S. 425 / Nr. 65 Jagdpolizei (d)

BGE 61 I 425

65. Urteil des Kassationshofs vom 23. Dezember 1935 i. S. Lengacher gegen
Bern, Generalprokurator.


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Regeste:
Jagdgesetz Art. 48. Darunter fällt auch Veräusserung bezw. Erwerb von blossen
Teilen gefrevelter Tiere (gegerbtes Rehfell).

A. - Die Vorinstanz hat, im wesentlichen ein Urteil des Gerichtspräsidenten
von Frutigen bestätigend, den Beschwerdeführer zu einer Busse von 200 Fr. und
den Kosten verurteilt, weil er zu nicht genau bestimmbarer Zeit seit dem
Herbst 1933 das Fell eines Rehes gekauft hat, trotzdem er wissen oder annehmen
musste, dass das Tier von dem Fellverkäufer Emil Rieder gewildert worden sei
(Jagdges. Art. 48). Den Sachverhalt nimmt das Gericht als erwiesen an auf
Grund der Aussagen eines Zeugen Rubin und der eigenen Aussagen des
Beschwerdeführers. Art. 48 sei so auszulegen, dass auch strafbar sei, wer
Teile von gefrevelten Tieren widerrechtlich veräussere oder erwerbe. Zwar
spreche die Entstehungsgeschichte des Art. 48 (Beratung im Ständerat) nicht
eindeutig für diese Auslegung, wohl aber der Zweck der Bestimmung, die
verhindern wolle, dass aus der Veräusserung des gefrevelten Tieres Gewinn
erzielt werde; sonst wäre der Umgehung Tür und Tor geöffnet.
B. - Der Beschwerdeführer beantragt, das Urteil aufzuheben und ihn
freizusprechen unter Zuerkennung einer Entschädigung, eventuell sei die Sache
zurückzuweisen zu neuer Beurteilung unter Zuspruch einer Entschädigung.
In tatbeständlicher Hinsicht bemängelt er die Beweiswürdigung und bestreitet,
dass der Beweis der Schuld erbracht sei. Rechtlich falle die Tat nicht unter
Art. 48,

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da ein Rehfell kein Tier, sondern nur der Bestandteil davon sei. Die
Verurteilung beruhe auf einer unzulässigen extensiven Auslegung des Gesetzes
und verletze den Grundsatz, dass das Gesetz im Zweifel zu Gunsten des
Angeschuldigten auszulegen sei. Bei der Beratung des Art. 48 im Ständerat sei
nie davon die Rede gewesen, Bestandteile von Wild unter die Strafsanktion zu
stellen, sondern nur von Wild als solchem. Eventuell könne man den Verkauf
oder Erwerb von Bestandteilen gefrevelter Tiere nur als strafbar erklären,
wenn der Zusammenhang mit dem ursprünglichen Jagddelikt vorhanden und
erkennbar sei. «Dies ist immer dann der Fall, wenn es sich um die Veräusserung
von noch frischen Teilen des Tieres handelt, von Fleisch im frischen oder
getrockneten Zustande, von ungegerbten Fellen, bei Erwerb ausserhalb der
Jagdzeit oder auch während der Jagd von einem Nichtjäger oder Nichthändler,
etc., kurz immer dann, wenn auch für den Erwerber bei summarischer Prüfung der
Verhältnisse ersichtlich wird oder werden sollte, dass hier etwas nicht in
Ordnung ist. Geht man aber soweit, wie es das bernische Gericht getan hat, den
Erwerb eines gegerbten Rehfelles, von einem vielleicht vor Jahren gewilderten
Rehe herstammend, als strafbar zu erklären, so sind die Konsequenzen
unabsehbar.»
C. - Die Vorinstanz und der Staatsanwalt verweisen auf das Urteil und
beantragen Abweisung der Beschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Auf die Anfechtung der Beweiswürdigung kann der Kassationshof nicht
eintreten, da er an die nicht als aktenwidrig gerügten tatsächlichen
Feststellungen der kantonalen Instanz gebunden ist (Art. 275 BStrP). Die
Schlussfolgerung aus diesen Tatsachen, der Beschwerdeführer habe gewusst oder
annehmen müssen, dass das Tier, dessen Fell er kaufe, gewildert worden sei,
verletzt Bundesrecht nicht.
2.- Entscheidend ist, ob im übrigen der Tatbestand,

