S. 266 / Nr. 60 Prozessrecht (d)

BGE 61 II 266

60. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. September 1935 i. S.
Gebr. Tüscher & Cie gegen Arquint.

Regeste:
Unter «Tatsachen» versteht Art. 192 Ziff. 1 lit. c BZP nur den zur Beurteilung
verstellten Tatbestand, also nicht auch Umstände, welche die Beweiskraft von
Beweismitteln betreffen (in casu einer Expertise).

A. - Durch Urteil vom 20. Februar 1935 (teilweise publiziert in BGE 61 II 138
ff.) hat das Bundesgericht die von Gebr. Tüscher & Cie gegen Hans Arquint
eingereichte Klage auf Nichtigerklärung des Patentes Nr. 125848 in

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Aufhebung des Urteiles des bernischen Handelsgerichtes abgewiesen. Das
Bundesgericht hat dabei auf die vom Handelsgericht bei Prof. Wiesinger in
Zürich eingeholte Expertise abgestellt.
B. - Durch Eingabe vom 27. Juni 1935 hat die Klägerin um Revision des ihr am
29. Mai zugestellten bundesgerichtlichen Urteils ersucht.
Aus den Erwägungen:
1.- Die Revisionsklägerin sucht in weitläufiger Darlegung und unter
Zuhilfenahme neuer Aktenstücke zu beweisen, der Experte Professor Wiesinger
sei nicht, wie das Bundesgericht angenommen habe, eine anerkannte Autorität
für die Beurteilung der streitigen technischen Fragen, einerseits auf dem
Gebiet des Wagenkastenbaus, anderseits auf dem Gebiet der Materiallehre.
Beides sei eine irrtümliche Annahme.
Es handelt sich also bei diesem Revisionsgrund um die Eignung des
gerichtlichen Experten. Darnach frägt sich, ob die in der Revisionsschrift
behauptete Nichtqualifikation des Experten als «in den Akten liegende
Tatsache» im Sinne des Art. 192 Ziff. 1 lit. c BZP angesprochen werden könne.
Das ist zu verneinen; denn diese Bestimmung bezieht sich auf den Tatbestand,
der zur Beurteilung verstellt wurde. Die ordnungsgemässe Rücksichtnahme auf
den Prozesstoff ist es, die das Gesetz damit gewährleisten will (neben der
ordnungsgemässen Rücksichtnahme auf die Rechtsbegehren nach lit. d und au
besondere Prozessvorschriften nach lit. a und b von Art. 192 Ziff. 1). Zum
Tatbestand der causa gehört aber ohne Zweifel nicht die mehr oder minder
vollkommene Fachkenntnis des Richters und infolgedessen auch nicht die
Qualität («Autorität» etc.) des Experten, als einer Hilfsperson, deren sich
der Richter zur Ergänzung seines eigenen Rüstzeuges bedient.
Somit kann die Frage, welche Autorität das Bundesgericht dem Experten Prof.
Wiesinger beigemessen hat,

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sei es für sich allein oder im Verhältnis zu den Mitgliedern des
Handelsgerichts und zu der von der Klägerin angerufenen Literatur,
grundsätzlich überhaupt nicht herangezogen werden zur Geltendmachung eines
Revisionsgrundes nach Art. 192 Ziff. 1 lit. c. Schon aus dieser Erwägung
heraus ist daher auf das ganze die Begutachtung durch Prof. Wiesinger
beschlagende Kapitel der Revisionsschrift, ebenso auf die angerufene Literatur
und das neu produzierte Gegengutachten von Dr. Wyss gar nicht einzutreten. Die
Bereinigung von Anständen betreffend Ernennung und Absetzung von Experten,
betreffend Ergänzung, Erläuterung, Berichtigung ihrer Gutachten, betreffend
Anordnung von Oberexpertisen etc. gehört in das Verfahren vor der
Urteilsfällung.
Nur der Vollständigkeit halber mag noch hervorgehoben werden, dass dem
Bundesgericht ein Versehen bei Handhabung des Gutachtens in Wirklichkeit
keineswegs hat nachgewiesen werden können, abgesehen davon, dass die
Revisionsklägerin diesen Nachweis im wesentlichen mit neuen Aktenstücken
(Vorlesungsverzeichnisse der ETH etc.) zu führen sucht, die als Grundlage für
eine Revision nach Art. 192 Ziff. 1 lit. c zum vorneherein nicht in Betracht
kommen. Prof. Wiesinger ist ja als Experte vom Handelsgericht ernannt worden,
das ihn demnach ebenfalls als befähigt erachtete, die streitigen technischen
Fragen als Fachmann zu beantworten. Wenn es seiner Expertise trotzdem nicht
gefolgt ist, so hat das seinen Grund nicht darin, dass es ihm nachträglich
nicht mehr die nötige Autorität beigemessen hätte, sondern darin, dass in den
konkreten Fragen von «fachmännischen» Handelsrichtern eine von der seinigen
abweichende Auffassung vertreten wurde. Und auch die Revisionsklägerin
behauptet ja nicht etwa, seinerzeit gegen seine Ernennung zum Experten
Einspruch erhoben zu haben. Dass aber die Expertise zu ihren Ungunsten
ausgefallen ist, bildet natürlich keinen Revisionsgrund.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 61 II 266
Date : 01. Januar 1935
Published : 24. September 1935
Source : Bundesgericht
Status : 61 II 266
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Unter «Tatsachen» versteht Art. 192 Ziff. 1 lit. c BZP nur den zur Beurteilung verstellten...


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