BGE 63 II 282
59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Juli 1937 i.S. American
Safety Razor Corporation gegen Gnepf & Co.
Regeste:
Markenrecht. Verwechselbarkeit der Marken «Blaustern» und «Star» für
Rasierklingen (Art. 6
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
ist die übrige Ausstattung der Verpackung ausser Acht zu lassen. Bedeutung der
Farbe.
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin, die American Safety Razor Corporation in New York, fabriziert
einschneidige Rasierklingen, für die sie im amerikanischen und 1921 auch im
schweizerischen Markenregister eine kombinierte Wort- und Bildmarke hat
eintragen lassen, die aus einem fünfzackigen Stern mit dem Wort «Star»
darunter besteht. Ausserdem ist sie Inhaberin der auch im schweizerischen
Markenregister eingetragenen Wortmarken «Ever-Ready» und «Gem» für
Rasierapparate und -Klingen. Sie gebraucht die Marke «Star», in der Weise,
dass auf der Oberseite der gelblich-braunen Papierumhüllung der einzelnen
Klinge in grosser, grüner Schrift das Wort «Star» aufgedruckt
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ist; darüber befindet sich, ebenfalls in grüner Farbe, der fünfzackige Stern.
Die Klinge selber trägt keine Marke. Auf der Kartonpackung für 5 Klingen,
sowie der grossen Packung für 24 Fünferpackungen, die in hell- und dunkel
grüner Farbe gehalten sind, ist die Marke ebenfalls angebracht, und zwar in
der Weise, dass sich rechts und links neben dem in grossen roten Buchstaben
geschriebenen Wort «Star» ein grosser roter Stern befindet.
Die Beklagte, die Firma Gnepf & Cie in Horgen, lässt sei 1935 ebenfalls eine
einschneidige Klinge herstellen, für die sie im schweizerischen Markenregister
die kombinierte Wort- und Bildmarke «Blaustern» hat eintragen lassen, welche
die folgende Beschaffenheit aufweist: Die Vorderseite der Klingenpackung zeigt
in der Mitte eines weissen, auf der Spitze stehenden stumpfwinkligen Dreiecks
einen dunkelblauen, sechszackigen Stern. Unterhalb von diesem steht auf
dunkelblauem Grunde in weissen Buchstaben das Wort «Blaustern». Die Rückseite
der Packung trägt die Aufschrift: «Für Apparate - pour rasoirs - Star,
Ever-Ready, Gem und Clemak». Auf der Klinge selbst ist ebenfalls der
sechszackige Stern angebracht, neben dem das Wort «Blaustern» steht. Auch die
ebenfalls in blau gehaltenen Packungen für 5 Klingen und für 24
Fünferpackungen tragen die Marke.
Die von der Klägerin erhobene Klage wegen Markenrechtsverletzung wurde vom
Handelsgericht Zürich abgewiesen; dagegen erblickte das Handelsgericht einen
unlauteren Wettbewerb in dem Hinweis auf die Verwendbarkeit der
«Blaustern»-Klinge in den Apparaten «Star», «Ever-Ready» und «Gem».
Auf Berufung beider Parteien hin hat das Bundesgericht die Verwechselbarkeit
der Marken bejaht, das Vorliegen eines unlauteren Wettbewerbes dagegen
verneint.
Aus den Erwägungen:
2.- Die beiden in Frage stehenden Marken werden für völlig gleichartige Waren
verwendet, nämlich für
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Rasierklingen, und zwar für eine ganz bestimmte Art von solchen, nämlich für
einschneidige Klingen, die nur in ganz bestimmten Apparaten verwendet werden
können. Unter diesen Umständen ist die Marke der Beklagten nur zulässig, wenn
sie sich durch wesentliche Merkmale von derjenigen der Klägerin unterscheidet,
und zwar muss die Verschiedenheit so bedeutend sein, dass die Gefahr einer
Verwechslung der Artikel als solcher, wie auch ihrer Herkunft vermieden wird.
Die Klägerin behauptet nun, dass die Beklagte ihre Marke vollinhaltlich, ohne
etwas dazuzutun, übernommen habe. Wäre dies der Fall, so müsste allerdings die
Unzulässigkeit der beklagtischen Marke ohne weiteres bejaht werden; denn es
liegt auf der Hand, dass dann eine Verwechslung der beiden Artikel
unvermeidlich wäre. Allein diese Behauptung der Klägerin trifft, wie die
Vorinstanz mit Recht ausführt, nicht zu. Von einer Kopierung der klägerischen
Marke durch die Beklagte kann nicht die Rede sein. Denn abgesehen davon, dass
der Wortbestand teil bei der einen Marke deutsch, bei der andern englisch ist,
decken sich auch die in beiden Marken enthaltenen Sternfiguren nicht, indem
diejenige der Klägerin 5, diejenige der Beklagten 6 Zacken aufweist.
