S. 145 / Nr. 34 Familienrecht (d)

BGE 61 II 145

34. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Juli 1935 i. S. Para gegen Realini.


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Regeste:
ZGB Art. 311: Der Beistand ist auch zu ernennen und zur Vertretung des Kindes
befugt, wenn dieses von einer in der Schweiz wohnenden Mutter im Ausland
(einem Vertragsstaat des Haager Abkommens zur Regelung der Vormundschaft über
Minderjährige) geboren wird und dort bleibt (Erw. 1).
ZGB Art. 314, Abs. 2: Blutprobe, wenn das Kind im Ausland lebt? (Erw. 3).

Der Ende 1932 geborene Kläger ist aussereheliches Kind einer Italienerin, die
seit Mitte 1931 in Zürich Dienstbote und nur vorübergehend für die Geburt des
Klägers wieder nach Italien zurückgekehrt ist, wo sie den als ihr Kind
anerkannten Kläger bei ihrer Familie zurückgelassen hat.
Beklagter ist der erste Dienstherr der Mutter des Klägers, ein in Zürich
wohnender Italiener.
Die vorliegende Vaterschaftsklage wird mit Vollmacht sowohl des von der
Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich bestellten Beistandes als auch der
Mutter des Klägers geführt.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 15. Februar 1935 die Klage
zugesprochen.
Mit der vorliegenden Berufung verlangt der Beklagte Abweisung der Klage,
eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, weiter eventuell
Herabsetzung der Unterhaltsrente von 35 auf 25 Fr.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Dem Beklagten kann nicht zugegeben werden dass die vorliegende Klage ohne
Vertretungsmacht erhoben

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worden sei. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger noch nie in Zürich
anwesend war, ist Zürich als Wohnort der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes
auch als dessen (damaliger) Wohnort anzusehen und daraus die Zuständigkeit der
Zürcher Vormundschaftsbehörde zu der von Art. 311
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 311 - 1 Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge:419
1    Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge:419
1  wenn die Eltern wegen Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Abwesenheit, Gewalttätigkeit oder ähnlichen Gründen ausserstande sind, die elterliche Sorge pflichtgemäss auszuüben;
2  wenn die Eltern sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert oder ihre Pflichten gegenüber dem Kinde gröblich verletzt haben.
2    Wird beiden Eltern die Sorge entzogen, so erhalten die Kinder einen Vormund.
3    Die Entziehung ist, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil angeordnet wird, gegenüber allen, auch den später geborenen Kindern wirksam.
ZGB vorgesehenen Bestellung
eines Beistandes für das Kind herzuleiten (BGE 56 II 7). Nichts anderes gilt
kraft des Haager Abkommens zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige,
trotzdem es für die Vormundschaft über einen Minderjährigen das Gesetz des
Heimatstaates massgebend erklärt. Denn einerseits ist dem Abkommen nichts
dafür zu entnehmen, dass es nicht nur auf die eigentliche Vormundschaft,
sondern auch auf weniger umfassende und zeitlich beschränkte
vormundschaftliche Massnahmen nach Art der Beistandschaft gemäss Art. 311
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 311 - 1 Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge:419
1    Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge:419
1  wenn die Eltern wegen Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Abwesenheit, Gewalttätigkeit oder ähnlichen Gründen ausserstande sind, die elterliche Sorge pflichtgemäss auszuüben;
2  wenn die Eltern sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert oder ihre Pflichten gegenüber dem Kinde gröblich verletzt haben.
2    Wird beiden Eltern die Sorge entzogen, so erhalten die Kinder einen Vormund.
3    Die Entziehung ist, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil angeordnet wird, gegenüber allen, auch den später geborenen Kindern wirksam.
ZGB
anwendbar sei; anderseits können gemäss Art. 7 des Abkommens bis zur Anordnung
der Vormundschaft sowie in allen dringenden Fällen die zuständigen
Ortsbehörden die Massregeln treffen, die zum Schutze der Person und der
Interessen eines minderjährigen Ausländers erforderlich sind. Es ist als
dringender Fall anzusehen, dass ein aussereheliches Kind alsbald nach der
Geburt einen zur Erhebung der Vaterschaftsklage berechtigten Beistand gemäss
Art. 311
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 311 - 1 Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge:419
1    Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge:419
1  wenn die Eltern wegen Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Abwesenheit, Gewalttätigkeit oder ähnlichen Gründen ausserstande sind, die elterliche Sorge pflichtgemäss auszuüben;
2  wenn die Eltern sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert oder ihre Pflichten gegenüber dem Kinde gröblich verletzt haben.
2    Wird beiden Eltern die Sorge entzogen, so erhalten die Kinder einen Vormund.
3    Die Entziehung ist, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil angeordnet wird, gegenüber allen, auch den später geborenen Kindern wirksam.
ZGB erhalte, weil die Klage verhältnismässig kurz befristet ist und
zur Sicherung des Unterhaltes des Kindes überhaupt nicht verzögert werden
soll. Für ein von der Mutter anerkanntes italienisches Kind könnte die
Dringlichkeit vielleicht verneint werden mit Rücksicht darauf, dass die Mutter
als Inhaberin der elterlichen Gewalt über das Kind es im Vaterschaftsprozess
zu vertreten befugt ist. Alsdann wäre aber die im Laufe des Prozesses von der
Mutter ausgestellte Vollmacht ausreichend.
2.- Die Vorinstanz hat als genügenden Nachweis der Beiwohnung das Zeugnis des
Beistandes des Kindes über das (aussergerichtliche) Geständnis des Beklagten
angesehen und hätte dies natürlich nicht getan, wenn sich

