S. 159 / Nr. 41 Obligationenrecht (d)

BGE 62 II 159

41. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Juni 1936 i. S. Stächelin & Cie gegen
Meyer und Löhrer.

Regeste:
Grundstückkauf; Haftung für Mindermass, OR 219, beim Handel mit Bauland.

A. ­ Die Beklagte war Eigentümerin der nichtüberbauten Liegenschaft Sektion
III, Parzelle 1598 3 des Grundbuches Basel-Stadt, deren Flächeninhalt im
Grundbuch mit 2590 m2 angegeben war. Da die Beklagte diese Parzelle zu
verkaufen wünschte, liess sie auf derselben eine Plakattafel aufstellen mit
der Aufschrift: «2590 m2 Bauterrain zu verkaufen».
Im Sommer 1933 traten die Kläger mit der Beklagten in Kaufsunterhandlungen,
bei denen, wie dies im Handel mit Bauland üblich ist, um den Preis pro m2
gefeilscht wurde. Die Beklagte verlangte anfänglich 130 Fr. pro m2, während
die Kläger nur 100 Fr. bezahlen wollten. Schliesslich einigten sich die
Parteien auf einen Preis von 110 Fr. pro m2 . Ein Gesamtkaufpreis für die
Liegenschaft wurde von den Parteien nicht abgemacht, sondern dieser wurde erst
vom Notar, durch den die Parteien am 24. August 1933 den Kaufvertrag
öffentlich beurkunden liessen, an Hand der im Grundbuch enthaltenen
Massangaben ausgerechnet und in den Kaufvertrag eingesetzt.
Nach dem Wortlaut des Vertrages wurde verkauft «die Liegenschaft Sektion III
Parzelle 1598 3 des Grundbuches Basel haltend 25 a 90 m2, Innere
Margarethenstrasse, grenzend an...».

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Über den Kaufpreis ist im Kaufvertrag gesagt: «Dieser Kaufvertrag ist
abgeschlossen worden um den Preis von 110 Fr. per Quadratmeter, somit um
284900 Fr.».
Der Kaufpreis wurde durch Übernahme der bestehenden Hypotheken, Neuerrichtung
von solchen und Barzahlung beglichen.
Da die Kläger die Liegenschaft parzellieren wollten, liessen sie im Juli 1934
durch das kantonale Vermessungsamt eine Nachmessung vornehmen. Dabei stellte
sich heraus, dass die Liegenschaft statt der im Grundbuch angegebenen 2590 m2
nur deren 2501,5, also 88,5 weniger, Flächeninhalt aufwies.
B. ­ Die Kläger belangten daher, nachdem sie auf gütlichem Wege nicht zum
Ziele gelangt waren, die Beklagte mit Klage vom 29. November 1934 auf
Rückerstattung der nach ihrer Ansicht zuviel bezahlten 9735 Fr. Zur Begründung
der Klage machen sie geltend, dass nicht das Grundstück zu einem Gesamtpreis
gekauft worden sei, sondern die im Grundbuch angegebene Anzahl von m2; da
diese in Wirklichkeit geringer sei, so sei die Beklagte ungerechtfertigt
bereichert um den der Anzahl der nicht vorhandenen m2 entsprechenden Kaufpreis
und habe diesen daher zurückzuerstatten; eventuell berufen sich die Kläger auf
Irrtum.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt unter Berufung darauf, dass sie
für das im Grundbuch eingetragene Mass keine Gewährleistung übernommen habe,
was nach Art. 219 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 219 - 1 Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
1    Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
2    Besitzt ein Grundstück nicht das im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung angegebene Mass, so hat der Verkäufer dem Käufer nur dann Ersatz zu leisten, wenn er die Gewährleistung hiefür ausdrücklich übernommen hat.
3    Die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet.
OR für eine Haftung für das Mindermass Voraussetzung
wäre.
C. ­ Sowohl das Bezirksgericht Arlesheim, wie das Obergericht des Kantons
Basel-Landschaft haben die Klage geschützt, im Wesentlichen mit der
Begründung, in der Vereinbarung des Kaufpreises pro m2 liege die Garantie,
dass nur diejenige Anzahl m2 zu bezahlen sei, die in Wirklichkeit geliefert
werde; eine Berufung der Beklagten auf Art. 219 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 219 - 1 Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
1    Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
2    Besitzt ein Grundstück nicht das im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung angegebene Mass, so hat der Verkäufer dem Käufer nur dann Ersatz zu leisten, wenn er die Gewährleistung hiefür ausdrücklich übernommen hat.
3    Die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet.
OR verstosse gegen Treu
und Glauben.
D. ­ Gegen das Urteil des Obergerichts vom 3. Dezember

