S. 409 / Nr. 77 Obligationenrecht (d)

BGE 63 II 409

77. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1937 i.- S.
Bianchi gegen Schweiz. Bodenkreditanstalt.


Seite: 409
Regeste:
Bürgschaft.
Zum voraus erteilte Zustimmung des Bürgen zu jeglichem künftigen
Schuldnerwechsel. Frage der Zulässigkeit nach Art. 178 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
OR sowie Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
1    Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
2    Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken.

ZGB u. 20 OR.

Am 11. Juni 1932 verpflichtete sich der Kläger als Solidarbürge für eine auf
der Liegenschaft Trottenstr. 73 in Zürich haftende Schuldbriefforderung der
beklagten Bank im Betrage von Fr. 40000.-. Schuldner war der damalige
Liegenschaftseigentümer Baumann. In den gedruckten Bürgschaftsbedingungen ist
die Bank, unbeschadet der Haftpflicht des Bürgen, berechtigt erklärt:
«1....
2. bei einem allfälligen Wechsel des Eigentümers der Briefsunterpfande infolge
Erbganges, Kaufes etc. Ohne Anzeige an den Bürgen sich entweder an den alten
Schuldner zu halten, oder diesen zu entlassen und den neuen Pfandeigentümer
als Schuldner anzunehmen, in der ausdrücklichen Meinung, dass die vorstehende
Bürg- und Selbstzahlerschaftsverpflichtung alsdann auch für den neuen
Schuldner fortbestehe;»
In dem gegen Baumann durchgeführten Grundpfandverwertungsverfahren ersteigerte
ein gewisser Perini am 4. Oktober 1933 die Liegenschaft für Fr. 45000.-, unter
Übernahme der persönlichen Schuldpflicht für den Schuldbrief. Gemäss Art. 834
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 834 - 1 Von der Übernahme der Schuld durch den Erwerber hat der Grundbuchverwalter dem Gläubiger Kenntnis zu geben.
1    Von der Übernahme der Schuld durch den Erwerber hat der Grundbuchverwalter dem Gläubiger Kenntnis zu geben.
2    Die Jahresfrist für die Erklärung des Gläubigers läuft von dieser Mitteilung an.

ZGB teilte das Grundbuchamt die Eigentumsübertragung und die Übernahme der
Schuldpflicht durch den Erwerber der Beklagten mit unter Hinweis auf ihr
Recht, durch Erklärung binnen Jahresfrist nach Art. 832
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 832 - 1 Wird das mit einer Grundpfandverschreibung belastete Grundstück veräussert, so bleibt die Haftung des Grundpfandes und des Schuldners, wenn es nicht anders verabredet ist, unverändert.
1    Wird das mit einer Grundpfandverschreibung belastete Grundstück veräussert, so bleibt die Haftung des Grundpfandes und des Schuldners, wenn es nicht anders verabredet ist, unverändert.
2    Hat aber der neue Eigentümer die Schuldpflicht für die Pfandforderung übernommen, so wird der frühere Schuldner frei, wenn der Gläubiger diesem gegenüber nicht binnen Jahresfrist schriftlich erklärt, ihn beibehalten zu wollen.
ZGB den bisherigen
Schuldner beizubehalten.
Mit eingeschriebenem Brief vom 18. November 1933 setzte die Beklagte den
Kläger von dieser Anzeige in

