S. 94 / Nr. 26 Pfandnachlassverfahren (d)

BGE 60 III 94

26. Entscheid vom 9. Juli 1934 i. S. Gebrüder Hüsler.


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Regeste:
Eine von Miterben oder Gemeindern geschlossene Kollektivgesellschaft kann
nicht das Pfandnachlassverfahren in Anspruch nehmen, solange im Grundbuch
nicht die Kollektivgesellschaft als Hoteleigentümerin eingetragen ist.
La société en nom collectif constituée par des cohéritiers ou des personnes
formant une communauté ne peut bénéficier du concordat hypothécaire hôtelier
aussi longtemps que ladite société n'est pas inscrite au registre foncier en
qualité de propriétaire de l'hôtel.
La società in nome collettivo costituita da coeredi o da persone formanti una
comunione non può essere ammessa al beneficio dal concordato ipotecario
alberghiero fintantochè non sia stata iscritta nel registro fondiario quale
proprietaria dell'albergo.

Nach dem Tode des Josef Hüsler, Eigentümers des Schlosshotels Gütsch in
Luzern, schlossen dessen Erben, nämlich die Witwe aus zweiter Ehe und die
beiden Söhne aus erster Ehe, am 26. Dezember 1925 einen
Erbengemeinderschaftsvertrag und Erbauskaufsvertrag mit folgenden
Bestimmungen: Uber die gesamte Verlassenschaft wird eine Erbengemeinderschaft
im Sinne von Art. 336 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 336 - Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass Verwandte entweder eine Erbschaft ganz oder zum Teil als Gemeinderschaftsgut fortbestehen lassen, oder dass sie Vermögen zu einer Gemeinderschaft zusammenlegen.
. ZGB vereinbart. Die Gemeinderschaft dauert je ein
Jahr

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weiter, wenn der Vertrag nicht sechs Monate vor Ende eines jeden Jahres von
Seite eines Gemeinders gekündet wird. Mit Auflösung der Gemeinderschaft
bezieht Frau Witwe Hüsler eine Erbabfindungssumme von 45000 Fr. Die
Liegenschaften des Erblassers sind den Gemeindern als Gesamteigentum
gesetzlich zuschreiben zu lassen. Letzteres ist dann geschehen.
Laut Handelsregistereintragung vom 26. Januar 1926 haben die drei Erben unter
der Firma Familie J. Hüsler eine Kollektivgesellschaft eingegangen, welche
Aktiven und Passiven der erloschenen Firma J. Hüsler, Gütsch, übernommen hat.
Auf Kündigung der Witwe Hüsler hin schlossen die drei Erben am 14/6. Januar
1930 folgende Vereinbarung: Frau Witwe Hüsler tritt aus der
Erbengemeinderschaft und Kollektivgesellschaft Familie J. Hüsler aus. Die
Firma wird abgeändert in Gebrüder Hüsler. Die den Erben Hüsler zu
Gesamteigentum gehörenden Liegenschaften sind auf die HH. Gebr. Hüsler
überzuschreiben. Frau Witwe Hüsler verpflichtet sich, die für die Zuschreibung
der Liegenschaften erforderlichen Schriftstücke zu unterzeichnen.
Austritt der Witwe aus der Kollektivgesellschaft und Firmaänderung wurden am
16. Januar 1930 im Handelsregister eingetragen.
Eine von der Witwe im Einverständnis der Söhne am 23. Mai 1933 zuhanden der
Hypothekarkanzlei der Stadt Luzern abgegebene Erklärung, wonach sie im Sinne
des Teilungsvertrages zugunsten der Herren Gebrüder Josef und Felix Hüsler auf
ihre Rechte als Gesamteigentümerin an den Hotelliegenschaften verzichtet und
demnach die obgenannten Gebrüder Hüsler nunmehr Alleineigentümer dieser
Liegenschaften, und zwar als Gesamteigentümer, sind, wurde ein halbes Jahr
später zurückgezogen, ohne dass inzwischen eine entsprechende
Grundbucheintragung hätte stattfinden können (wegen Nichtbezahlung der
verlangten Handänderungssteuer).