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1935 hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrag auf Abweisung der Klage.
Die Kläger haben auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen
Urteils angetragen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Gegenstand eines Liegenschaftskaufs kann nicht eine zum Voraus
festgestellte oder erst noch festzustellende Anzahl von m2 sein, sondern nur
ein bestimmtes, durch näher bezeichnete Grenzen umrissenes Grundstück. Denn
nur die Übertragung eines solchen, nicht diejenige einer bestimmten Anzahl von
m2 Landes, kann im Grundbuch eingetragen werden, was für die Gültigkeit des
Geschäftes notwendig ist.
Danach kann als Kaufobjekt im vorliegenden Falle nur die Liegenschaft Parzelle
1598 3 in Frage kommen. Hieran vermag nichts zu ändern, dass die
Kaufsverhandlungen sich, wie dies bei Bauland wohl allgemein üblich ist,
ausschliesslich um den Preis pro m2 drehten und von einem Gesamtkaufpreis nie
die Rede war. Selbst wenn die Parteien durch dieses Vorgehen hätten zum
Ausdruck bringen wollen, dass ihre Absicht auf den Abschluss eines Kaufes über
eine bestimmte Anzahl von m2 zu einem bestimmten Preis pro Einheit gerichtet
sei, so hätte diese Absicht wegen der Ausgestaltung, die der Grundstückkauf im
schweizerischen Recht gefunden hat, nicht in die Tat umgesetzt werden können.
Sollen von einem Grundstück eine bestimmte Anzahl von m2 verkauft werden, so
bedarf es hiezu vorerst der Parzellierung, d. h. der Schaffung eines neuen,
rechtlich selbständigen Grundstücks des von den Parteien gewollten
Flächeninhalts, und erst dieses bildet dann den Gegenstand des Kaufgeschäftes.
Hier haben die Parteien aber offenbar gar nicht die Absicht gehabt, eine
bestimmte Anzahl von m2 zu verkaufen, bezw. zu kaufen. Was die Beklagte
verkaufen wollte, war die Liegenschaft Parzelle 1598 3 , und den allfälligen
Ankauf dieser Liegenschaft hatten die Kläger ins Auge

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gefasst. Der Flächeninhalt derselben spielte nur insofern eine Rolle, als
beide Parteien auf Grund der Eintragung im Grundbuch von der Annahme
ausgingen, die Liegenschaft halte 2590 m2 . Wenn auch bei den Verhandlungen
lediglich vom Preis pro m2 die Rede war, so liegt es auf der Hand, dass jede
Partei bei jedem Angebot, das gemacht wurde, sofort mindestens den
approximativen Gesamtpreis errechnete, der sich für 2590 m2 ergeben würde, und
hievon die Ablehnung oder Annahme des Angebotes abhängig machte. Denn für die
Verkäuferin war selbstverständlich entscheidend, ob durch den Gesamtkaufpreis
die hypothekarische Belastung gedeckt und darüber hinaus noch ein von ihr als
ausreichend betrachteter Gewinn erzielt werde, während für die Käufer aller
Lebenserfahrung nach massgebend sein musste, ob der Gesamtkaufpreis noch eine
gewinnbringende Verwertung der Liegenschaft als möglich erscheinen lasse und
ob sie in der Lage seien, die neben der Übernahme der Grundpfandschulden zur
Begleichung des Kaufpreises erforderlichen Mittel aufzubringen.
2. ­ Die eingangs erwähnte Regelung, dass nicht eine bestimmte Anzahl von m2,
sondern nur ein Grundstück in seiner Individualität, Gegenstand des
Liegenschaftskaufes sein kann, ist auch der tiefere Grund dafür, dass das
Gesetz in Art. 219 den Flächeninhalt als Eigenschaft des Kaufgegenstandes
behandelt und ihn den Gewährleistungsbestimmungen unterstellt, obwohl an sich
Quantitätsfehler nicht Sachmängel im Sinne von Art. 197 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern.
1    Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern.
2    Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat.
. OR sind (vgl.
OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 1 zu Art. 219
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 219 - 1 Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
1    Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
2    Besitzt ein Grundstück nicht das im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung angegebene Mass, so hat der Verkäufer dem Käufer nur dann Ersatz zu leisten, wenn er die Gewährleistung hiefür ausdrücklich übernommen hat.
3    Die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet.
OR; BECKER, Anm. 1 am Ende zu Art. 197
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern.
1    Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern.
2    Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat.

