S. 198 / Nr. 55 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 61 III 198

55. Entscheid vom 20. November 1935 i. S. Bank in Zug.


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Regeste:
Beim Nachlassvortrag mit Vermögensabtretung nehmen die Pfandgläubiger mit dem
Pfandausfall am Liquidationsergebnis teil.
Als Pfandausfall ist vorläufig der nach der Schätzung des Sachwalters
ungedeckte Forderungsbetrag zu betrachten, unter Vorbehalt der Berichtigung
gemäss dem wirklichen Pfandausfall.
Das Ergebnis einer durch den Liquidator mit Zustimmung der Pfandgläubiger und
der Kurrentgläubiger vorgenommenen freihändigen Veräusserung verpfändeter
Vermögensstücke ist dem Ergebnis einer auf Betreibung hin erfolgten
Zwangsverwertung gleichzuachten.
Art. 311
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 311 - Mit der Bestätigung des Nachlassvertrages fallen alle vor der Stundung gegen den Schuldner eingeleiteten Betreibungen mit Ausnahme derjenigen auf Pfandverwertung dahin; Artikel 199 Absatz 2 gilt sinngemäss.
SchKG. Art. 39 der bundesgerichtlichen Bankennachlassverordnung.
Dans le concordat par abandon d'actif, les créanciers gagistes ont part au
produit de la liquidation, en raison de l'insuffisance de leur gages.
Cette participation est déterminée provisoirement par le montant de la créance
qui est à découvert, suivant l'estimation du commissaire, et sous réserve de
rectification en raison de l'insuffisance effective.
On doit assimiler au produit de la réalisation forcée dans la poursuite le
produit d'un gage vendu de gré à gré par le liquidateur de la masse
concordataire, avec l'assentiment des créanciers gagistes et chirographaires.
Art. 311 LP, 39 de l'ordonnance du Tribunal fédéral concernant la procédure de
concordat pour les banques et les caisses d'épargne.
Nel concordato per abbandono dell'attivo, i creditori pignoratizi partecipano
al prodotto della realizzazione nella misura dell'insufficienza dei loro
pegni.
Questa participazione è determinata provvisoriamente dell'ammontare del
credito scoperto secondo la stima del commissario, sotto riserva di rettifica
giusta l'insufficienza effettiva.
Si assimilerà al ricavo della realizzazione forzata nell'esecuzione il
prodotto di un pegno venduto a trattative private dal liquidatore della massa
coll'assenso dei creditori pignoratizi e chirografari.
Art. 311 LE; 39 del regolamento del Tribunale federale concernente il
concordato delle banche e delle casse di risparmio.

A. - Die zur Vollziehung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung des Leon
Kaller bestellte Liquidationskommission verkaufte am 21. November 1934 die

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Liegenschaft des Schuldners, die der Sachwalter auf 500000 Fr. geschätzt
hatte, mit Zustimmung der Pfandgläubiger und der Kurrentgläubiger (die auf ein
die Annahme des Kursangebotes empfehlendes Rundschreiben nicht Einspruch
erhoben) aus freier Hand zum Preise von 480000 Fr., zahlbar mit der Übernahme
von Kapital, Zinsen und Marchzinsen bis zu diesem Betrage, Wert 1. März 1935
(Tag des Nutzen- und Schadensanfanges). Die den Kaufpreis übersteigenden
Pfandbelastungen wurden dann bei der Übertragung des Eigentums an der
Liegenschaft im Grundbuch, die erst am 28. Juni 1935 stattfand, mit
Einverständnis der Pfandgläubigerin, Bank in Zug, gelöscht.
B. - In dem von der Liquidationskommission am 23./25. Januar 1935 aufgelegten
Kollokationsplan mit zugehörigem Lastenverzeichnis wurde die Bank in Zug,
entsprechend ihrer Eingabe vom 28. November 1934, mit allen ihren
Pfandforderungen zugelassen, und diese Verfügungen blieben unangefochten. Erst
als die Liquidationskommission am 1. März 1935 eine provisorische
Verteilungsliste auflegte, wonach eine Abschlagsdividende von 15% zur
Verteilung gelangen sollte, und zwar an die Bank in Zug ein Betreffnis von
52419 Fr. 15 Rp. entsprechend ihrer ungedeckten Pfandansprache von
voraussichtlich 349461 Fr. 05 Rp. (genaue Ermittlung vorbehalten), führte ein
Kurrentgläubiger Beschwerde mit dem Antrag, diese Zuweisung an die Bank in Zug
aufzuheben.
Die kantonalen Beschwerdeinstanzen haben die Beschwerde gutgeheissen, die
obere mit Entscheid vom 25. September 1935. Diese Behörde ist der Ansicht,
Art. 85 der Konkursverordnung, wonach die Pfandgläubiger mit dem durch den
Erlös der Pfänder nicht gedeckten Betrag ihrer Forderungen am Erlös des freien
Massevermögens teilzunehmen haben, sei hier nicht anwendbar; diese Bestimmung
setze eine zwangsweise vorgenommene Verwertung der Pfänder voraus, wie sie im
Konkurs