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aus den Akten eindeutig das Gegenteil ergäbe, nämlich dass kein solches
Geständnis stattgefunden hat, worauf allein eine bezügliche
Aktenwidrigkeitsrüge gestützt werden könnte.
3.- Tatsachen, die erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten
rechtfertigen, hat die Vorinstanz mit der Feststellung verneint, die Mutter
habe erst nach Ablauf der kritischen Zeit und in schwangerem Zustande zum
erstenmal Geschlechtsverkehr mit Codurri gehabt, mit dem sie schon seit
Monaten gegangen war. Diese Feststellung ist für das Bundesgericht
verbindlich, und ihr gegenüber kommt keinerlei selbständige Bedeutung mehr dem
Umstande zu, dass die Mutter selbst das Kind zunächst dem Codurri anzuhängen
versuchte, was sich aus ihrem Wunsch nach Ehe und Legitimation genügend
erklärt und daher keinen zwingenden Schluss auf die Möglichkeit der Zeugung
durch Codurri zulässt.
Gemäss Präjudiz vom 14. Juni 1935 i. S. Walter c. Bigler müssen sich Mutter
und Kind auf Verlangen des Beklagten regelmässig der Blutprobe unterziehen.
Allein am italienischen Aufenthaltsort des Kindes kann die Blutprobe nicht mit
genügender Zuverlässigkeit vorgenommen werden, weil nach der dortigen
Rechtsordnung nichts auf sie ankommt und sie daher in der Gerichtsmedizin
nicht eingebürgert ist. Die Vorinstanz verneint denn auch die Zuverlässigkeit
einer dort vorzunehmenden Blutentnahme, gegen welche antizipierte
Beweiswürdigung von Bundesrechts wegen nichts einzuwenden ist. Dass der Kläger
absichtlich zum Nachteil des Beklagten der Vornahme einer Blutprobe entzogen
worden wäre, kommt nach den Umständen des Falles nicht in Frage.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Zürich vom 15. Februar 1935 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 II 145
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 04. Juli 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 II 145
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : ZGB Art. 311: Der Beistand ist auch zu ernennen und zur Vertretung des Kindes befugt, wenn dieses...


Gesetzesregister
ZGB: 311
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 311 - 1 Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge:419
1    Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die Kindesschutzbehörde die elterliche Sorge:419
1  wenn die Eltern wegen Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Abwesenheit, Gewalttätigkeit oder ähnlichen Gründen ausserstande sind, die elterliche Sorge pflichtgemäss auszuüben;
2  wenn die Eltern sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert oder ihre Pflichten gegenüber dem Kinde gröblich verletzt haben.
2    Wird beiden Eltern die Sorge entzogen, so erhalten die Kinder einen Vormund.
3    Die Entziehung ist, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil angeordnet wird, gegenüber allen, auch den später geborenen Kindern wirksam.
BGE Register
56-II-1 • 61-II-145
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
mutter • beklagter • blutprobe • vorinstanz • bundesgericht • italienisch • vaterschaftsklage • weiler • aussereheliches kind • haager abkommen • geschlechtsverkehr • bedürftigkeitsrente • aufenthaltsort • frage • heimatstaat • zeugung • antizipierte beweiswürdigung • familie • besteller • treffen
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