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wie er von der Vorinstanz angenommen worden ist, unter Art. 48 JG fällt. Das
ist bestritten, weil der Beschwerdeführer nicht ein Tier, sondern das gegerbte
Fell eines Tieres (Rehes) erworben hat, von dem nicht feststeht, wann es von
dem Verkäufer des Felles gewildert worden ist.
a) Das angefochtene Urteil nimmt mit Recht an, dass Art. 48 dem Wilderer die
Verwertung des Tieres verwehren will (Sten. Bulletin, Ständerat 1924 S. 373
Sp. 1 unten, Votum Savoy). Soll dieser Zweck erreicht werden, so muss das
Feilbieten usw. auch von Teilen des Tieres strafbar sein, denn oft, ja
regelmässig wird das Tier nicht ganz, sondern in Teilen feilgeboten und
erworben werden. Ihrem Sinne nach muss sich also die Bestimmung auch auf Teile
von gefrevelten Tieren beziehen, womit übrigens die Begründung übereinstimmt,
mit der die ständerätliche Kommissionsminderheit ihren Zusatzantrag als
überflüssig zurückgezogen hat, der gelautet hatte: «Diese Bestimmung bezieht
sich auch auf nicht wertlose Teile der Tiere, wie Gehörne, Geweihe, Bälge,
Federn us.» (Sten. Bulletin, a.a.O., Spalte 2, Votum Läly). Es ist daher der
Vorinstanz zuzustimmen, dass nach Art. 48 auch strafbar ist, wer Teile von
gefrevelten Tieren veräussert oder erwirbt.
b) Damit ist aber die Verurteilung des Beschwerdeführers noch nicht
vollständig gerechtfertigt, sondern es ist noch zu erörtern, ob das gegerbte
Fell des zu unbestimmter, vielleicht vor langer Zeit erlegten Rehes ein Teil
dieses Tieres im Sinne des Art. 48 ist. Das Fell, ursprünglich auch rechtlich
ein Teil des Tieres, hat durch die Abtrennung, sachenrechtlich gesehen, die
Eigenschaft als Teil verloren und ist zur selbständigen Sache geworden. Es
wäre aber nicht folgerichtig, als Teil eines Tieres im Sinne des Art. 48 nur
gelten zu lassen, was sachenrechtlich unter den Begriff des Teiles fällt, denn
damit würde die oben als richtig und notwendig erkannte Ausdehnung des Art. 48
auf die Teile von Tieren praktisch ihren Sinn verlieren. Wird nämlich ein Tier
zerlegt und in Teilen (z. B. Geweihe,

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Bälge, Federn, die im Minderheitsantrag der ständerätlichen Kommission genannt
waren) feilgeboten und erworben, so handelt es sich sachenrechtlich nicht mehr
um Teile des Tieres, sondern um selbständige Sachen. Als Teil des Tieres nach
Art. 48 muss daher gelten, was im zoologischen Sinne ein Teil des Tieres ist.
Das ist auch naheliegend und sachgemäss. Anders würde der Zweck, den Art. 48
verfolgt, nicht erreicht, besonders die Bekämpfung des Wilderns von Tieren,
deren Felle von Wert sind (Wiesel, Hermeline, s. Art. 40 Abs. 3), erschwert
werden.
Die Lösung, dass auch der Handel mit verselbständigten Sachen, die, wie
gegerbte Felle, zoologisch Teile von Tieren sind, nach Art. 48 strafbar ist,
beruht zwar auf einer ausdehnenden Auslegung des Gesetzes, die aber auch im
Strafrecht zulässig ist, wenn sie, wie hier, nicht über den Sinn des Gesetzes
hinausgeht. Sie erweist sich auch als richtig, wenn man den Verkehr mit
verselbständigten «Teilen» von gefrevelten Tieren als spezialgesetzlich
erfassten Sonderfall der Sachhehlerei betrachtet. Die dort erforderliche
Identität der vom Vortäter deliktisch erlangten und der gehehlten Sache wird
auch dann als vorhanden betrachtet, wenn die letztere im Momente des ersten
Delikts als blosser Bestandteil der ersteren noch gar nicht als selbständige
Sache existierte, sondern erst nachher durch Abtrennung von jener als solche
entstanden ist (vgl. OLSHAUSEN, Komm. zum d. StrGB, zu § 259, N. 20 c; Urteil
des IV. Strafsenats d. Reichsgerichts vom 5. Juni 1894, abgedr. in Entscheid.
d. RG in Strafs. XXV 402 (STENGLEIN, Lexikon des d. StrR, zu § 259, Nr. 27).
Der Begriff «Teil» wird somit hier zu Recht nicht im sachenrechtlichen,
sondern im physischen Sinne verstanden
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit darauf eingetreten werden kann,
abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 I 425
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 23. Dezember 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 I 425
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Jagdgesetz Art. 48. Darunter fällt auch Veräusserung bezw. Erwerb von blossen Teilen gefrevelter...


BGE Register
61-I-425
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