S. 95 / Nr. 21 Registersachen (d)

BGE 63 I 95

21. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Mai 1937 S. Wajnryb gegen «Frauen vom
Guten Hirten».

Regeste:
Handelsregister. Eintragspflicht eines von Ordensschwestern geführten
Erziehungsheims?
Begriff des Gewerbebetriebes: Gewinnabsicht ist nicht erforderlich, wohl aber
Betrieb nach kaufmännischer Art. Letzterer bejaht, aber Eintragspflicht
verneint, weil die Ordensschwestern keinen Verein bilden, sondern den Betrieb
nur für Rechnung eines bereits eingetragenen Vereins führen. Art. 13 Ziffer 3
HRegVo, Art. 60 f
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 60 - 1 Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
1    Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
2    Die Statuten müssen in schriftlicher Form errichtet sein und über den Zweck des Vereins, seine Mittel und seine Organisation Aufschluss geben.
ZGB.

A. - Katholische Schwestern vom Guten Hirten führen unter der Bezeichnung a
Frauen vom Guten Hirten» unter einer Oberin ein Fürsorge- und Erziehungsheim
in Altstätten (St. Gallen). Diese Schwestern gehören als Ordensfrauen zur
Kongregation der Frauen vom Guten Hirten

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in Angers. Das Fürsorgeheim macht sich die Erziehung verwahrloster
katholischer Mädchen und Frauen zur Aufgabe; zur Erreichung dieses Zieles
werden die Zöglinge in Arbeiten unterwiesen und dazu angehalten und
vornehmlich in einem von den Schwestern geleiteten landwirtschaftlichen
Betriebe beschäftigt.
In Altstätten besteht ein Verein vom Guten Hirten, der im Handelsregister
eingetragen ist. Dieser ist Eigentümer der Liegenschaften, auf denen die
erwähnte Landwirtschaft betrieben wird, und der Gebäulichkeiten des
Erziehungsheims und stellt alles den «Frauen vom Guten Hirten» zur Verfügung.
Gemäss seinen Statuten verfolgt der Verein den Zweck, verwahrloste Mädchen zu
versorgen und zu erziehen und ein Asyl zu schaffen für Frauen, die dem Trunke
ergeben sind. Zwischen ihnen und dem Verein vom Guten Hirten besteht über die
Durchführung dieser Aufgabe ein Vertrag.
Die Insassen des Fürsorgeheims erhalten neben der geistigen und körperlichen
Pflege und Erziehung von den Schwestern Kost und Obdach; es handelt sich also
um einen eigentlichen Anstaltsbetrieb. Zur Verwirklichung ihrer Aufgabe
erhalten anderseits die «Frauen vom Guten Hirten» von dem erwähnten Verein die
Zinsen von allfälligen Kapitalien des Vereines ausgefolgt; die Schwestern
befassen sich auch mit dem Unterhalt der Liegenschaften, bezahlen die Zinsen
der Hypothekarschulden und allfällige Steuern. Dabei handeln die «Frauen vom
Guten Hirten» unter Mitwirkung des Rektors des Fürsorgeheims, der gleichzeitig
dem Vorstand des Vereins vom Guten Hirten als Aktuar angehört.
B. - Der Beschwerdeführer hatte im Jahre 1934 den «Frauen vom Guten Hirten»
Waren geliefert und aus diesem Geschäft unter anderem einen Wechsel über Fr.
2500.- erhalten mit folgendem Akzept: «Fürsorge- und Erziehungsheim vom Guten
Hirten, Altstätten (Ct. St. Gallen, Schweiz) accepté, Sr. Othmara, Ob (erin)»
Da die Zahlung ausblieb, versuchte der Beschwerdeführer,