OR), da in der Lieferung eines geringeren als des vereinbarten Quantums nicht
die Lieferung einer mangelhaften Sache, sondern eine teilweise Nichterfüllung
liegt, bei der der Käufer Nachlieferung der fehlenden Stücke bezw. Mengen
verlangen kann.
Wenn die Kläger daher die Rückerstattung eines Teils des von ihnen bezahlten
Kaufpreises verlangen, weil der Flächeninhalt des gekauften Grundstückes
geringer sei

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als vereinbart, so behaupten sie damit das Fehlen einer bestimmten Eigenschaft
des Kaufgegenstandes, machen also mit andern Worten einen Anspruch aus
Gewährleistung, nämlich einen Preisminderungsanspruch, geltend. Entgegen der
Meinung der Kläger beurteilt sich der Streitfall somit nach den in Art. 219
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 219 - 1 Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
1    Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
2    Besitzt ein Grundstück nicht das im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung angegebene Mass, so hat der Verkäufer dem Käufer nur dann Ersatz zu leisten, wenn er die Gewährleistung hiefür ausdrücklich übernommen hat.
3    Die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet.
OR
aufgestellten Grundsätzen.
3. ­ Art. 219 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 219 - 1 Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
1    Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
2    Besitzt ein Grundstück nicht das im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung angegebene Mass, so hat der Verkäufer dem Käufer nur dann Ersatz zu leisten, wenn er die Gewährleistung hiefür ausdrücklich übernommen hat.
3    Die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet.
OR, der mangels gegenteiliger Abrede die Haftung des
Verkäufers schon eintreten lässt, sobald im Kaufvertrag ein bestimmtes Mass
genannt ist, gelangt nur dort zur Anwendung, wo noch kein Grundbuch besteht
und scheidet daher für den vorliegenden Fall zum vorneherein aus.
Wo ein auf amtlicher Vermessung beruhendes Grundbuch besteht, hat gemäss Art.
219 Abs. 2 der Verkäufer für Mindermass nur Ersatz zu leisten, wenn er die
Gewähr hiefür ausdrücklich übernommen hat. Fehlt eine ausdrückliche Übernahme
der Gewährleistung, so haftet der Verkäufer also nicht, selbstverständlich
unter der Voraussetzung, dass er die Unrichtigkeit des Grundbuches ebenfalls
nicht gekannt hat.
Von einer ausdrücklichen Übernahme der Gewährleistung kann hier aber nicht die
Rede sein, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob man für die Gültigkeit einer
derartigen Zusicherung die öffentliche Beurkundung verlangen will, weil diese
Frage auf die Bestimmung des Kaufpreises in der Regel doch einen gewissen
Einfluss ausüben wird (so BÜRGI, Der Grundstückkauf, S. 62 in Verbindung mit
S. 11), oder ob man von diesem Formerfordernis absehen will (so
OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 5 zu Art. 219; ROSSEL, Manuel p. 300). Denn selbst im
letzteren Falle, ja sogar bei Anerkennung der Gültigkeit einer völlig
formlosen Zusicherung, könnte eine solche weder in der Aufstellung der
Plakattafel mit der Massangabe, noch in der Aufnahme der letzteren in den
Kaufvertrag erblickt werden. Die Massangabe auf der Tafel stellte lediglich
eine als Orientierung allfälliger Kaufsinteressenten gedachte