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Kenntnis mit der Erklärung, sie werde den neuen Pfandeigentümer (Perini) als
Schuldner annehmen, sofern der Kläger als Bürge der gesamten
Hypothekarforderung nicht umgehend dagegen Einspruch erhebe. Der Kläger liess
diese Zuschrift unbeantwortet.
In der Folge kam auch der neue Pfandeigentümer Perini seinen Verpflichtungen
gegenüber der Beklagten nicht nach, weshalb diese die Forderung sowohl gegen
den Schuldner Perini wie gegen den Bürgen, den heutigen Kläger, kündigte und
am 23. November 1936 gegen den Kläger in Betreibung setzte. Der Kläger schlug
Recht vor. Auf die provisorische Rechtsöffnung hin erhob der Kläger die
vorliegende Aberkennungsklage, die vom Bezirksgericht Zürich durch Urteil vom
3. März 1937 u. vom Obergericht durch Urteil vom 2. Juni 1937 abgewiesen
wurde.
Gegen das obergerichtliche Urteil hat der Kläger die Berufung ans
Bundesgericht erklärt.
Aus den Erwägungen:
Es frägt sich, ob eine zum voraus erteilte, generelle Zustimmung des Bürgen zu
jeglichem künftigen Schuldnerwechsel, wie sie in Ziff. 2 des vorliegenden
Bürgschaftsvertrages enthalten ist, den Anforderungen des Art. 178 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
OR
entspreche und ob sie nicht eine unzulässige Beschränkung der persönlichen
Freiheit und wirtschaftlichen Existenz des Bürgen im Sinne von Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
1    Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
2    Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken.
ZGB und
Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR darstelle.
a) Was die Form und den Zeitpunkt der Zustimmungserklärung nach Art. 178 Abs.
2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
angeht, ist die hauptsächliche schweizerische Literatur und sie
Rechtsprechung zu Art. 178
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
OR, sowie die deutsche Literatur und Praxis zu der
in diesem Punkte gleichlautenden Vorschrift des § 418 DBGB für unsere Frage
wenig ergiebig. Auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmungen über die
Schuldübernahme, welche anlässlich der Revision von 1911 ins OR aufgenommen
wurden, ist für die Frage nicht

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aufschlussreich; vgl. Art. 1208 des Entwurfes 1905, Stenograph. Bulletin Nat.
Rat 1909 S. 557, 559, Ständerat 1910 S. 186 und OSER/SCHÖNENBERGER Art. 178 N.
10.
Einigkeit besteht darüber, dass die Zustimmung keiner besonderen Form bedarf.
Hinsichtlich des Zeitpunktes der Zustimmungserklärung ergibt die Literatur und
Praxis fast nur allgemeine Anhaltspunkte; so OSER, Art. 178 N. 10, BECKER,
Art. 178 N. 9, VON TUHR, OR II S. 776 (vgl. dazug BGE 60 II 334), etwas
einlässlicher Hasler, Die Schuldübernahme in der Theorie und im
schweizerischen Recht, Zürch. Diss. 1911, S. 92/93; ferner die deutschen
Lehrbücher und Kommentare, ENNECCERUS, Recht der Schuldverhältnisse 1928 S.
267/68, STAUDINGER-WERNER II I 1930 S. 885/86, OERTMANN, Schuldverhältnisse I
1928 S. 484/85. Diese Autoren scheinen jedoch als selbstverständlich
vorauszusetzen, dass die Zustimmung des Bürgen nur für eine einzelne, konkrete
Schuldübernahme erklärt werden könne. Erst in der neuern Literatur wird zur
vorwürfigen Frage ausdrücklich Stellung bezogen und zwar in dem Sinne, dass
die Gültigkeit einer Bürgschaftsvertragsklausel, wonach der Bürge auch bei
beliebigem künftigem Schuldnerwechsel weiterhafte, zum mindesten zu bezweifeln
sei; so RAAFLAUB, Die Solidarbürgschaft im Bankverkehr, Berner Diss. 1932, S.
95 f, LERCH und TUASON, Die Bürgschaft im schweizerischen Recht, 86 N. 3.
Man könnte sich dabei fragen, ob ein Unterschied zu machen sei zwischen
einfacher Bürgschaft, Solidarbürgschaft oder Bürgschaft zur Verstärkung eines
Pfandrechtes (wie im vorliegenden Fall). Das erscheint aber kaum angängig,
denn die Person des Hauptschuldners, seine Zahlungsfähigkeit und seine
Zahlungswilligkeit spielen doch in allen Fällen eine entscheidende Rolle. Die
Person des Schuldners ist auch für den Regress massgeblich, falls sich ein
Pfandausfall ergibt. Bei einer Solidarbürgschaft bestehen sogar noch mehr
Bedenken als bei einer