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vorzunehmen sei, während hier die Zustimmung der Rekurrentin zur Veräusserung
der Pfandliegenschaft in ihrem Belieben gestanden habe.
Diesen Entscheid hat die Bank in Zug an das Bundesgericht weitergezogen mit
dem Antrag, die in der Verteilungsliste getroffene Verfügung über die
Berücksichtigung ihrer Ausfallforderung sei zu schützen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz verkennt das - ganz abgesehen von der hier nur als
Ausführungsvorschrift in Betracht fallenden Bestimmung von Art. 85
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
der
Konkursverordnung - in Art. 311
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 311 - Mit der Bestätigung des Nachlassvertrages fallen alle vor der Stundung gegen den Schuldner eingeleiteten Betreibungen mit Ausnahme derjenigen auf Pfandverwertung dahin; Artikel 199 Absatz 2 gilt sinngemäss.
SchKG verankerte Recht des Pfandgläubigers,
mit dem ungedeckten Teil seiner Pfandforderungen am Nachlassvertrag
teilzunehmen. Wenn sich danach ein Pfandgläubiger (beim Prozentvergleich) für
den ungedeckten Forderungsbetrag mit der Nachlassdividende begnügen muss, so
hat er anderseits in entsprechendem Umfange auch Anspruch auf Erfüllung des
Nachlassvertrages. Soweit die Pfandforderungen durch die Pfänder nicht
wirklich gedeckt sind, haben sie eben als Kurrentforderungen zu gelten.
Dementsprechend nehmen beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung die
Pfandgläubiger mit dem ungedeckten Teil ihrer Forderungen gleichfalls an der
Liquidation des abgetretenen Massevermögens teil. Hier, wo schon die Schätzung
des Sachwalters den die Summe von 500000 Fr. übersteigenden Betrag als
ungedeckt bezeichnete, war daher ohne weiteres die Teilnahme der Rekurrentin
am Liquidationsergebnis mit diesem Betrag in Rechnung zu stellen. Vorbehalten
blieb das wirkliche Ergebnis der Verwertung der Pfandliegenschaft, die trotz
dem Nachlassverfahren von der Rekurrentin für den ganzen Betrag ihrer
Pfandforderungen auf dem Betreibungswege in Anspruch genommen werden konnte
(BGE 1933 III 197 ff.). Blieb der Erlös des Pfandes unter dem Schätzungswert,
so war der wirkliche Pfandausfall

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als Kurrentforderung zu berücksichtigen (BGE 1914 III 271 ff.).
Dass das Pfandgrundstück nicht auf dem Betreibungswege zur Verwertung gelangt,
sondern mit Zustimmung der Rekurrentin von der Liquidationskommission
freihändig verwertet worden ist, rechtfertigt keine abweichende Behandlung.
Aus der Zustimmung zu einem solchen Vorgehen, wodurch eine rasche Verwertung
ermöglicht wurde, zu Bedingungen, die die Liquidationskommission unter den
gegebenen Verhältnissen als günstig erachtete, darf der Rekurrentin kein
Nachteil gegenüber einer Verwertung durch das Betreibungsamt, die sie ja hätte
erzwingen können, erwachsen. Ihre Zustimmung enthält selbstverständlich auch
keinen weitergehenden Verzicht als auf die vom Käufer nicht übernommenen
Pfandbelastungen des Grundstückes, wogegen die Forderung gegen den
Nachlasschuldner gleich wie bei einer Verwertung des Grundstückes auf
Betreibung hin bestehen blieb. Die von der Vorinstanz erwähnte Bestimmung des
Kaufvertrages, woraus auf eine Absicht, die Gläubigerrechte abzutreten,
geschlossen werden könnte, spielt gleichfalls keine Rolle; denn eine
tatsächlich vollzogene Abtretung wird von keiner Seite geltend gemacht, und
nachdem die Rekurrentin selbst die sämtlichen Forderungen eingegeben hat und
rechtskräftig im Kollokationsverfahren zugelassen worden ist, hat es dabei im
Verteilungsverfahren sein Bewenden.
Nach Art. 39 der bundesgerichtlichen Bankennachlassverordnung vom 11. April
1935 sind Pfandgläubiger bei Abschlagsverteilungen des Erlöses des
abgetretenen Vermögens nach Massgabe ihres wirklichen Pfandausfalles zu
berücksichtigen, wenn die Pfänder bei Auflegung der Verteilungsliste bereits
verwertet worden sind. Dieser Grundsatz, der den in Art. 311
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 311 - Mit der Bestätigung des Nachlassvertrages fallen alle vor der Stundung gegen den Schuldner eingeleiteten Betreibungen mit Ausnahme derjenigen auf Pfandverwertung dahin; Artikel 199 Absatz 2 gilt sinngemäss.
SchKG wurzelnden
Rechten der Pfandgläubiger Rechnung trägt, verdient bei der Liquidation
zufolge Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung allgemein angewendet zu
werden.

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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, dass die Bank in Zug für ihre den
Verkaufserlös von 480000 Fr. übersteigenden Pfandforderungen in der
Verteilungsliste zu berücksichtigen ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 III 198
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 20. November 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 III 198
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Beim Nachlassvortrag mit Vermögensabtretung nehmen die Pfandgläubiger mit dem Pfandausfall am...


Gesetzesregister
SchKG: 85 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
311
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 311 - Mit der Bestätigung des Nachlassvertrages fallen alle vor der Stundung gegen den Schuldner eingeleiteten Betreibungen mit Ausnahme derjenigen auf Pfandverwertung dahin; Artikel 199 Absatz 2 gilt sinngemäss.
BGE Register
61-III-198
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
pfandausfall • bundesgericht • nachlassvertrag mit vermögensabtretung • berechnung • vorinstanz • liquidator • bewilligung oder genehmigung • ertrag • abschlagsverteilung • entscheid • konkursdividende • kauf • lastenverzeichnis • kollokationsplan • grundbuch • kaufpreis • mass • stelle • schuldner • wert
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