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Wiedergabe der im Grundbuch enthaltenen Masse dar, und die Erwähnung des
Masses im Kaufvertrag wurde nicht durch die Beklagte veranlasst, sondern
erfolgte, weil nach den Ausführungen der Vorinstanz ein Vertrag ohne diese
Angabe vom Grundbuchamt gar nicht entgegengenommen worden wäre. Weder der eine
noch der andere dieser beiden Umstände gestattet daher den Schluss auf einen
Willen der Beklagten, eine Zusicherung auf Gewährleistung nach Art. 219 Abs. 2
abzugeben.
4. ­ Fehlt es aber an einer ausdrücklichen Übernahme der Gewährleistung
seitens der Beklagten, so kann von ihr die Rückerstattung einer dem Mindermass
entsprechenden Kaufpreisquote nicht verlangt werden. Ebenso versteht sich von
selbst, dass sie auch nicht ungerechtfertigt bereichert ist und aus diesem
Grunde zur Rückerstattung verpflichtet wäre; denn da sie für die in Frage
stehende fehlende Eigenschaft der Kaufsache nicht haftet, so hat sie den
vollen Kaufpreis zu Recht erhalten.
Die Vorinstanz empfindet dieses Resultat als stossend und bezeichnet die
Berufung der Beklagten auf Art. 219 Abs. 2 als unvereinbar mit dem Grundsatz
von Treu und Glauben. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb es stossender
sein soll, wenn gemäss der gesetzlichen Regelung der Käufer das Risiko für
eine allfällige Unrichtigkeit des Grundbuches trägt, als wenn es dem Verkäufer
überbunden wird, wie dies ursprünglich im Entwurf des Bundesrates vorgesehen
war (vgl. E. Art. 1263 und Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 26),
dann aber auf Antrag der nationalrätlichen Kommission im entgegengesetzten
Sinne geregelt wurde (vgl. StenBull 1906 S. 1326).
Die Notwendigkeit zur Annahme einer Gewährspflicht der Beklagten kann entgegen
der Meinung der Vorinstanz auch nicht damit begründet werden, dass die Kläger,
die von der Voraussetzung ausgingen, ein Grundstück von 2590 m2 zu erhalten,
den Vertrag in Kenntnis der wahren Sachlage nicht so abgeschlossen haben
würden, sondern sich nur zur Bezahlung eines niedrigeren, dem von ihnen
zuletzt angebotenen Betrag von 110 Fr. pro m2 entsprechenden

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Gesamtkaufpreises verstanden hätten. Denn mit ebenso grosser Berechtigung kann
die Beklagte dem entgegen halten, dass sie ihrerseits bei Kenntnis des
wirklichen Flächeninhaltes das Angebot von 110 Fr. pro m2 als ungenügend
abgelehnt hätte. Wenn die Kläger den auf Grund des wirklichen Flächeninhaltes
sich ergebenden Quadratmeterpreis als zu hoch betrachteten, so hätte ihnen
vielmehr als Rechtsbehelf die Berufung auf Irrtum zu Gebote gestanden. Nun
haben sie allerdings in der Klage unter anderem auch geltend gemacht, sie
hätten sich über die Grösse des Grundstückes geirrt, dagegen haben sie es
unterlassen, die rechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen, nämlich die
gegenseitige Rückgabe der Leistungen wegen einseitiger Unverbindlichkeit des
Vertrages zu verlangen und anzubieten, sondern sie haben gegenteils einen Teil
des Grundstücks weiterverkauft und damit zu erkennen gegeben, dass sie den
Vertrag trotz dem geringeren Flächeninhalt der Liegenschaft immer noch als
vorteilhaft genug betrachten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
In Gutheissung der Berufung wird das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Basel-Landschaft vom 3. Dezember 1935 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 62 II 159
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 30. Juni 1936
Quelle : Bundesgericht
Status : 62 II 159
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Grundstückkauf; Haftung für Mindermass, OR 219, beim Handel mit Bauland.


Gesetzesregister
OR: 197 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern.
1    Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern.
2    Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat.
219
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 219 - 1 Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
1    Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
2    Besitzt ein Grundstück nicht das im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung angegebene Mass, so hat der Verkäufer dem Käufer nur dann Ersatz zu leisten, wenn er die Gewährleistung hiefür ausdrücklich übernommen hat.
3    Die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet.
BGE Register
62-II-159
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • grundbuch • kaufpreis • mass • bauland • wille • vorinstanz • frage • weiler • zusicherung • bundesgericht • eigenschaft • kenntnis • basel-landschaft • kauf • sektion • irrtum • lieferung • treu und glauben • basel-stadt
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