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gegen das Fürsorge- und Erziehungsheim vom Guten Hirten die Wechselbetreibung
durchzuführen. Diese Absicht scheiterte aber daran, dass die Wechselbetreibung
als unzulässig erklärt wurde, letztinstanzlich durch die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts mit der Begründung, dass der Schuldner
nicht im Handelsregister eingetragen sei und dass auch im Falle des
gesetzwidrigen Fehlens der Eintragung, wie es vom Beschwerdeführer behauptet
wurde, das Betreibungsamt nicht verpflichtet sei, von Amtes wegen die Frage
der Eintragungspflicht zur Entscheidung zu bringen, sondern die
Wechselbetreibung ablehnen könne. Festzustellen ist noch, dass ausser der
Betreibung des Beschwerdeführers im Laufe der letzten 20 Jahre gegen die
«Frauen vom Guten Hirten» und das Fürsorge- und Erziehungsheim keine
Betreibungen vorgekommen sind.
C. - Im Sommer 1936 stellte der Beschwerdeführer beim Handelsregisteramt St.
Gallen das Begehren, der unter der Bezeichnung «Frauen vom Guten Hirten»
erfolgte Personenzusammenschluss sei als nach Art. 61 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 61 - 1 Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
1    Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
2    Der Verein ist zur Eintragung verpflichtet, wenn er:
1  für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt;
2  revisionspflichtig ist;
3  hauptsächlich Vermögenswerte im Ausland direkt oder indirekt sammelt oder verteilt, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.85
2bis    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister.86
2ter    Er kann Vereine nach Absatz 2 Ziffer 3 insbesondere dann von der Eintragungspflicht ausnehmen, wenn sie aufgrund von Höhe, Herkunft, Ziel oder Verwendungszweck der gesammelten oder verteilten Vermögenswerte einem geringen Risiko des Missbrauchs für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind.87
3    ...88
ZGB
eintragspflichtiger Verein mit Gewerbebetrieb im Handelsregister, nötigenfalls
von Amtes wegen einzutragen. Gegen die abweisende Verfügung des
Handelsregisteramtes führte Wajnryb Beschwerde bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde über das Handelsregister St. Gallen. Diese wies mit Entscheid
vom 28. Januar 1937 die Beschwerde ab.
D. - Gegen diesen Entscheid richtet sich die frist- und formgerecht
eingereichte verwaltungsrechtliche Beschwerde vom 3. März 1937, mit der
beantragt wird, es sei in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides dem
Begehren auf Eintragung der «Frauen vom Guten Hirten»ins Handelsregister im
Sinne des erwähnten Antrages zu entsprechen.
Die Vorinstanz beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde,
ebenso das Handelsregisteramt des Kantons St. Gallen und die
Beschwerdegegnerschaft.

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Das ebenfalls zur Vernehmlassung aufgeforderte eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement ist gleichfalls der Ansicht, dass die Beschwerde abzuweisen
sei, und stützt sich dabei auf ein Gutachten des eidg. Amtes für das
Handelsregister vom 15 Dezember 1936. Dieses Gutachten wurde vom
Handelsregisterbureau St. Gallen eingezogen, und es wird darin von der eidg.
Amtsstelle empfohlen, das Gesuch um Eintragung abzulehnen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - In Bestätigung der bundesgerichtlichen Entscheidung in Sachen
Diakonieverband Wartburg (56 I 123 ff.) ist mit der Vorinstanz davon
auszugehen, dass die Gewinnabsicht nicht eine unerlässliche Bedingung für den
im schweizerischen Handelsrecht massgebenden Gewerbebegriff darstellt.
Entscheidend ist vielmehr, ob objektiv ein Gewerbebetrieb vorliegt, der nach
Natur und Umfang die Voraussetzungen von Art. 13 Ziff. 3 HRegVO erfüllt, d.
h., ob es sich um eine organisierte, dauernde wirtschaftliche Tätigkeit
handelt, die einen bestimmten Umsatz mit sich bringt. Das Bundesgericht folgte
mit der erwähnten Entscheidung der vom Bundesrat seit 1904 geübten Praxis. In
einem späteren Erkenntnis in Sachen gegen die Institution de Baldegg (BGE 59 I
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) hat allerdings das Bundesgericht die Eintragungspflicht verneint, obwohl
offensichtlich die gesetzlich geforderte Umsatzhöhe des Unternehmens gegeben
war. Dies geschah aber nicht deshalb, weil etwa der Mangel einer Gewinnabsicht
als ausschlaggebend angesehen worden wäre, sondern weil bei der Institution de
Baldegg die Grundlage, ein nach kaufmännischer Art betriebenes Gewerbe, nicht
anzunehmen war. Dort handelt es sich nämlich nur darum, dass die Schwestern
von Baldegg sich der Erziehung junger Mädchen und der Pflege von Kranken und
Armen widmen, wozu als untergeordnete, darin eingeschlossene Tätigkeit auch
die Gewährung von Unterkunft und Nahrung kommt. Im vorliegenden Fall verfolgen
die «Frauen vom Guten

