S. 125 / Nr. 38 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 62 III 125

38. Entscheid vom 6. September 1936 i. S. Basler Kantonalbank.


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Regeste:
Solange die vom Schuldner dem Gläubiger zu Handen des Betreibungsamtes
übergebene Erklärung des Rückzuges des Rechtsvorschlages letzterem nicht
zugegangen ist, kann der Schuldner sie beim Betreibungsamt widerrufen.
Ecrit souscrit par le débiteur déclarant retirer son opposition. Remise de
l'écrit au créancier qui se charge de le faire parvenir à l'office. Tant que
l'écrit n'est pas parvenu à l'office, le débiteur peut révoquer sa déclaration
par une communication faite directement à l'office.
Atto firmato dal debitore con cui dichiara di ritirare la propria opposizione.
Consegna dell'atto al creditore che s'assume l'incarico di trasmetterlo
all'ufficio. Finché l'atto non è pervenuto all'ufficio il debitore può
revocare la sua dichiarazione con una comunicazione fatta direttamente
all'ufficio.

Der Beschwerdeführer F. G. Vonkilch übergab der Rekurrentin am Vormittag des
24. Juni 1936 folgendes von ihm unterschriebene Schriftstück:
«An das Betreibungsamt Basel-Stadt, Basel.
Mit Gegenwärtigem ziehe ich den in Betreibung Nr. 83108 erhobenen
Rechtsvorschlag gänzlich zurück.
Schuldner: Alwin Schwabe-Vonkilch, Basel,
Gläubigerin: Basler Kantonalbank, Basel,
Faustpfandbesteller: Franz Georg Vonkilch, Basel, Forderungsbetrag: 35303 Fr.
80 Cts. nebst Zinsen seit 26. Mai 1936.
Hochachtend».
Am Nachmittag des gleichen Tages sprach der Beschwerdeführer auf dem
Betreibungsamt Basel vor und erklärte mündlich unmissverständlich, er lasse
seinen am Vormittag auf der Kantonalbank zuhanden des Betreibungsamtes
erklärten Rückzug des Rechtsvorschlages nicht gelten. Dieser wurde dem
Betreibungsamt erst etwas später durch einen Ausläufer der Kantonalbank
überbracht. Noch am gleichen Tage schrieb der Beschwerdeführer

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an die Kantonalbank einen seine Haltung begründenden Brief und sandte eine
Abschrift davon an das Betreibungsamt mit der schriftlichen Bestätigung seiner
bei ihm abgegebenen mündlichen Erklärung. Das Betreibungsamt antwortete
jedoch: «Nachdem Sie den Rückzug des Rechtsvorschlages bei der Basler
Kantonalbank zuhanden unseres Amtes bedingungslos erklärt haben, kann derselbe
nicht mehr rückgängig gemacht werden.»
Auf Beschwerde hin hat die kantonale Aufsichtsbehörde am 6. August 1936 das
Betreibungsamt angewiesen, in Betreibung Nr. 83108 den Rechtsvorschlag des
Beschwerdeführers als weiterhin zu Recht bestehend zu behandeln. Den
Entscheidungsgründen ist zu entnehmen: «Der Rückzug des Rechtsvorschlages
muss, um betreibungsrechtliche Wirkungen zu äussern, dem Betreibungsamte
gegenüber erklärt werden, so gut wie vorher der Rechtsvorschlag, um wirksam zu
sein, dem Amte gegenüber zu erklären war. Die Rückzugserklärung kann
allerdings dem Gläubiger ausgehändigt werden, der dann für die Übermittlung an
das Amt als Bote des Schuldners fungiert. Aber diese Übermittlung muss
erfolgen, und vorher ist der Rechtsvorschlag nicht zurückgezogen. Nun ist es
ein über das Obligationenrecht hinausgehender Rechtssatz, dass eine
Willenserklärung keine Wirkungen äussert, wenn eine sie aufhebende Erklärung
vorher beim Erklärungsempfänger eintrifft.»
Diesen Entscheid hat die Basler Kantonalbank an das Bundesgericht
weitergezogen mit dem Antrag, das Betreibungsamt sei anzuweisen, den
Zahlungsbefehl Nr. 83108 als unbestritten zu behandeln; es sei somit der «vom
Schuldner» nachträglich erklärte Widerruf des Rückzuges des Rechtsvorschlages
nicht zu berücksichtigen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Der Vorinstanz ist ohne weiteres darin beizustimmen, dass die Erklärung des
Rückzuges des Rechtsvorschlages,