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Am 25. April 1934 ersuchte die Kollektivgesellschaft Gebrüder Hüsler, «welcher
Kollektivgesellschaft die Hotelliegenschaften Vordergütsch gehören», um
Eröffnung des Pfandnachlassverfahrens.
Der Vizepräsident des Amtsgerichtes Luzern-Stadt ist am 4. Juni 1934 auf das
Gesuch nicht eingetreten aus dem Grunde, dass die Kollektivgesellschaft nicht
Eigentümerin der Hotelliegenschaften sei.
Diesen Entscheid hat die Firma Gebrüder Hüsler an das Bundesgericht
weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Für das Pfandnachlassverfahren kann als Hoteleigentümer nur in Betracht
kommen, wer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist und daher über das
Grundstück verfügen kann, weil man es nicht darauf ankommen lassen darf, dass
Dritte, die nach Ausweis des Grundbuches verfügungsberechtigt sind, sei es
noch während der Pendenz des Verfahrens, sei es während der Geltung der
Pfandnachlassmassnahmen, anderweitig über die Hotelliegenschaft verfügen, oder
dass das Grundbuchamt die in Vollziehung des Hauptentscheides im
Pfandnachlassverfahren erforderlichen Änderungen im Grundbuch ablehne (vgl.
Art. 43 des Bundesbeschlusses vom 30. September 1932). Allein nicht nur ist
die gesuchstellende Kollektivgesellschaft Gebrüder Hüsler noch nicht als
Eigentümerin der Hotelliegenschaft im Grundbuch eingetragen, sondern sie kann
auch nicht von sich aus die Eintragung erwirken. Letzteres würde einen bereits
ausserbuchlich stattgefundenen Eigentumserwerb seitens der
Kollektivgesellschaft voraussetzen, der sie zur Grundbuchberichtigungsklage
berechtigen würde. Indessen ist solcher ausserbuchlicher Erwerb keineswegs
selbstverständlich, auch wenn Miterben oder Gemeinschafter, die
Gesamteigentümer einer Liegenschaft sind, eine Kollektivgesellschaft eingehen,
sondern erste Voraussetzung dafür wäre, dass sie die

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Liegenschaft in die Kollektivgesellschaft einbringen wollen. Hierüber kann
jedoch im einzelnen Falle Meinungsverschiedenheit bestehen, wie gerade hier,
wo der Gesellschaftsvertrag nicht in schriftlicher Form geschlossen worden zu
sein scheint. Es kann aber nicht angenommen werden, dass das Gesetz den
ausserbuchlichen Erwerb an einen Tatbestand hätte anknüpfen wollen, von dem
zweifelhaft bleiben kann, ob er eingetreten sei oder nicht. Etwas abweichend
nehmen HAAB, Note 32 zu ZGB 652/4, und andere von ihm Zitierte an, in einem
solchen Falle finde gar keine Handänderung, also kein Eigentumswechsel statt,
und in diesem Sinne hat auch der Bundesrat als Grundbuchoberaufsichtsbehörde
präjudiziell entschieden im (umgekehrten) Falle, dass eine
Kollektivgesellschaft liquidiert wird unter Belassung des Grundeigentums bei
einer aus den bisherigen Kollektivgesellschaftern bestehenden einfachen
Gesellschaft (SALIS-BURCKHARDT III Nr. 1334 II). Allein diese Ansicht
erscheint diskutabel angesichts der Verschiedenheit von Erbengemeinschaft oder
Gemeinderschaft einerseits und Kollektivgesellschaft anderseits, welch'
letztere ein vom Vermögen der Gesellschafter ausgeschiedenes Sondervermögen
hat (Art. 559
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 559 - 1 Jeder Gesellschafter hat das Recht, aus der Gesellschaftskasse Gewinn, Zinse und Honorar des abgelaufenen Geschäftsjahres zu entnehmen.
1    Jeder Gesellschafter hat das Recht, aus der Gesellschaftskasse Gewinn, Zinse und Honorar des abgelaufenen Geschäftsjahres zu entnehmen.
2    Zinse und Honorare dürfen, soweit dies der Vertrag vorsieht, schon während des Geschäftsjahres, Gewinne dagegen erst nach der Genehmigung des Geschäftsberichts bezogen werden.287
3    Gewinne, Zinse und Honorare, die ein Gesellschafter nicht bezieht, werden nach der Genehmigung des Geschäftsberichts seinem Kapitalanteil zugeschrieben, sofern kein anderer Gesellschafter dagegen Einwendungen erhebt.288
OR), das, soweit aus Grundstücken bestehend, im Grundbuch auf
die Gesellschaftsfirma ohne irgendwelche Erwähnung der Namen der
Gesellschafter einzutragen ist, Art. 31 der Grundbuchverordnung (vgl. WIELAND,
Handelsrecht I 644). Wie dem übrigens sei, so unterscheiden sich die beiden
Ansichten in der hier interessierenden Folgerung nur darin, dass nach der
ersteren keine öffentliche Beurkundung für die Einbringung der Erbschafts-
bezw. Gemeinderschaftsliegenschaften in die Kollektivgesellschaft erforderlich
ist. Dagegen ist auch nach dieser Ansicht eine schriftliche Erklärung der aus
dem Eintrag Berechtigten zur Richtigstellung des Grundbuches im Sinne der
Eintragung der Kollektivgesellschaft unerlässlich (vgl. HAAB, a.a.O.). In der
Tat kann nur auf diese Weise mit der erforderlichen Bestimmtheit festgestellt