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Hirten» in ihrem Erziehungsheim im Endzweck auch ausschliesslich
erzieherische, charitative und religiöse Aufgaben. Damit ist aber der Betrieb
einer ausgedehnten Landwirtschaft, im wesentlichen in Vieh- und
Milchwirtschaft bestehend, verbunden. Mit den Einkünften daraus, mit
Kostgeldern, soweit sie von den Zöglingen bezogen werden, mit deren Verdienst
aus der im Rahmen der Anstalt geleisteten Arbeit, mit den Zinsen aus dem
Vermögen des Vereins vom Guten Hirten und mit Liebesgaben wird der Betrieb des
Fürsorgeheims aufrecht erhalten. Im Jahre 1934 betrug nach den Feststellungen
des Handelsregisteramtes St. Gallen bei 229 Anstaltszöglingen der Jahresbedarf
der Anstalt rund Fr. 186000.- und die auf den verschiedenen Arbeitsgebieten
erreichte Lohnsumme rund Fr. 38000.-. Nach Feststellung der Vorinstanz weist
die Rechnung des Unternehmens für den Anstaltsbetrieb über Fr. 100000.-
laufende Verpflichtungen auf. Es ist klar dass ein auf dieser Basis und in
diesem Umfange durchgeführter Betrieb dadurch, dass er einerseits seine
Produkte absetzt und anderseits zur Erhaltung des Bestandes von
Liegenschaften, Vieh und Material Einkäufe tätigt und Verbindlichkeiten in
weitem Ausmass eingeht, sich der Aussenwelt gegenüber als ein gewerbliches
Unternehmen darstellt und mit ihr in den verschiedensten Beziehungen als ein
nach kaufmännischer Art geführtes Unternehmen in Beziehung tritt. Im Interesse
der Sicherheit des Verkehrs muss dabei weniger darauf abgestellt werden, wie
ein solches Unternehmen nach innen organisiert ist, sondern massgebend muss
sein, wie es sich nach aussen für jedermann, insbesondere für den
Vertragsgegner darbietet. Von hier aus gesehen, muss, da nach dem Gesagten die
Frage der Gewinnabsicht ausscheidet, beim Fürsorge- und Erziehungsheim vom
Guten Hirten zweifellos von einem nach kaufmännischer Art betriebenen Gewerbe
im Sinne von Art. 13 Ziff. 3 HRegVO gesprochen werden, wie dies der
Beschwerdeführer behauptet und wie dies auch vom eidgenössischen Amt für das
Handelsregister und vom

