S. 221 / Nr. 57 Prozessrecht (d)

BGE 62 II 221

57. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. September 1936 i. S. Ferraro gegen
Ferraro.

Regeste:
Die zivilrechtliche Beschwerde ist nicht zulässig gegen einen
Zwischenentscheid, der zwar gegenwärtig nicht mit einem ordentlichen
kantonalen Rechtsmittel angefochten werden kann, wohl aber später in
Verbindung mit der Hauptsache. OG Art. 87.

Die mit einem in Mailand wohnenden Italiener verheiratete Klägerin, eine
ehemalige Schweizerin, die gegenwärtig bei ihren Eltern in Langnau lebt und
dort gemäss

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Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
, 170 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB selbständigen Wohnsitz zu haben behauptet,
erhob beim dortigen Gericht (Amtsgericht von Signau) Ehetrennungsklage. Am 22.
Februar 1936 hat das Amtsgericht Signau erkannt: Die Zuständigkeit des
Amtsgerichtes Signau in Langnau zur Behandlung der vorstehenden
Ehetrennungssache wird bejaht. Gegen diesen Entscheid führte der Beklagte
staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag auf dessen Aufhebung und Verneinung
der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes. Nachträglich erklärte er sich
damit einverstanden, dass seine Beschwerde eventuell auch als zivilrechtliche
behandelt werde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Entscheide von der Art des vorliegenden können wegen Verletzung von
Gerichtsstandsbestimmungen des eidgenössischen Rechtes und im besonderen wegen
Verletzung des NAG (Art. 7 h und 7 i Abs. 2) angefochten werden, wofür, sofern
sie nicht in Verbindung mit der Beurteilung der Hauptsache getroffen worden
sind und daher nicht der Berufung unterliegen, das OG, Art. 87, Ziffer 2 und
neuerdings auch Ziffer 3, die zivilrechtliche Beschwerde zur Verfügung stellt,
neben der kein Raum mehr ist für eine infolgedessen ihrer Art nach unzulässige
staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 189 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
bezw. Untersatz zu Abs. 2
OG. Insbesondere betrifft der vom Beklagten ebenfalls als verletzt bezeichnete
Art. 2 Ziff. 1 des Abkommens von 1933 mit Italien über die Anerkennung und
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen auch nur einen Präjudizialpunkt für
die Anwendung von Art. 7 h
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
des NAG. Indessen erweist sich die vorliegende
Beschwerde, auch wenn sie als zivilrechtliche angesehen wird, als unzulässig,
weil sie sich nicht gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid
richtet, wie Art. 87
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
OG im Ingress voraussetzt. Nach Art. 335 der
Zivilprozessordnung für den Kanton Bern sind Entscheide des Amtsgerichtes über
Vor- und Zwischenfragen in Streitigkeiten, deren Streitwert

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nicht geschätzt werden kann, nur dann selbständig appellabel, wenn das
Verfahren durch den anzufechtenden Entscheid vorläufig seinen Abschluss
erhalten hat. Letzteres ist bei Bejahung zweifelhafter Zuständigkeit nicht der
Fall; die Appellation wird allerdings erst gegen das Sachurteil zulässig sein,
kann dann aber die Zuständigkeitsfrage mitumfassen. Steht aber derart noch ein
ordentliches kantonales Rechtsmittel gegen den angefochtenen Entscheid zur
Verfügung, so ist er kein «letztinstanzlicher» kantonaler Entscheid, mögen
auch die Voraussetzungen der Zulässigkeit jenes kantonalen Rechtsmittels
gegenwärtig noch nicht erfüllt sein, während bei gänzlicher Unzulässigkeit
desselben nach den Vorschriften des OG schon jetzt beim Bundesgericht
zivilrechtliche Beschwerde geführt werden könnte (und mag auch später die
zivilrechtliche Beschwerde ausgeschlossen sein, wenn, wie vorauszusehen ist,
das kantonale Appellationsgericht Vor- und Hauptfragen miteinander beurteilen
und infolgedessen nurmehr die Berufung zulässig sein wird, was dem subsidiären
Charakter der zivilrechtlichen Beschwerde im Verhältnis zur Berufung ja nur
entspricht). Die gegenteilige Lösung würde zur Ausschaltung der oberen
kantonalen Instanz führen, die nicht zureichend gerechtfertigt werden könnte
durch Gründe der Prozessökonomie, denen das kantonale Prozessrecht selbst
nicht Rechnung tragen zu sollen geglaubt hat. Auch könnte es zu
Unzuträglichkeiten führen, wenn das Bundesgericht gestützt auf die
tatsächlichen Feststellungen der unteren kantonalen Instanz über die
Berechtigung der Klägerin zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes die
Gerichtsstandsfrage endgültig beurteilen müsste, während über die für die
Hauptfrage massgebenden tatsächlichen Verhältnisse, die zum guten Teil die
gleichen sein werden, erst nachträglich im Hauptverfahren die obere kantonale
Instanz die verbindlichen Feststellungen treffen wird, die denen der unteren
Instanz widersprechen können. Von dieser grundsätzlichen Betrachtungsweise
darf auch im vorliegenden Falle nicht abgewichen werden, obwohl

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der angefochtene Zuständigkeitsentscheid nach Lage der Akten unrichtig
erscheint.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 62 II 221
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 16. September 1936
Quelle : Bundesgericht
Status : 62 II 221
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Die zivilrechtliche Beschwerde ist nicht zulässig gegen einen Zwischenentscheid, der zwar...


Gesetzesregister
EÖBV: 7h
OG: 87  189
ZGB: 25 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
170
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
BGE Register
62-II-221
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kantonales rechtsmittel • bundesgericht • staatsrechtliche beschwerde • hauptsache • beklagter • italienisch • entscheid • aufhebung des gemeinsamen haushaltes • charakter • zwischenentscheid • weiler • treffen • streitwert