BGE 60 III 118
32. Entscheid vom 17. September 1934 i. S. Meier-Bühler.
Regeste:
Im Konkurs sind die Kompetenzansprüche des Gemeinschuldners in erster Linie
mit Gegenständen zu befriedigen, die nicht als Eigentum Dritter bezeichnet
oder angesprochen werden.
Dans la faillite, on doit laisser au débiteur, à titre d'objets
insaisissables, de préférence des objets qui ne sont pas désignés ou
revendiqués comme appartenant à des tiers.
Nel fallimento si deve lasciare al debitore quali beni impignorabili di
preferenza degli oggetti, che non sono stati designati o rivendicati comme di
spettanza di terzi.
Mit dem vorliegenden gegen den ihre Beschwerde abweisenden Entscheid der
kantonalen Aufsichtsbehörde vom 17. Juli 1934 gerichteten Rekurs macht die in
Konkurs geratene Rekurrentin die Unpfändbarkeit der Inventarnummern 41 und 43:
Spiegelschrank und Waschkommode mit Marmorplatte und Spiegelaufsatz im
Schätzungswerte von 100 und 80 Fr. geltend. Laut dem
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angefochtenen Entscheid hatte das Konkursamt der Gemeinschuldnerin als
Kompetenzstücke nur folgende Behältnisse überlassen: Ein Nähtischli und einen
doppelten Kasten (Inventarnummer 46), von welch letzterem jedoch im Inventar
bemerkt ist, er werde von Frau Meier, Aadorf, der Mutter des Ehemannes der
Rekurrentin, als Drittmannsgut angesprochen. Durch den angefochtenen Entscheid
wurde ausserdem noch ein tannenes Buffet als Kompetenzstück ausgeschiedenen
aus der Erwägung: «Etwas allzu sparsam erscheint uns die Bemessung in der
Zuscheidung der Behältnisse, da ausser dem Nähtischli und dem doppelten Kasten
keine weiteren Möbel dieser Kategorie zugeteilt wurden». Der Rekurs enthält
folgende Begründung: «Da meine Schwiegermutter die ihr gehörenden Möbelstücke
zurückverlangt. Will nun das Konkursamt mir noch die Waschkommode und den
Spiegelschrank wegnehmen, so bleibt mir gar nichts mehr, wo ich die Wäsche und
Kleider versorgen kann. Das Stubenbuffet brauche ich noch für die
Küchenartikel, da ich ja auch keinen Küchenschrank habe.»
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
In Art. 54 Abs. 2 der Konkursverordnung wird bestimmt: «Werden von Dritten zu
Eigentum angesprochene Gegenstände von der Konkursmasse als Kompetenzstücke
anerkannt, so unterbleibt das (Aussonderungs-) Verfahren nach Art. 242
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden. |
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1 | Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden. |
2 | Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt. |
3 | Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen. |
und ist der Dritte darauf zu verweisen, den Anspruch gegen den Gemeinschuldner
ausserhalb des Konkursverfahrens geltend zu machen». Durch diese Vorschrift
werden der Konkursmasse bezw. einzelnen Konkursgläubigern Prozesse erspart,
durch die auch im Falle Obsiegens nichts für die Konkursmasse gewonnen würde.