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eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement angenommen wird.
2.- Es frägt sich weiter, ob die «Frauen vom Guten Hirten» sich in einer
Personengemeinschaft zusammenfassen lassen und ob letztere unter eine Form zu
bringen sei, der nach dem Zivilrecht Rechtspersönlichkeit zukommt oder die
sich einer Personengemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit nähert (Kollektiv-
oder Kommanditgesellschaft). Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers und
aller beteiligten Instanzen kann nur ein Verein im Sinne der Art. 60 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 60 - 1 Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
1    Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
2    Die Statuten müssen in schriftlicher Form errichtet sein und über den Zweck des Vereins, seine Mittel und seine Organisation Aufschluss geben.
. ZGB
in Frage stehen. Indessen ist mit den Handelsregisterbehörden und dem Justiz-
und Polizeidepartement davon auszugehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen
für die Annahme eines Vereines fehlen. Wie die Vorinstanz zutreffend
feststellt, sind keine Statuten und deshalb keine durch sie festgelegte
Organisation vorhanden; vor allem auch fehlt es am satzungsmässig bekundeten
Willen, als Verein bestehen zu wollen. Die Ordensregeln oder allfällige
Vorschriften darüber, wie unter den Schwestern die Arbeit verteilt wird,
vermögen im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers die Statuten und
insbesondere die Willensbildung, sich zu einem Verein zusammenzuschliessen,
nicht zu ersetzen.
Auf Empfehlung des eidg. Amtes für das Handelsregister hat der st. gallische
Registerführer geprüft, ob im Fürsorge- und Erziehungsheim Altstätten
allenfalls eine Filiale des Mutterhauses der «Frauen vom Guten Hirten»
vorliege; es ist jedoch zum Schlusse gelangt, dass keine Vorschriften oder
Beziehungen bestehen, die auf eine geschäftliche Niederlassung im
zivilrechtlichen Sinn hindeuten würden. Ebenso stehen das eidg. Amt für das
Handelsregister und das Justiz- und Polizeidepartement auf dem Boden, dass
keine Beweise dafür vorliegen, dass der Anstaltsbetrieb in Altstätten
hinsichtlich Leitung, Aufgabe und Rechnungsführung sich als ein
Filialunternehmen darstelle. Das Bundesgericht kann sich dieser Feststellung,
die durch die Akten im vollen Umfang begründet erscheint, ohne Bedenken
anschliessen.

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Aus den vom st. gallischen Handelsregisteramt durchgeführten Untersuchungen
geht hervor, dass der Betrieb des Erziehungsheims für Rechnung des im
Handelsregister eingetragenen Vereins vom Guten Hirten geführt wird. Mit Recht
stellt das Handelsregisteramt in dieser Hinsicht fest, dass die Darlehens-
oder Anleiheverpflichtungen, die eingegangen wurden, sowie die Bank- und
Postcheckkonti der Anstalt nicht das Vermögen der Schwestern angehen, sondern
dasjenige des Vereins, soweit es im Anstaltsbetrieb liegt. Nach dem
einlässlichen, Werk von Pfr. Dr. J. HELG (S. 108) lautete Art. 1 des
Gründungsstatutes des Vereins vom Guten Hirten dahin, dass eine Anstalt zur
Aufnahme und Erziehung verwahrloster katholischer Mädchen errichtet und die
Leitung und Führung derselben einer Anzahl Frauen aus einem geistlichen Orden
übergeben werden solle. Nachdem der Verein in Verbindung mit einer
Statutenänderung sich hatte ins Handelsregister eintragen lassen, wurde mit
den Schwestern ein neuer Vertrag in Ersetzung eines frühern abgeschlossen.
Nach diesem Vertrag ist das Anwesen des Vereins den «Frauen vom Guten Hirten»
zur freien und unentgeltlichen Benützung überlassen. Es ist aber vom Verein
aus bestimmt, was mit dem Nettoerlös bei allfälligen Liegenschaftenverkäufen
zu geschehen hat, und dass die jährlichen Zinse in die Betriebsrechnung der
«Frauen vom Guten Hirten» fallen. Die Schwestern haben nach diesem Vertrag für
die Instandhaltung des gesamten Heims zu sorgen und vornehmlich das
Fürsorgeheim im Sinne des vorgesteckten Zieles zu leiten und zu verwalten.
Ihnen ist also-dies wird in § 1 lit. «des Vertrages auch ausdrücklich
bestätigt - die Durchführung des Vereinszweckes Überbunden. Die «Frauen vom
Guten Hirten» erfüllen damit keinen eigenen, sich selbst gesetzten Zweck,
sondern sie dienen dem Zweck des eingetragenen Vereins. Im Vertrag ist weiter
ausgeführt, welche Kompetenzen den «Frauen vom Guten Hirten» zustehen; darnach
sind sie zwar unter anderem berechtigt, über die Aufnahme und Entlassung von
Zöglingen zu entscheiden, der Verein