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welcher die durch Rechtsvorschlag bewirkte Einstellung der Betreibung zu
beseitigen bestimmt ist, nicht vollendet, nicht perfekt ist, bevor sie an das
Betreibungsamt selbst gelangt ist. Es mag dies vielleicht etwas weniger
selbstverständlich erscheinen als bezüglich der von der Vorinstanz angeführten
Rechtsvorschlagserklärung selbst. Dagegen besteht eine sozusagen vollständige
Parallele zum Rückzug eines Gläubigerbegehrens, insbesondere auf Verwertung,
welchem die ständige Rechtsprechung irgendwelche betreibungsrechtliche Wirkung
versagt, wenn er nicht gegenüber dem Betreibungsamt erklärt wird. Dieser Folge
aus der betreibungsprozessualen Natur der Erklärung muss sich der Gläubiger
anpassen und kann es auch unschwer dadurch tun, dass er sich zu irgendwelchen
Abmachungen mit dem Schuldner nur unter der Bedingung einlässt, dass dieser
den Rückzug des Rechtsvorschlages in wirksamer Weise beim Betreibungsamt,
erkläre.
Hieraus ergibt sich die Richtigkeit des angefochtenen Entscheides der
Vorinstanz ohne weiteres, und zwar auch ohne Heranziehung des Art. 9
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 9 - 1 Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem andern zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten.
1    Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem andern zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten.
2    Dasselbe gilt für den Widerruf der Annahme.
OR. Diese
Vorschrift trifft dann zu, wenn eine empfangsbedürftige Erklärung vom
Erklärenden selbst oder mit dessen Ermächtigung aus- und demjenigen zu-geht,
an welchen sie gerichtet werden muss, um wirksam zu sein. Nun ist in der
Übergabe der an das Betreibungsamt adressierten Rückzugserklärung des
Beschwerdeführers an die Rekurrentin freilich deren Ermächtigung zu sehen, sie
dem Betreibungsamt zu übermitteln, zukommen zu lassen. Allein noch bevor der
Rückzug dem Betreibungsamt zuging, hat der Beschwerdeführer persönlich auf dem
Betreibungsamt eine Erklärung abgegeben, die nicht anders denn als Widerruf
der Botenermächtigung aufgefasst werden konnte - mag sie auch vielleicht eher
im Sinne des Widerrufes der Rückzugserklärung formuliert gewesen sein. Die
Zulässigkeit und die Voraussetzungen der Wirksamkeit des Widerrufes einer
solchen Botenermächtigung können nicht anders beurteilt werden als diejenigen

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des Widerrufes einer Vollmacht zu zivil- oder betreibungsprozessualen
Handlungen, und die Vorschriften des OR über die Vollmacht müssen, unter
Vorbehalt abweichender Normen, auch für das Betreibungsrecht und sogar das
(kantonale) Zivilprozessrecht gelten, insbesondere Art. 34, namentlich Abs. 2
und e contrario Abs. 3 und Art. 37. Danach hat der Beschwerdeführer durch
seine Vorsprache auf dem Betreibungsamt zu verhindern vermocht, dass die von
ihm ausgestellte und der Rekurrentin zur Übermittlung übergebene
Rückzugserklärung noch wirksam werden konnte, als sie etwas später dem
Betreibungsamt zuging. Wie unpraktikabel jede andere Lösung wäre, beweist
übrigens am besten der Schluss der Vernehmlassung des Betreibungsamtes: «Dem
Beschwerdeführer könnte bloss dann geholfen werden, wenn die
Widerrufserklärung als mit Willensmängeln behaftet und deshalb anfechtbar
erschiene. Was er in dieser Hinsicht aber ausführt, vermag weder eine
Täuschung noch einen rechtserheblichen Irrtum darzutun». Allein das sind
Fragen, welche das Betreibungsamt nichts angehen und die auch bloss prima
facie zu prüfen sich nur die juristisch gebildeten Vorsteher einziger weniger
grosser Betreibungskreise einfallen lassen könnten.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 62 III 125
Date : 01. Januar 1936
Published : 06. September 1936
Source : Bundesgericht
Status : 62 III 125
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Solange die vom Schuldner dem Gläubiger zu Handen des Betreibungsamtes übergebene Erklärung des...


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