S. 199 / Nr. 39 Befreiung von kantonalen Abgaben (d)

BGE 63 I 199

39. Auszug aus dem Urteil vom 24. Juni 1937 i. S. F. D. gegen den Kanton
Aargau.

Regeste:
Steuerfreiheit von Leistungen der Militärversicherung.
1. Ist die Leistung der Militärversicherung eine Kapitalabfindung, so ist sie
von der Besteuerung frei, die auf das Vermögen oder seinen Ertrag gelegt wird.
2. Steuerfrei ist nicht nur die Kapitalleistung in ihrer urspünglichen
Gestalt, sondern der entsprechende im Vermögen des Steuerpflichtigen
vorhandene Wert, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Aktiven durch
Anschaffung von Werten und Objekten vermehrt oder die Passiven durch Abzahlung
von Schulden vermindert worden sind.

A. - Der Sohn des Klägers erlag im Jahre 1932 während der Rekrutenschule einer
Grippe-Pneumonie. Den Eltern wurde von der Militärversicherung eine
Hinterbliebenenrente von Fr. 800.- im Jahr zugesprochen. Auf Wunsch

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des Klägers, der Mittel zur Tilgung von Schulden suchte, wurde die Rente im
Frühjahr 1933 mit Fr. 8256.-ausgekauft.
Bei der Veranlagung für die kantonalen und Gemeindesteuern des Jahres 1936
verlangte der Kläger Steuerfreiheit für Fr. 8000.- Vermögen. Die
Bezirkssteuerkommission hat das Begehren abgelehnt.
B. - Mit Klage vom 16. April 1937 stellt D. beim Bundesgericht folgenden
Antrag:
«Das Bundesgericht wolle feststellen, dass dem Kläger bei der Besteuerung
seines Liegenschaftenbesitzes pro 1936 und folgende Jahre ein Betrag von Fr.
8000.- als Leistung der Militärversicherung in Abzug zu bringen ist.»
Die Klage bezeichnet sich als solche nach Art. 18a VDG. Sie stützt sich auf
Art. 15 I des Bundesgesetzes über die Militärversicherung vom 28. Juni 1901.
Der Kläger führt aus: Die Leistung der Militärversicherung, die steuerfrei
sei, sei erfolgt zum Zwecke der Schuldentilgung. Lasse man diese Fr. 8000.-
bei der Besteuerung nicht in Abzug bringen, wie sie vorher als Schulden in
Abzug gebracht worden seien, so besteuere man tatsächlich die Leistung der
Militärversicherung.
a.-Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat die Abweisung der Klage beantragt.
Er führt aus:
1. Die Klage sei grundsätzlich unbegründet. Werde die steuerfreie Leistung der
Militärversicherung in irgend einer Weise verbraucht, wie das hier geschehen
sei, so bestehe sie nicht mehr, und die Steuerfreiheit könne nicht auf andere
Vermögensobjekte, wenn solche vorhanden seien, übertragen werden.
Bei einer Steuerbefreiung aus sozialpolitischen Gründen, wie sie hier in Frage
stehe, müsse sich der Gesetzgeber gewisse Beschränkungen auferlegen, um nicht
Ungleichheiten zu schaffen (BLUMENSTEIN, Schweiz. Steuerrecht 97/8). Eine
solche Ungleichheit würde entstehen, wenn man die Steuerfreiheit für die nicht
mehr bestehenden Leistungen der Militärversicherung auf andere
Vermögensobjekte ausdehnen würde.