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wahrt sich jedoch das Recht, nach Belieben Über die Aufnahme und Entlassung
der Zöglinge Kontrolle zu führen. Die Frauen sind ferner verpflichtet,
gewissenhaft Rechnung zu führen und dem Verein regelmässig Rechnung abzulegen.
Dazu bemerkt die Vorinstanz, dass nicht etwa der Orden der «Schwestern vom
Guten Hirten» als solcher, sondern dass die «Frauen vom Guten Hirten» als
Einzelpersonen vom Verein damit beauftragt sind, das Fürsorgeheim in der
erwähnten Art zu führen, und zwar unter Oberleitung des Bischofs von St.
Gallen und unter Mitwirkung des Rektors, der zugleich als Aktuar
Vorstandsmitglied des Vereins ist. Bei dieser Gestaltung der Beziehungen
zwischen dem Verein und den «Frauen vom Guten Hirten» sind die letzteren nur
die ausführende Hand für die Zwecke des Vereines und für den von ihm auf seine
Rechnung eingesetzten Anstaltsbetrieb. Dasselbe ergibt sich, wie das Justiz-
und Polizeidepartement zutreffend ausführt, auch aus den Jahresberichten des
Vereins. Dr. Helg fasst daher die Schwestern lediglich als Angestellte des
Vereins auf (S. 48); zutreffender wird wohl gesagt, dass die «Frauen vom Guten
Hirten» aus religiöser Hingabe und Nächstenliebe ihre selbstlose Tätigkeit dem
Verein für den Betrieb seiner Anstalt zur Verfügung stellen. Auf dieser
Grundlage ist dem st. gallischen Handelsregisteramt und dem eidg. Amt für das
Handelsregister in der Auffassung beizupflichten, dass die «Frauen vom Guten
Hirten» als Beauftragte des Vereins handeln und durch ihre Handlungen im
Rahmen ihrer Vollmacht nicht sich, sondern den Verein verpflichten. Das eidg.
Amt ist der Ansicht, dass zugunsten der «Frauen vom Guten Hirten» eine
Handlungsvollmacht im Sinne von Art. 462
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 462 - 1 Wenn der Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder eines andern nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes jemanden ohne Erteilung der Prokura, sei es zum Betriebe des ganzen Gewerbes, sei es zu bestimmten Geschäften in seinem Gewerbe als Vertreter bestellt, so erstreckt sich die Vollmacht auf alle Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.
1    Wenn der Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder eines andern nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes jemanden ohne Erteilung der Prokura, sei es zum Betriebe des ganzen Gewerbes, sei es zu bestimmten Geschäften in seinem Gewerbe als Vertreter bestellt, so erstreckt sich die Vollmacht auf alle Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.
2    Jedoch ist der Handlungsbevollmächtigte zum Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist.
OR besteht für alle Handlungen, die
der Betrieb des Erziehungskeims zur Verwirklichung des Zweckes des Vereines
vom Guten Hirten gewöhnlich mit sich bringt. Auch dieser Auffassung ist nach
der Aktenlage zuzustimmen.
Aus dem Umstand, dass die «Frauen vom Guten

