S. 135 / Nr. 35 Sachenrecht (d)

BGE 62 II 135

35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Juni 1936 i. S. Gross
gegen Villars.

Regeste:
Wird eine Dienstbarkeit ungerechtfertigt im Grundbuch gelöscht, so kann der
Eigentümer nicht die Befreiung von derselben ersitzen (keine
Dienstbarkeitsversitzung in analoger Anwendung des Art. 661
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
ZGB).


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In Anlehnung an die Entscheidungsgründe des Urteils des kantonalen
Kassationsgerichtes vom 27. Mai 1935, die dann freilich auf Erläuterungsgesuch
des Klägers hin am 25. November 1935 widerrufen worden waren, hat die
Vorinstanz die streitige Dienstbarkeit in analoger Anwendung von Art. 661
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
ZGB
nach dem Grundsatz «in majore minus» als untergegangen, nämlich versessen
erklärt. Dem kann nicht zugestimmt werden. Dem Dienstbarkeitsrecht lässt sich
keine Vorschrift entnehmen, welche die Übertragung der Tabularersitzung, die
eine Eigentumserwerbsart ist, und deren Gegenstück im Verlust des Eigentums
eines Andern besteht, auf Dienstbarkeiten gestatten würde in dem Sinne, dass
auf diese Weise Dienstbarkeitsrechte verloren gehen und dementsprechend
dienstbarkeitsbelastetes Eigentum zu dienstbarkeitsfreiem Eigentum werden
könnte. Ebensowenig ist den Vorarbeiten für das ZGB irgendein Anhaltspunkt
dafür zu entnehmen, dass an etwas derartiges je gedacht worden sei. Auch kann
der Vorinstanz nicht zugegeben werden, die Verneinung der Möglichkeit
derartiger analoger Anwendung hätte zur Folge, dass, soweit nicht der Schutz
des gutgläubigen Dritterwerbers nach Art. 973
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 973 - 1 Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ist in diesem Erwerbe zu schützen.
1    Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ist in diesem Erwerbe zu schützen.
2    Diese Bestimmung gilt nicht für Grenzen von Grundstücken in den vom Kanton bezeichneten Gebieten mit Bodenverschiebungen.704
ZGB platzgreift, die
Berichtigung eines fehlerhaften Buchzustandes ohne jede zeitliche Beschränkung
verlangt und somit ein Grundstück noch nach vielen Jahren mit einer längst
vergessenen Last belegt werden könnte ­ was die Vorinstanz als für den
Liegenschaftsverkehr unerträglich und dem Zwecke des Grundbuches
zuwiderlaufend bezeichnen zu sollen glaubt. Abhilfe hiegegen wird sich auch im
Kanton Zürich nicht mehr als notwendig erweisen, sobald einmal das vom ZGB
vorgesehene Grundbuch mit seiner Grundbuchwirkung zugunsten des gutgläubigen
Dritten eingeführt sein wird, sodass dann insbesondere auch der Dritte, der im
Vertrauen auf das Nichtvorhandensein eines Eintrages einer
eintragungsbedürftigen Dienstbarkeit im Grundbuch Eigentum erworben hat, in
diesem Erwerbe dienstbarkeitsfreien Eigentums geschützt sein wird. Es besteht
kein zureichender

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Grund dafür, dass auch dann noch unter anderen als den angegebenen Umständen
je einmal einem Dienstbarkeitsberechtigten sein Dienstbarkeitsrecht sollte
verloren gehen können, einfach weil es ohne seine Löschungsbewilligung aus dem
Grundbuch verschwunden ist. Derjenige, dessen Liegenschaft einmal richtig mit
einer Dienstbarkeit belastet worden ist (oder sein nicht gutgläubiger
Rechtsnachfolger) kann keinen zureichenden Grund dagegen geltend machen, dass
diese Dienstbarkeit ohne jede zeitliche Beschränkung weiterbestehen und seine
Liegenschaft noch nach vielen Jahren mit einer längst vergessenen Last belegt
werden könne, eben weil sie in der Zwischenzeit jederzeit mit dieser Last
belegt geblieben ist. Im Grundbuchsystem des ZGB ist daher für eine
Tabularersitzung der Dienstbarkeitsfreiheit in analoger Anwendung von Art. 661
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.

ZGB kein Raum. Dann darf aber dieses Institut auch nicht in das ZGB
hineininterpretiert werden lediglich für die Zeit, bevor das eidgenössische
Grundbuch eingeführt ist, auch wenn sich dessen Fehlen für solange als Mangel
fühlbar machen sollte. Übrigens müsste die analoge Anwendung des Art. 661
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
ZGB
schon daran scheitern, dass die Versitzungszeit von bloss 10 Jahren allzu kurz
wäre; würde sie doch auch die im ruhigen Besitz stehenden Eigentümer
herrschender Grundstücke jeweilen vor Ablauf jedes Jahrzehnts während ihres
vielleicht jahrzehntelangen Grundeigentums bei Gefahr des Rechtsverlustes zur
Nachschau im Grundbuch danach zwingen, ob die zum Vorteil ihrer Grundstücke
bestehenden Dienstbarkeiten inzwischen nicht etwa aus Versehen oder Vergehen
von Grundbuchbeamten oder Dritten «gelöscht» worden seien.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 62 II 135
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 19. Juni 1936
Quelle : Bundesgericht
Status : 62 II 135
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Wird eine Dienstbarkeit ungerechtfertigt im Grundbuch gelöscht, so kann der Eigentümer nicht die...


Gesetzesregister
ZGB: 661 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
973
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 973 - 1 Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ist in diesem Erwerbe zu schützen.
1    Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ist in diesem Erwerbe zu schützen.
2    Diese Bestimmung gilt nicht für Grenzen von Grundstücken in den vom Kanton bezeichneten Gebieten mit Bodenverschiebungen.704
BGE Register
62-II-135
Stichwortregister
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grundbuch • dienstbarkeit • eigentum • vorinstanz • weiler • dauer • sachmangel • formmangel • grundeigentum • ersitzung • richtigkeit • vorteil • sachenrecht