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werden, ob die Miterben oder Gemeinder, die sich auch noch zu einer
Kollektivgesellschaft zusammenschliessen, die Erbschafts- oder
Gemeinderschaftsgrundstücke in die Gesellschaft einbringen wollen. An einer
solchen dem Grundbuchamt gegebenen Erklärung fehlt es hier aber, während Witwe
Hüsler durch den Vertrag vom Januar 1930 freilich zu deren Abgabe verpflichtet
ist, welche die Beteiligten also selbst als unerlässlich erachtet haben. Somit
ist mit der Vorinstanz die Hotelliegenschaft noch als im Eigentum der drei
Erben Hüsler als Gemeinderschafter stehend zu erachten und kann es daher der
nurmehr aus zwei Erben bestehenden Kollektivgesellschaft nicht gestattet
werden, das Pfandnachlassverfahren in Anspruch zu nehmen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 60 III 94
Datum : 01. Januar 1934
Publiziert : 09. Juli 1934
Quelle : Bundesgericht
Status : 60 III 94
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Eine von Miterben oder Gemeindern geschlossene Kollektivgesellschaft kann nicht das...


Gesetzesregister
OR: 559
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 559 - 1 Jeder Gesellschafter hat das Recht, aus der Gesellschaftskasse Gewinn, Zinse und Honorar des abgelaufenen Geschäftsjahres zu entnehmen.
1    Jeder Gesellschafter hat das Recht, aus der Gesellschaftskasse Gewinn, Zinse und Honorar des abgelaufenen Geschäftsjahres zu entnehmen.
2    Zinse und Honorare dürfen, soweit dies der Vertrag vorsieht, schon während des Geschäftsjahres, Gewinne dagegen erst nach der Genehmigung des Geschäftsberichts bezogen werden.287
3    Gewinne, Zinse und Honorare, die ein Gesellschafter nicht bezieht, werden nach der Genehmigung des Geschäftsberichts seinem Kapitalanteil zugeschrieben, sofern kein anderer Gesellschafter dagegen Einwendungen erhebt.288
ZGB: 336
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 336 - Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass Verwandte entweder eine Erbschaft ganz oder zum Teil als Gemeinderschaftsgut fortbestehen lassen, oder dass sie Vermögen zu einer Gemeinderschaft zusammenlegen.
BGE Register
60-III-94
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kollektivgesellschaft • witwe • grundbuch • erbe • gemeinderschaft • gemeinde • familie • gesamteigentum • ehe • sachverhalt • bilanz • eigentumserwerb • geschäftsfirma • entscheid • bewilligung oder genehmigung • gesellschaft • beendigung • weiler • erbengemeinschaft • tod
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