Diese Abweichungen sind indessen entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht so
bedeutend, dass die Gefahr einer Verwechslung zu verneinen oder auch nur als
gering einzuschätzen wäre. Wie die Vorinstanz selber ebenfalls anerkennt, ist
die Sternfigur, die einen wesentlichen Bestandteil der beiden Marken bildet,
praktisch dieselbe, da die Differenz in der Zahl der Zacken zu geringfügig
ist, als dass sie bei oberflächlicher Betrachtung auffallen könnte. Mehr als
eine oberflächliche Betrachtung darf aber nicht verlangt werden, da es sich um
einen Artikel des täglichen Gebrauchs handelt, bei dessen Ankauf üblicherweise
keine besondere Aufmerksamkeit aufgewendet wird (BGE 61 II S. 57 und dort
erwähnte frühere Entscheide).
Die Vorinstanz glaubt jedoch, dass die Sternfigur als
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Unterscheidungsmerkmal ohnehin ausser Betracht zu bleiben habe, da es sich bei
ihr um ein sog. schwaches Zeichen handle, das für alle möglichen Erzeugnisse
Verwendung finde. Letzteres ist zwar richtig; aber auch ein an sich schwaches
Zeichen kann durch Anerkennung im Verkehr erhöhte Bedeutung erlangen (PINZGER,
Das deutsche Warenzeichenrecht, 2. Aufl. 1937, S. 270). Dies ist gerade hier
der Fall, da die Sternmarke von der Klägerin bezw. ihrer Vorgängerin in der
Schweiz seit nahezu 15 Jahren gebraucht worden ist und sich in den beteiligten
Verkehrskreisen offenbar eingelebt hat, was wohl am schlüssigsten dargetan
wird durch die vom Teilhaber der Beklagten, Gnepf, anlässlich der persönlichen
Befragung vor dem Handelsgericht abgegebenen Erklärung, er habe mit der von
ihm gewählten Marke darauf hinweisen wollen, dass die Klinge für Starapparate
passe. Diese Überlegung konnte er sich aber nur machen unter der
Voraussetzung, dass in den beteiligten Verkehrskreisen mit dem Worte «Star»
und der Sternfigur eine ganz bestimmte, auf den Artikel der Klägerin
hinweisende Vorstellung verbunden zu sein pflegt.
Diese im figürlichen Element liegende weitgehende Ähnlichkeit der Marken wird
nun nicht etwa verwischt durch die etwas grössere Verschiedenheit der
Wortbestand teile «Star» einerseits und «Blaustern» anderseits. Gegenteils
wird gerade durch die Bezeichnung «Blaustern» die Assoziation mit der in der
klägerischen Marke enthaltenen Sternfigur noch verstärkt und der Unterschied
abgeschwächt, der zufolge der sprachlichen Verschiedenheit des Wortelementes
wenigstens für die der englischen Sprache nicht mächtigen Käuferkreise bis zu
einem gewissen Grade besteht. Zudem darf auf diese sprachliche Verschiedenheit
an sich schon nicht grosses Gewicht gelegt werden, da weiten Kreisen selbst
beim Fehlen englischer Sprachkenntnisse die Bedeutung des Wortes «Star»,
insbesondere in Verbindung mit einer Sternfigur, bekannt sein dürfte, und sie
wohl schwerlich in erster
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Linie an die Augenkrankheit oder den Vogel gleichen Namens denken würden. Die
näherliegende Assoziation mit dem Begriff «Filmstar» und dergleichen aber
leitet wiederum zum Begriff «Stern» zurück, da doch nicht selten auch dieses
deutsche Wort in diesem Sinne gebraucht wird, wie z. B. in der Wendung, am
Sporthimmel, am Theaterhimmel sei ein neuer Stern aufgegangen.
