S. 52 / Nr. 7 Fabrik- und Gewerbewesen (d)

BGE 61 I 52

7. Urteil vom 21. Februar 1935 i. S. Küng & Cie gegen Bundesamt für Industrie,
Gewerbe und Arbeit.


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Regeste:
Unterstellung unter das Fabrikgesetz. Ein Betrieb, der in gemeinsamen Räumen
eine Sägerei, ein Hobelwerk und eine Schreinerei umfasst, darf als technische
Einheit, industrielle Anstalt (Fabrik) im Sinne des Gesetzes, behandelt
werden, sofern die Voraussetzungen für die Unterstellung im Hinblick auf den
Gesamtbetrieb erfüllt sind. Unerheblich ist, ob der Betrieb nach seiner
zivilrechtlichen Organisation von einer einzigen Unternehmung oder von
mehreren Unternehmungen (Firmen) geführt wird.

A. - Die Firma Jos. Küng & Co. betreibt in Willisau eine Sägerei und ein
Hobelwerk mit durchschnittlich 5 Arbeitern. Nach Auskünften, die dem
eidgenössischen Fabrikinspektor im Jahre 1933 erteilt wurden, sind an der
Firma beteiligt Josef Küng, Vater, und 2 Söhne. Ein weiterer Sohn, der damals
noch nicht volljährig war, arbeitete im Betrieb als Volontär mit. Im gleichen
Hause zum Teil in den nämlichen Räumen befindet sich eine Schreinerei mit
durchschnittlich 3 Arbeitern. Diese war bis 1930 von der Firma Jos. Küng & Co.
(Sägerei und Hobelwerk, mech. Schreinerei) geführt worden. Seither wird sie
auf den Namen eines Sohnes betrieben, 1930-1933 von Hans Küng, von da an von
Jost Küng, der eben volljährig geworden war. Dieser liess sich 1934 als
Inhaber der Schreinerei im Handelsregister eintragen. In beiden Betrieben
werden Maschinen mit Motorantrieb verwendet. Sie sind auf 3 Räume verteilt,
von denen 2 im Parterre und einer im I. Stock des nämlichen Gebäudes liegen.
In einem der Parterreräume sind 3 Sägereimaschinen, im andern neben
Hobelmaschinen auch solche der Schreinerei (im ganzen 8 Maschinen)
aufgestellt; im ersten Stock befinden

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sich in einem Raum, der speziell als Schreinerei bezeichnet wird, 2 Maschinen
und 2 Hobelbänke. Die übrigen Räume dieses Stockes dienen als gemeinsames
Lager für die Holzvorräte und die fertigen Waren. - Der Zugang zur Schreinerei
führt durch den Sägereiraum.
Das Verhältnis zwischen dem Sägerei- und Hobelbetrieb und der Schreinerei ist
geregelt durch einen Pachtvertrag, nach welchem dem Pächter das Werkstattlokal
mit den näher bezeichneten Schreinereimaschinen zur Benützung überlassen
werden (§ 1 a) gegen einen Pachtzins von 200 Fr. (§ 5). «Der Pächter ist
verpflichtet, sämtliche Schreinerartikel für die Verpächterin nach deren
Verlangen und Vorschrift zu dem jeweils (zu) vereinbarenden Preise zu besorgen
und abzugeben» wobei für die Ausführung die Angaben und Wünsche der
Verpächterin massgebend sind. Das Holz ist von dieser zu beziehen (§ 3).
Die Trennung der beiden Betriebe ist vorgenommen worden, um eine Ermässigung
des Prämienansatzes für die obligatorische Unfallversicherung der Arbeiter zu
erreichen.
B. - Durch Verfügung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit vom 9.
Juni 1934 wurde der Betrieb Jos. Küng & Cie., Sägerei, Hobelwerk und
Schreinerei, dem Fabrikgesetz unterstellt, wobei in die Unterstellung auch der
formell auf den Namen Jost Küng geführte Betriebsteil einbezogen wurde. Die
Verfügung wurde begründet unter Hinweis auf die Gesamtzahl der Arbeiter, nach
den Erhebungen des Fabrikinspektorates 8, und auf die Verwendung motorischer
Kraft. Es rechtfertige sich, die Belegschaft der beiden Betriebe
zusammenzuzählen und die Unterstellung im Hinblick auf die Verhältnisse des
Gesamtbetriebes anzuordnen. Hiebei stehe die Firma Jos. Küng & Cie. im
Vordergrund, weshalb sie als verantwortliches Unternehmen in das
Fabrikverzeichnis aufgenommen werde.
C. - Gegen diese Verfügung ist innert nützlicher Frist die Beschwerde an das
Bundesgericht erhoben worden mit