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2. Eventuell sei die Klage abzuweisen, weil eine Schuldverminderung auf dem
liegenschaftlichen Vermögen gar nicht stattgefunden habe. Die
grundpfandversicherten Schulden des Klägers seien in den Jahren 1933 bis 1936
unverändert geblieben mit Fr. 29980.-. Dieser Betrag sei jeweilen voll in
Abzug gebracht worden, auch pro 1936. Eine Verminderung durch Abzahlung von
Schulden aus der Abfindung der Militärversicherung sei nicht eingetreten.
Deshalb könne auch der Abzug abbezahlter Schulden nicht in Frage kommen.
D. - In der Replik hat der Kläger anerkannt, dass er mit der Abfindungssumme
der Militärversicherung keine Hypothekarkapitalschulden abbezahlt hat. Über
die Verwendung des Betrages hat er nähere Angaben gemacht, aus denen
hervorgeht, dass er die Abfindungssumme zum Teil zur Tilgung rückständiger
Hypothekarzinse und von Darlehens- und anderen Schulden, zum Teil für
Anschaffungen verwendet hat.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - .....
2. - Nach Art. 15 I des Bundesgesetzes betreffend die Militärversicherung vom
28. Juni 1901 dürfen die Leistungen der Militärversicherung keiner Steuer
unterzogen wer den (die sachlich übereinstimmende Vorschrift in Art. 14 II des
Bundesgesetzes über die Militärversicherung vom 23. Dezember 1914 ist noch
nicht in Kraft getreten). Diese Steuerbefreiung beruht auf sozialpolitischen
Überlegungen: Der mit der Militärversicherung verfolgte fürsorgezweck soll
nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass deren Leistungen mit Steuern belegt
werden. Ist die Leistung der Militärversicherung eine Rente, so darf sie nicht
als Einkommen (oder kapitalisiert als Vermögen) besteuert werden. Ist sie eine
Kapitalabfindung, so ist sie von derjenigen Besteuerung frei, die auf das
Vermögen oder seinen Ertrag gelegt ist.
3. - .....
4. - Besteht die Leistung der Militärversicherung, wie

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im vorliegenden Fall, in einer Kapitalabfindung, so ist von der Steuer befreit
nicht nur die ausbezahlte Geldsumme, sondern es sind auch befreit die daraus
beschafften Werte (Sparhefte, Wertpapiere usw.) oder erworbenen Objekte,
speziell auch Liegenschaften (Urteil Gobet vom 21. März 1935 Erw. 3). Es
entspricht jenem sozialpolitischen Ziel der Steuerbefreiung, dass auch für die
Werte oder Objekte, die im Vermögen des Pflichtigen den Gegenwert der
Versicherungsleistung bilden, keine Besteuerung eintrete.
Verwendet ein Pflichtiger mit Reinvermögen die Kapitalleistung der
Militärversicherung zur Abzahlung von Schulden, so hat das zur Folge, dass in
der Ökonomie des Empfängers den Aktiven nun weniger Passiven gegenüberstehen
und das Reinvermögen entsprechend höher ist. Dieser Mehrbetrag des
Reinvermögens stellt dann den Gegenwert der Abfindung dar. Das ist bei der
Besteuerung wiederum zu berücksichtigen. Die Besteuerung des ganzen
Reinvermögens wäre nichts anderes als eine Mitbesteuerung der Abfindung und
daher nach Art. 15 1. c. unzulässig. Steuerfrei nach Sinn und Zweck des
Gesetzes ist nicht nur die Kapitalleistung der Militärversicherung in ihrer
ursprünglichen Gestalt (in der sie in der Regel nicht verbleiben wird),
sondern der entsprechende im Vermögen vorhandene Wert, und dabei kann es
keinen Unterschied machen, ob die Aktiven durch Anschaffung von Werten oder
Objekten vermehrt, oder die Passiven durch Abzahlung von Schulden vermindert
worden sind. Auch im letztern Fall liegt keine unstatthafte Verlegung der
Steuerfreiheit auf andere Vermögensteile vor. Es handelt sich dabei auch nicht
darum, dass nicht mehr vorhandene Schulden abgezogen würden; lediglich der
Gegenwert der Abfindung der Militärversicherung im Vermögen soll steuerfrei
bleiben.
Hören die mit der Abfindung der Militärversicherung erworbenen Objekte auf,
Bestandteil des Vermögens zu sein, so kommen für die Steuerbefreiung
allfällige Ersatz

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Objekte befinden, die daraus angeschafft wurden, sei es, dass Schulden getilgt
wurden, die, wenn noch bestehend, abzuziehen wären....
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Kläger für das Steuerjahr
1936 neu zu veranlagen und dass dabei die Steuerfreiheit der Kapitalabfindung
der Militärversicherung im Sinne der Erwägungen zu berücksichtigen ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 63 I 199
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 24. Juni 1937
Quelle : Bundesgericht
Status : 63 I 199
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Steuerfreiheit von Leistungen der Militärversicherung.1. Ist die Leistung der Militärversicherung...


BGE Register
63-I-199
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