Die Vorinstanz begründet das von ihr angenommene Fehlen der
Verwechslungsgefahr im weiteren mit der Verschiedenartigkeit des Eindruckes,
den die gesamte Aufmachung der beiden Klingenverpackungen hinterlasse; diese
Verschiedenartigkeit sei besonders gross bei den beiden grösseren Packungen zu
5 und 24 x 5 Klingen; während die Packungen der Klägerin ein buntes, unruhig
wirkendes Gemisch von verschiedenen Farben (olivgrün, dunkelgrün, rot und
weiss) und von Aufschriften und Linien aufweise, sei die Packung der Beklagten
in einem einfachen und ruhigen, an die Zürcher Kantonsfarben erinnernden
Farbenzweiklang blau-weiss gehalten und zeige eine einzige schlagwortartige
Aufschrift «Blaustern» und einen einzigen stilisierten Stern.
Bei dieser Argumentation übersieht die Vorinstanz je doch, dass für die Frage
der Marienrechtsverletzung aus schliesslich die beiden Markenzeichen als
solche miteinander in Vergleich zu setzen sind, während der Ausstattung im
übrigen in diesem Zusammenhange keine Bedeutung zukommt, da sich der
Markenschutz auf sie nicht erstreckt (BGE 61 II S. 385). Lediglich unter dem
Gesichtspunkt des unlauteren Wettbewerbes kann die Gleichheit oder
Verschiedenheit der Ausstattung vielmehr eine Rolle spielen. Was sodann
insbesondere den Hinweis der Vorinstanz auf die Verschiedenheit der Farben
anbelangt, so ist daran zu erinnern, dass nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtes und der in der Literatur herrschenden Meinung ein nicht
koloriert eingetragenes Zeichen, wie es das der Klägerin ist, die Wiedergabe
in jeder andern Farbe ebenfalls umfasst, so dass eine blosse
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Verschiedenheit der Farbe kein genügendes Unterscheidungsmerkmal bildet (BGE
68 II S. 455 und dort erwähnte frühere Entscheide; PINZGER a.a.O. Anm. 12 zu §
31 S. 272 f).
Die Beklagte glaubt schliesslich die Verwechslungsgefahr in Abrede stellen zu
können unter Hinweis auf eine Anzahl von ihr eingeholter Bescheinigungen von
Detaillisten, laut welchen diese noch nie bemerkt haben, dass ein Ladenkunde
die beiden Marken verwechselt hat. Allein ob eine Verwechslungsgefahr besteht
oder nicht, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht unabhängig davon zu
entscheiden ist, ob Verwechslungen tatsächlich schon vorgefallen sind oder
nicht, und die Verwechselbarkeit kann selbst dann bejaht werden, wenn bis
dahin noch keine Verwechslungen nachgewiesen sind....
5.- Nach der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte ferner eine Verletzung
der klägerischen Wortmarken «Star», «Ever-Ready» und «Gem» begangen dadurch,
dass sie auf der Packung ihrer «Blaustern»-Klingen den Hinweis anbrachte, die
Klingen seien für Apparate der genannten Marken verwendbar. Mit Recht hat die
Vorinstanz jedoch eine Markenrechtsverletzung verneint, da dieser Hinweis
nicht zur Bezeichnung der Klinge dient und somit keinen markenmässigen
Gebrauch der klägerischen Wortmarke darstellt.
Die Vorinstanz hat hingegen einen Akt unlauteren Wettbewerbes erblickt in
diesem Hinweis, da er geeignet sei, bei den Käufern die Meinung aufkommen zu
lassen, es handle sich bei der «Blaustern»-Klinge um ein von der Klägerin
hergestelltes Produkt.
Dieser Auffassung kann insoweit zugestimmt werden, als der Hinweis in
Verbindung mit der «Blaustern»-Marke verwendet wird. Unter dieser
Voraussetzung ist er in der Tat dazu angetan, die Verwechslung der beiden
Produkte, die wegen der Ähnlichkeit der beiden Marken ohnehin zu befürchten
ist, noch zu fördern. Erfolgt dagegen der Hinweis ohne gleichzeitige
Verwendung der «Blaustern»
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Marke, so ist er nicht zu beanstanden. Wird nämlich durch Weglassung der Marke
jede Assoziation vermieden, die auf die Klägerin als Herstellerin hinweisen
könnte, so ist durch die blosse Aufklärung über die Verwendungsmöglichkeit der
Klinge eine Verwechslung nicht zu befürchten. Eine solche Aufklärung muss aber
der Beklagten entgegen der Meinung der Vorinstanz gestattet werden. Es besteht
ein Bedürfnis dafür, die Käuferschaft darauf aufmerksam zu machen, dass die in
Frage stehende Klinge nicht in jedem beliebigen Rasierapparat verwendet werden
kann, sondern dass es sich um eine einschneidige Klinge für Apparate ganz
bestimmter Systeme handelt.