S. 11 / Nr. 4 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 61 III 11

4. Entscheid vom 16. Februar 1935 i. S. Lenzin.

Regeste:
Die Retentionsurkunde für Mietzinse ist zu beschränken auf soviele
Gegenstände, als zur Deckung der Summe nötig ist. für welche deren Aufnahme
stattfindet,

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wofür die betreibungsamtliche Schätzung massgebend ist. Gegen weitergehende
Retention kann auch der davon betroffene Dritteigentümer Beschwerde führen.
L'inventaire dressé pour l'exercice du droit de rétention du bailleur -ne doit
pas comprendre plus de biens qu'il n'est nécessaire pour couvrir la créance en
garantie de laquelle l'inventaire a été ordonné, lesdits biens étant
d'ailleurs comptés à la valeur à laquelle l'office les a estimés. Si
l'inventaire comprend plus de biens qu'il n'est nécessaire, le tiers
propriétaire que cette décision peut atteindre a qualité pour porter plainte.
L'inventario allestito a garanzia del diritto di ritenzione deve limitarsi ai
beni necessari per coprire il credito escusso secondo la stima dell'ufficio.
Se l'inventario comprende dei beni al di là di quanto sia necessario, anche il
proprietario di essi può dolerseve per via di reclamo.

A. - Auf Verlangen von Witwe Barth nahm das Betreibungsamt Zürich 1 am 9.
August 1934 bei Stirnemann & Cie für 1125 Fr. fälligen Mietzins vom 1. April
bis 30. Juni 1934, 2250 Fr. laufenden Mietzins vom 1. Juli bis 31. Dezember
1934 und 150 Fr. Heizungskosten (insgesamt 3525 Fr.) eine Retentionsurkunde
auf, und zwar zunächst über 41 Gegenstände im Schätzungswerte von 4323 Fr.
und, als diese von der Rekurrentin zu Eigentum beansprucht wurden, über
sämtliche 163 retinierbaren Gegenstände im Schätzungswerte von 8516 Fr. 10
Cts. (die erstgenannten eingerechnet), von denen die Rekurrentin ausserdem die
Nummern 50, 52, 66, 87-89, 97-105, 107, 108, 111-113, 115, 117, 119-121,
134-155, 157-160 zu Eigentum beanspruchte.
B. - Mit der vorliegenden Beschwerde verlangt die Rekurrentin Anweisung an das
Betreibungsamt, die Nummern 1, 2, 4-6, 20-30, 35-41, 50, 52, 66, 121, 135-139,
141-143, 145, deren Schätzungswert 4097 Fr. beträgt, aus der Retention zu
entlassen (Schätzungswert der verbleibenden: 4419 Fr. 10 Cts.).
G. - Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 24. Januar 1935 die Beschwerde
mangels Legitimation abgewiesen.
D. - Diesen Entscheid hat die Rekurrentin an das Bundesgericht weitergezogen.

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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz hat sich an BGE 54 III S. 63 angelehnt. Indessen handelte es
sich damals darum, dass der Drittansprecher lange nach der Aufnahme der
Retentionsurkunde Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung der
Faustpfandverwertungsbetreibung führte, was nicht zugelassen wurde. Freilich
wurde dabei ausgeführt, dass dem Drittansprecher nur insofern ein
Beschwerderecht zustehe, als das Betreibungsamt seine rechtzeitig erhobene
Eigentumsansprache nicht entgegennehme oder das Widerspruchsverfahren nicht
oder in gesetzwidriger Weise durchführe. Doch kann hieran nicht festgehalten
werden, weil der auf die Aufnahme der Retentionsurkunde entsprechend
anwendbare Art. 97 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 97 - 1 Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen.
1    Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen.
2    Es wird nicht mehr gepfändet als nötig ist, um die pfändenden Gläubiger für ihre Forderungen samt Zinsen und Kosten zu befriedigen.
SchKG, wonach nicht mehr gepfändet wird, als nötig
ist, um die pfändenden Gläubiger für ihre Forderungen samt Zins und Kosten zu
befriedigen, auch dem Dritteigentümer Schutz dagegen gewähren will, dass nicht
unnötig viele von den ihm gehörenden Gegenständen seiner Verfügung entzogen
werden. Gemäss Art. 273
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen.
1    Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen.
2    Will der Mieter eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, so muss er das Begehren der Schlichtungsbehörde einreichen:
a  bei einem unbefristeten Mietverhältnis innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung;
b  bei einem befristeten Mietverhältnis spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer.
3    Das Begehren um eine zweite Erstreckung muss der Mieter der Schlichtungsbehörde spätestens 60 Tage vor Ablauf der ersten einreichen.
4    Das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde richtet sich nach der ZPO103.104
5    Weist die zuständige Behörde ein Begehren des Mieters betreffend Anfechtung der Kündigung ab, so prüft sie von Amtes wegen, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann.105
OR bleiben ja die Rechte Dritter dem Retentionsrecht
des Vermieters gegenüber nur in Ausnahmefällen vorbehalten, werden also
regelmässig auch die Dritten gehörenden Sachen dem Retentionsrecht des
Vermieters unterworfen, weshalb es sich rechtfertigt, das Interesse des
Dritteigentümers am Unterbleiben einer Überpfändung als rechtliches, zur
Beschwerde legitimierendes Interesse anzuerkennen, als ob er selbst ebenfalls
am Retentionsverfahren beteiligt werde. Dass die vom Rekurrenten
angesprochenen Gegenstände ihm wirklich gehören, hat aber die von den
Vorinstanzen angehörte Vermieterin nie in Zweifel gezogen, was jedoch wie
ausgeführt nur für die Beschwerdelegitimation des Drittansprechers von Belang
ist, dagegen die angesprochenen Gegenstände keineswegs ohne weiteres dem
Retentionsbeschlag entzieht.
Für die Frage nach einer unzulässigen Überpfändung