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einfachen Bürgschaft, weil der Bürge direkt belangt werden kann.
Auch wenn man annimmt, dass der Gläubiger im allgemeinen bei der
Schuldübernahme zum Rechten sehe, so ist die Gefahr eines Interessenkonfliktes
oder einer Benachteiligung des Bürgen nicht zu übersehen. Es ist nach der
Erfahrung leicht denkbar, dass der Gläubiger zunächst seine Interessen
wahrnimmt und darob den Bürgen übersieht, zumal wenn er auf Grund einer
Klausel von der Art der vorliegenden annehmen darf, dass der Bürge nach wie
vor haftbar bleibe. Er wird die Solvenz und die Verhältnisse des neuen
Schuldners nicht so prüfen, wie er es im gegenteiligen Fall tun würde.
Eine Klausel von der Art der hier in Frage stehenden Vertragsziffer 2 bildet
eine Quelle zahlloser Streitigkeiten und Prozesse. Der Bürge würde, wenn dem
Gläubiger gestattet wäre, ohne seine Zustimmung irgendwelche Personen als
Schuldner anzunehmen, unabsehbares Risiko laufen; auch bestände die Gefahr
einer Ausbeutung der wirtschaftlich schwächern oder der unerfahrenen
Vertragspartei.
Mit gutem Grund wird daher de lege ferenda gefordert, dass die Zustimmung des
Bürgen zum Schuldnerwechsel ebenfalls den Formvorschriften für die Bürgschaft
unterstellt werde, weil der Schuldnerwechsel unter Umständen geeignet sei, die
Bürgschaft auf eine vollständig neue Grundlage zu stellen, insbesondere das
Bürgenrisiko ausserordentlich zu erhöhen (vgl. STAUFFER, Die Revision des
Bürgschaftsrechts, Referat am Schweizerischen Juristentag 1935, S. 49).
Aber auch schon nach dem geltenden Recht lässt sich jedenfalls der Standpunkt
vertreten, dass die Zustimmung des Bürgen nur gegenüber einer konkreten
Schuldübernahme, also nur von Fall zu Fall gegeben werden könne. Der Zweck von
Art. 178 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
OR besteht gerade darin, dem Bürgen zu ermöglichen, sich
angesichts eines bestimmten Schuldübernehmers über das Risiko einer

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Weiterhaftung Rechenschaft zu geben und sich frei entschliessen zu können. Es
ist eine Bestimmung zum Schutz des Bürgen, welche auf der gleichen Linie liegt
wie jene zahlreichen Kautelen, welche das Bürgschaftsrecht gegenüber
übereilten Bürgschaften, gegen unerkennbare, ungewisse Risiken geschaffen hat.
Nach dieser Auslegung wäre also Art. 178 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
OR in dem Sinne zwingendes
Recht, dass eine generelle, zum voraus gegebene Zustimmung des Bürgen zur
Weiterhaftung für jeden beliebigen Schuldübernehmer nicht als gültig anerkannt
werden könnte. Eine solche Klausel würde den Gläubiger nicht der Notwendigkeit
entheben, von Fall zu Fall, für jede konkret sich stellende Schuldübernahme
die Zustimmung des Bürgen einzuholen, welche dann im übrigen nach geltendem
Recht (vielleicht aber nicht mehr nach künftigem Recht) ausdrücklich oder in
konkludenter Weise erteilt werden könnte.
Wie es sich mit der Zulässigkeit der streitigen Klausel nach Art. 178 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.