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Hirten» unter anderem verpflichtet sind, für die Verzinsung der
Hypothekarschulden des Vereines zu sorgen, kann nicht, wie dies der
Beschwerdeführer tun will, gefolgert werden, dass die Frauen damit einen
Mietzins bezahlen wollen. Diese Abmachung enthält lediglich die Verpflichtung,
aus den Mitteln des Betriebes für den Verein diese Zinsen zu entrichten und
sie in der Anstaltsrechnung aufzuführen. Ebenso ist es entgegen der Auffassung
des Beschwerdeführers völlig ohne Bedeutung, dass nach dem Vertrag die Frauen
den Namen «Anstalt vom Guten Hirten» als Firma führen sollen. Aus dem ganzen
Zusammenhang ergibt sich deutlich, dass damit nur der Name der Anstalt
festgelegt, nicht aber das Wort Firma im Rechtssinne als Bezeichnung eines
selbständigen geschäftlichen Unternehmens gedacht sein wollte. Richtig ist
allerdings, dass bis vor kurzem über die Rechtslage beim Verein vom Guten
Hirten und bei den Leiterinnen der Anstalt Unklarheit bestand und dass
ersterer, von einem blossen Patronatsverhältnis ausgehend, seine Haftung für
die Betriebsschulden der Anstalt ablehnte. Auf diese Stellungnahme wird auch
noch in den Entscheidungen des Gerichtspräsidenten von Oberrheintal, der st.
gallischen Aufsichtsbehörde und der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichtes Bezug genommen. Inzwischen sind aber die Verhältnisse durch
die eingehenden Untersuchungen der Registerbehörde abgeklärt worden, und
sodann hat nach Feststellung der Vorinstanz der Verein vom Guten Hirten mit
Eingabe vom 17. Januar 1937 gegenüber dem st. gallischen Handelsregisteramt
ausdrücklich anerkannt, dass er die Rechtsauffassung des Handelsregisteramtes
teile, dass also der Betrieb des Erziehungsheims unter Leitung der Schwestern
auf seine Rechnung gehe. Damit ist die Rechtslage endgültig geklärt. Die
«Frauen vom Guten Hirten» kommen als Inhaber der Anstalt nicht in Betracht,
sondern der Verein, und ihr rein tatsächliches gemeinsames Wirken im Interesse
des Vereinszweckes verbindet sie auch nicht, zu

Seite: 104
einer rechtlich zu erfassenden Personeneinheit. Eine Eintragung ins
Handelsregister der «Frauen vom Guten Hirten» hat deshalb nicht stattzufinden.
Es bleibt dem Beschwerdeführer überlassen, seine Ansprüche gegenüber dem
Verein als Inhaber der Anstalt geltend zu machen, wobei dann zu entscheiden
sein wird, wie weit die Handlungsbefugnis der Schwestern reicht und ob sie
insbesondere die Vollmacht haben, wechselrechtliche Verpflichtungen für die
Anstalt einzugehen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 63 I 95
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 11. Mai 1937
Quelle : Bundesgericht
Status : 63 I 95
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Handelsregister. Eintragspflicht eines von Ordensschwestern geführten Erziehungsheims?Begriff des...


Gesetzesregister
OR: 462
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 462 - 1 Wenn der Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder eines andern nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes jemanden ohne Erteilung der Prokura, sei es zum Betriebe des ganzen Gewerbes, sei es zu bestimmten Geschäften in seinem Gewerbe als Vertreter bestellt, so erstreckt sich die Vollmacht auf alle Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.
1    Wenn der Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder eines andern nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes jemanden ohne Erteilung der Prokura, sei es zum Betriebe des ganzen Gewerbes, sei es zu bestimmten Geschäften in seinem Gewerbe als Vertreter bestellt, so erstreckt sich die Vollmacht auf alle Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.
2    Jedoch ist der Handlungsbevollmächtigte zum Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist.
ZGB: 60 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 60 - 1 Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
1    Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
2    Die Statuten müssen in schriftlicher Form errichtet sein und über den Zweck des Vereins, seine Mittel und seine Organisation Aufschluss geben.
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 61 - 1 Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
1    Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
2    Der Verein ist zur Eintragung verpflichtet, wenn er:
1  für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt;
2  revisionspflichtig ist;
3  hauptsächlich Vermögenswerte im Ausland direkt oder indirekt sammelt oder verteilt, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.85
2bis    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister.86
2ter    Er kann Vereine nach Absatz 2 Ziffer 3 insbesondere dann von der Eintragungspflicht ausnehmen, wenn sie aufgrund von Höhe, Herkunft, Ziel oder Verwendungszweck der gesammelten oder verteilten Vermögenswerte einem geringen Risiko des Missbrauchs für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind.87
3    ...88
BGE Register
56-I-123 • 59-I-32 • 63-I-95
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
hirt • bundesgericht • vorinstanz • unternehmung • wechselbetreibung • frage • weiler • bewilligung oder genehmigung • rechtslage • ersetzung • orden • von amtes wegen • wille • vieh • entscheid • eidgenössisches amt für das handelsregister • geistlicher • stelle • ware • anstalt
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