Damit ist freilich Konflikten zwischen der Konkursverwaltung (bezw. ihren
Zessionaren) und Drittansprechern vorgebeugt, wie sie in BGE 32 I S. 581 und
36 I S. 764 = Sep. Ausg. 9 S. 239 und 13 S. 244 zum
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Austrag gebracht werden mussten. Dagegen kann diese Ordnung zum (in der
bisherigen Rechtsprechung noch nicht zutage getretenen) Nachteil des
Gemeinschuldners ausschlagen, wenn nämlich der Drittansprecher mit der
Geltendmachung seiner Eigentumsansprache ausserhalb des Konkursverfahrens
gegen den Gemeinschuldner Erfolg hat und das ihm derart nachträglich entzogene
Kompetenzstück nicht mehr durch ein anderes ersetzt werden kann, das
seinerzeit in der Konkursmasse vorhanden gewesen und nicht von Dritten zu
Eigentum angesprochen worden war, jedoch inzwischen natürlich längst verwertet
worden sein dürfte. Etwas derartiges kann sich bei der Pfändung regelmässig
nicht ereignen, weil die Vorschrift des Art. 95 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 95 - 1 In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.208 |
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1 | In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.208 |
2 | Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht.209 |
3 | In letzter Linie werden Vermögensstücke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden. |
4 | Wenn Futtervorräte gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden. |
4bis | Der Beamte kann von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen oder wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen.210 |
5 | Im übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen. |
Vermögensstücke, welche vom Schuldner als Drittpersonen zugehörig bezeichnet
oder von Drittpersonen beansprucht werden, erst in letzter Linie gepfändet
werden, sich dahin auswirkt, dass das Betreibungsamt erst zu Verfügungen über
die allfällige Unpfändbarkeit von seiten Dritter angesprochener Sachen
veranlasst wird, nachdem es bereits vorher über die Unpfändbarkeit des
gesamten unbestrittenen Eigenvermögens des betriebenen Schuldners hat
entscheiden müssen. Gleiches muss auch im Konkursverfahren gelten, wenn nicht
riskiert werden will, dass legitime Kompetenzansprüche des Gemeinschuldners
verkümmert werden. Somit muss das Konkursamt die Kompetenzansprüche zunächst
aus dem unbestrittenen Eigenvermögen des Gemeinschuldners befriedigen und darf
von Dritten angesprochene Gegenstände nur hiezu heranziehen, wenn das
unbestrittene Eigenvermögen des Gemeinschuldners nicht zur Befriedigung
sämtlicher Kompetenzansprüche ausreicht, d. h. wenn sich im unbestrittenen
Eigenvermögen des Gemeinschuldners nicht genügend Gegenstände vorfinden, um
sämtliche Kompetenzansprüche zu befriedigen. Nur auf diese Weise kann erreicht
werden, dass der Gemeinschuldner die in der Konkursmasse vorgefundenen und
auch wirklich zur
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Konkursmasse gehörenden Kompetenzstücke endgültig behalten kann, worauf er
Anspruch hat. Freilich mag es Bedenken erwecken, dass auf diese Weise dem
Gemeinschuldner ermöglicht wird, die Kompetenzstücke selbst auszuwählen, indem
er von den zur Auswahl stehenden diejenigen, welchen er andere vorzieht, als
Eigentum Dritter bezeichnet. Allein abgesehen davon, dass es für den
Gemeinschuldner nicht ungefährlich wäre, ein solches Spiel zu treiben, wiegt
dieses Bedenken weniger schwer als das andere, dass der Gemeinschuldner sonst
unverschuldeterweise eines Kompetenzstückes verlustig gehen könnte, auf das er
mit Fug Anspruch erheben kann. Irgendein anderer Ausweg lässt sich nicht
finden, nachdem Art. 54 der Konkursverordnung bei Konkurrenz von Eigentums-
und Kompetenzansprachen der Konkursverwaltung bezw. -gläubigerschaft jeden
Einfluss auf die Erledigung der Eigentumsansprache entzogen hat. Insbesondere
würde es nichts helfen, dem Gemeinschuldner eine Frist zur Erhebung der
negativen Feststellungsklage gegen den Drittansprecher anzusetzen, weil die
Konkursverwaltung doch nicht über die Mittel verfügen würde, um eine zur
Abweisung dieser Klage (also Bejahung der Eigentumsansprache des Dritten)
führende Kollusion zu verhindern, somit doch nicht darum herum käme, anstelle
des zunächst zugeschiedenen, von dritter Seite angesprochenen Kompetenzstückes
ein anderes aus dem unbestrittenen Eigenvermögen des Gemeinschuldners zur
Verfügung zu stellen - während die Konkursverwaltung bei dem hier
vorgezeichneten Vorgehen doch allermindestens für die Verteidigung gegen die
Eigentumsansprache das Heft selbst in der Hand behält.
Somit wird der Rekurrentin eines der im Rekurs genannten Möbelstücke anstelle
des doppelten Kastens (Inventar Nr. 46) als Kompetenzstück zu überlassen sein,
und zwar wohl eher der zum Aufhängen von Kleidern geeignete Spiegelschrank als
die Waschkommode. Dass sie nicht auf beide Möbelstücke, sei es anstatt oder
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neben dem Kasten Anspruch, erheben könne, hat die Vorinstanz aus Gründen
entschieden, denen das Bundesgericht nur beistimmen kann. Indessen ist die
endgültige Auswahl unter den im Rekursantrag genannten Gegenständen der
Vorinstanz vorzubehalten, an welche die Sache ja ohnehin zurückgewiesen werden
muss zur Entscheidung darüber, ob der Konkursverwaltung zu bewilligen sei, ein
billigeres Ersatzstück zur Verfügung zu stellen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass die Sache zu neuer Beurteilung
an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.