S. 61 / Nr. 14 Elektrizitätshaftpflicht (d)

BGE 60 II 61

14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Februar 1934 i. S.
Sulzer-Geiger gegen Schweizerische Eidgenossenschaft.


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Regeste:
Elektrizitätshaftpflicht: Art. 27 ff. ElG gelten nur für Unfälle (und
Sachschäden), die sich beim Betrieb und nicht auch für solche, die sich beim
Bau von Stark- und Schwachstromanlagen ereignen.

Am 23. April 1931 verunglückte in Safenwil der Sohn der beiden Kläger, Walter
Sulzer, Elektriker. Sulzer hatte am 19. Januar 1931 mit der
Kreistelegraphendirektion III in Olten einen Vertrag abgeschlossen, durch den
ihm Telephonfreileitungsbauten übertragen wurden.
Der Unfall ereignete sich, als Sulzer eine Leitung erstellte, die eine
Hochspannungsleitung des aargauischen Elektrizitätswerkes kreuzen musste. Der
Draht kam dabei mit der Hochspannungsleitung in Berührung, was den sofortigen
Tod Sulzers zur Folge hatte.
Mit der vorliegenden Klage verlangten die Eltern Sulzers von der
Eidgenossenschaft Schadenersatz und Genugtuung.
Aus den Erwägungen:
Die Kläger berufen sich für ihre Forderungen auf Art. 27 ElG. Allein diese
Vorschrift gilt gemäss ihrem klaren Wortlaute nur für Unfälle, die sich beim
Betriebe einer Schwach- oder Starkstromanlage ereignen. Von Unfällen
anlässlich des Baues einer solchen Anlage ist darin nicht die Rede, im
Gegensatz zum Eisenbahnhaftpflichtgesetz, das nach Art. 1 ausdrücklich sowohl

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auf die beim Bau wie auf die beim Betrieb einer Eisenbahn vorkommenden Unfälle
Anwendung finden will. Diese Beschränkung des Art. 27 ElG auf die
Betriebsunfälle wird übrigens durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt. Der
Bundesrat hatte im Entwurfe vom 5. Juni 1899 (BBl. 1899 III 823 ff.) die
Kausalhaftpflicht, wie sie in Art. 27 des Gesetzes für Betriebsunfälle Recht
geworden ist, auch schon für Bauunfälle vorgesehen. Die Bestimmung wurde
jedoch in den eidgenössischen Räten auf Veranlassung der ständerätlichen
Kommission gestrichen mit der Begründung, dass der Bau einer elektrischen
Anlage nicht mehr Gefahren in sich schliesse als die Errichtung irgendwelcher
anderer Bauten; die besondere Gefahr beginne erst mit dem Eintritt des Stromes
in die Leitung, also mit dem Betriebe (Sten. Bulletin 1902 S. 71 ff. und 159).
Im vorliegenden Falle befand sich aber die Telephonleitung, als deren
Inhaberin die Beklagte in Anspruch genommen wird, zur Zeit des Unfalles
unzweifelhaft noch nicht im Betrieb, sondern war erst im Bau begriffen. Das
schliesst die Anwendung von Art. 27 ElG aus.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 60 II 61
Datum : 01. Januar 1934
Publiziert : 02. Februar 1934
Quelle : Bundesgericht
Status : 60 II 61
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Elektrizitätshaftpflicht: Art. 27 ff. ElG gelten nur für Unfälle (und Sachschäden), die sich beim...


BGE Register
60-II-61
Stichwortregister
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BBl
1899/III/823