsbegehren • stelle • nichtigkeit • verlustschein • uhr • besteller • rechtsvorschlag • ersetzung • schuldbetreibungs- und konkursrecht • bundesgericht
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