OR auch verhalten mag, so hat aber der Kläger die Haftung als Bürge für Perini
auf jeden Fall nachträglich übernommen.
Als die Liegenschaft bei der betreibungsrechtlichen Steigerung vom 4. Oktober
1933 auf Perini überging, teilte die Beklagte dies am 18. November 1933 durch
eingeschriebenem Brief dem Kläger mit und fügte folgende Erklärung bei: «Wir
werden nun den neuen Pfandeigentümer als Schuldner annehmen, sofern Sie als
Bürge unserer obgenannten Hypothekarforderung nicht umgehend dagegen Einspruch
erheben». Damit hatte der Kläger entsprechend Art. 178 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
OR und
entsprechend den obigen Ausführungen Gelegenheit, zu dieser konkreten
Schuldübernahme und zur Frage seiner Weiterhaftung als Bürge Stellung zu
nehmen. Er liess jene Mitteilung unbeantwortet, was angesichts der Umstände,
namentlich auch mit Rücksicht auf die Entstehungsweise der Bürgschaft, als
Zustimmung durch konkludentes Verhalten zu verstehen ist. Das genügt den
Voraussetzungen

Seite: 414
von Art. 178 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
OR. Entgegen der Meinung des Beklagten ist keine
schriftliche Erklärung nötig wie zur Eingebung der Bürgschaft.
b) Damit wird auch die Frage hinfällig, ob die streitige Klausel des
Bürgschaftsvertrages vom 11. Juni 1932 nicht die wirtschaftliche Freiheit des
Klägers in einem das Recht und die guten Sitten verletzenden Masse beschränkt
habe und daher nach Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
1    Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
2    Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken.
ZGB und Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR als nichtig anzusehen wäre.
Dass eine solche Klausel nach den Umständen des einzelnen Falles nichtig sein
könnte, ist grundsätzlich wohl nicht zu bezweifeln. Sie ist aber hier nach dem
bereits Gesagten überholt durch die Vorgänge anlässlich der Schuldübernahme
durch Perini, wo der Kläger seiner weitern Haftung als Bürge in konkludenter
Weise zugestimmt hat.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 63 II 409
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 21. Dezember 1937
Quelle : Bundesgericht
Status : 63 II 409
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Bürgschaft.Zum voraus erteilte Zustimmung des Bürgen zu jeglichem künftigen Schuldnerwechsel. Frage...


Gesetzesregister
OR: 20 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
178
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
1    Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt.
2    Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat.
ZGB: 27 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
1    Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
2    Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken.
832 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 832 - 1 Wird das mit einer Grundpfandverschreibung belastete Grundstück veräussert, so bleibt die Haftung des Grundpfandes und des Schuldners, wenn es nicht anders verabredet ist, unverändert.
1    Wird das mit einer Grundpfandverschreibung belastete Grundstück veräussert, so bleibt die Haftung des Grundpfandes und des Schuldners, wenn es nicht anders verabredet ist, unverändert.
2    Hat aber der neue Eigentümer die Schuldpflicht für die Pfandforderung übernommen, so wird der frühere Schuldner frei, wenn der Gläubiger diesem gegenüber nicht binnen Jahresfrist schriftlich erklärt, ihn beibehalten zu wollen.
834
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 834 - 1 Von der Übernahme der Schuld durch den Erwerber hat der Grundbuchverwalter dem Gläubiger Kenntnis zu geben.
1    Von der Übernahme der Schuld durch den Erwerber hat der Grundbuchverwalter dem Gläubiger Kenntnis zu geben.
2    Die Jahresfrist für die Erklärung des Gläubigers läuft von dieser Mitteilung an.
BGE Register
60-II-332 • 63-II-409
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
schuldner • frage • beklagter • schuldnerwechsel • literatur • nichtigkeit • kenntnis • einfache bürgschaft • weiler • schweizerisches recht • brief • erfahrung • zahlungsunfähigkeit • form und inhalt • entscheid • erbgang • bewilligung oder genehmigung • bedürfnis • voraussetzung • gerichts- und verwaltungspraxis
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