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kann nach dem Zusammenhang des Abs. 2 mit dem unmittelbar vorausgehenden Abs.
1 des Art. 97
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 97 - 1 Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen.
1    Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen.
2    Es wird nicht mehr gepfändet als nötig ist, um die pfändenden Gläubiger für ihre Forderungen samt Zinsen und Kosten zu befriedigen.
SchKG schlechterdings nichts anderes als die betreibungsamtliche
Schätzung massgebend sein, die dementsprechend vorsichtig zu bemessen und
übrigens im vorliegenden Falle von der Vermieterin nicht angefochten worden
ist. Auf weitergehende Forderungen der Vermieterin für später aufgelaufene
Mietzinsen kommt für den Umfang des Retentionsbeschlages infolge Aufnahme der
Retentionsurkunde solange nichts an, als dafür nicht ebenfalls eine
Retentionsurkunde aufgenommen worden ist. Abwegig ist der Hinweis des
Betreibungsamtes auf den Fortbestand des Pfändungspfandrechtes trotz
Abschlagszahlungen, weil im vorliegenden Falle von vorneherein nur Gegenstände
im Schätzungswert von gut 4300 Fr. hätten retiniert werden dürfen bezw. die
bereits retinierten hätten entlassen werden sollen, als zur Ergänzung der
Retentionsurkunde geschritten werden musste (mindestens im Umfange des
Schätzungswertes der nachträglich retinierten Gegenstände). Immerhin kann es
nicht dem Drittansprecher anheimgegeben werden, diejenigen Sachen zu
bestimmen, die aus dem Retentionsbeschlag zu entlassen sind, sondern muss es
dem Betreibungsamt überlassen bleiben, hierüber nach den in Art. 95
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 95 - 1 In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.207
1    In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.207
2    Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht.208
3    In letzter Linie werden Vermögensstücke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden.
4    Wenn Futtervorräte gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden.
4bis    Der Beamte kann von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen oder wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen.209
5    Im übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen.
SchKG
aufgestellten Grundsätzen zu befinden. Doch steht die Verfügung des
Betreibungsamtes wie gesagt natürlich nicht entgegen, dass die aus der
vorliegenden Retentionsurkunde zu entlassenden Gegenstände in eine weitere
Retentionsurkunde aufgenommen werden, sofern die Vermieterin die Aufnahme
einer solchen verlangt.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird teilweise dahin begründet erklärt, dass das Betreibungsamt
angewiesen wird, Retentionsgegenstände im Schätzungswerte von 4097 Fr. aus dem
Retentionsbeschlag zu entlassen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 III 11
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 16. Februar 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 III 11
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Die Retentionsurkunde für Mietzinse ist zu beschränken auf soviele Gegenstände, als zur Deckung der...


Gesetzesregister
OR: 273
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen.
1    Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen.
2    Will der Mieter eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, so muss er das Begehren der Schlichtungsbehörde einreichen:
a  bei einem unbefristeten Mietverhältnis innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung;
b  bei einem befristeten Mietverhältnis spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer.
3    Das Begehren um eine zweite Erstreckung muss der Mieter der Schlichtungsbehörde spätestens 60 Tage vor Ablauf der ersten einreichen.
4    Das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde richtet sich nach der ZPO103.104
5    Weist die zuständige Behörde ein Begehren des Mieters betreffend Anfechtung der Kündigung ab, so prüft sie von Amtes wegen, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann.105
SchKG: 95 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 95 - 1 In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.207
1    In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.207
2    Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht.208
3    In letzter Linie werden Vermögensstücke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden.
4    Wenn Futtervorräte gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden.
4bis    Der Beamte kann von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen oder wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen.209
5    Im übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen.
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 97 - 1 Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen.
1    Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen.
2    Es wird nicht mehr gepfändet als nötig ist, um die pfändenden Gläubiger für ihre Forderungen samt Zinsen und Kosten zu befriedigen.
BGE Register
54-III-63 • 61-III-11
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
betreibungsamt • retentionsrecht • biene • vorinstanz • weiler • eigentum • beschwerdelegitimation • entscheid • bundesgericht • wille • zins • deckung • legitimation • schuldbetreibungs- und konkursrecht • angewiesener • zweifel • frage • witwe