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dem Antrag auf Aufhebung der Unterstellung unter das Fabrikgesetz, unter
Kostenfolge.
Die Firma Jos. Küng & Cie. habe in den Jahren 1933 und 1934 nie mehr als 5
Arbeiter beschäftigt, von denen nur 3 im motorisierten Sägerei- und
Hobelbetrieb, die beiden andern ausschliesslich auf dem Holzplatz beschäftigt
werden. Personen unter 18 Jahren würden nicht angestellt. Unrichtig und
künstlich sei es, den Sägerei- und Hobelbetrieb mit der Schreinerei
zusammenzufassen, die einen selbständigen Betrieb darstelle sowohl nach der
Art der darin verrichteten Arbeit als auch nach der Geschäftsführung, die
durchaus auf eigene Rechnung vor sich gehe.
D. - Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit beantragt Abweisung der
Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Das Fabrikgesetz vom 18. Juni 1914 (die Beschwerde beruft sich irrtümlich
auf das alte, aufgehobene Fabrikgesetz von 1877 und die dazu erlassenen
Ausführungsvorschriften) ist anwendbar auf «industrielle Anstalten» (Art. 1
Abs. 1). Es verweist damit auf die technische Einheit des Betriebes und nicht
auf die zivilrechtliche, nach der Person des Inhabers bestimmte Einheit der
Unternehmung. Die Fabrik als industrielle Anstalt kann mit einer Unternehmung
identisch sein, braucht es aber nicht, wenn beispielsweise nur einem Teil
einer Unternehmung die Eigenschaft einer Fabrik zukommt (vgl. Art. 7, Abs. 1
VFG), wenn eine Unternehmung mehrere Fabriken betreibt (vgl. Art. 6 VFG) oder
auch wenn ein Betrieb in die Rechtsformen mehrerer Unternehmungen aufgeteilt
wird in einer Weise, die seine Eigenschaft als industrielle Einheit nicht
berührt. Dies verkennt die Beschwerdeführerin von vornherein, wenn sie sich in
der Hauptsache auf die zivilrechtliche Organisation des Betriebes beruft, auf
den sich die angefochtene Verfügung bezieht.
2.- Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass man es bei den unter den
Firmenbezeichnungen Jos. Küng & Co. und Jost Küng geführten Unternehmungen
technisch,

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jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Fabrikgesetzgebung, nur mit einem
einzigen Betrieb zu tun hat: Die Maschinen der angeblich selbständigen
Betriebe stehen zum grossen Teil im nämlichen Raum. Es bestehen gemeinsame
Lagerräume und selbst die Verwendung der Arbeiter ist, wie der eidgenössische
Fabrikinspektor aus eigener Beobachtung bei Inspektionsbesuchen feststellen
konnte, nicht durchweg getrennt, was übrigens bei einem kleinen Betriebe, wie
hier, als durchaus natürlich erscheint. Bei diesen Verhältnissen entspricht es
der Vorschrift und dem Sinn des Gesetzes, wenn Sägerei, Hobelwerk und
Schreinerei als ein Betrieb behandelt und die Anwendung des Gesetzes nach
Massgabe der Gesamtunternehmung beurteilt wird.
Dass die Unternehmung zivilrechtlich in zwei Teile gespalten und verschiedenen
Inhabern zugewiesen wurde in der Meinung, es werde sich damit eine Ersparnis
an Suvalprämien erreichen lassen, ist bei den vorliegenden
Betriebsverhältnissen unerheblich. Übrigens ist, abgesehen von der tatsächlich
gegebenen Einheitlichkeit des Betriebes, der formell verselbständigte
Betriebsteil «Schreinerei» nach Massgabe des Pachtvertrages dem Gesamtbetrieb
durchaus untergeordnet. Er arbeitet laut Vertrag für das Gesamtgeschäft nach
dessen Weisungen und unter Verwendung des für die von ihm erteilten Aufträge
zur Verfügung gestellten Materials. Sogar die Löhne der Arbeiter werden von
der Verpächterin ausgerichtet.
3.- Die Bezeichnung einer industriellen Anstalt als Fabrik ist nach Art. 1,
Abs. 1 und 2 FG in Verbindung mit Art. 1 lit. a VFG zulässig, wenn darin bei
Verwendung von Motoren 6 und mehr Arbeiter beschäftigt werden, wobei die
Arbeiter mitzuzählen sind, die auf den Werkplätzen arbeiten. In der Sägerei,
dem Hobelwerk und der Schreinerei zusammen werden durchschnittlich 7-8
Arbeiter beschäftigt. Die Unterstellung unter das Fabrikgesetz ist demnach zu
Recht angeordnet worden.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 I 52
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 21. Februar 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 I 52
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Unterstellung unter das Fabrikgesetz. Ein Betrieb, der in gemeinsamen Räumen eine Sägerei, ein...


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