BGE 60 II 332
50. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Oktober 1934 i. S.
Steiger gegen Glanz-Eternit A. G.
Regeste:
Schuldübernahme, nicht Novation, bei Entlassung des einen Solidarschuldners
aus der Schuldpflicht und Übernahme der alleinigen Schuldpflicht durch den
bisherigen andern Solidarschuldner (Art. 175 f
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 175 - 1 Wer einem Schuldner verspricht, seine Schuld zu übernehmen, verpflichtet sich, ihn von der Schuld zu befreien, sei es durch Befriedigung des Gläubigers oder dadurch, dass er sich an seiner Statt mit Zustimmung des Gläubigers zu dessen Schuldner macht. |
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1 | Wer einem Schuldner verspricht, seine Schuld zu übernehmen, verpflichtet sich, ihn von der Schuld zu befreien, sei es durch Befriedigung des Gläubigers oder dadurch, dass er sich an seiner Statt mit Zustimmung des Gläubigers zu dessen Schuldner macht. |
2 | Der Übernehmer kann zur Erfüllung dieser Pflicht vom Schuldner nicht angehalten werden, solange dieser ihm gegenüber den Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, die dem Schuldübernahmevertrag zugrunde liegen. |
3 | Unterbleibt die Befreiung des alten Schuldners, so kann dieser vom neuen Schuldner Sicherheit verlangen. |
Bürgschaft geht daher mangels Zustimmung des Bürgen unter; Form der Zustimmung
(Art. 178
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt. |
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1 | Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt. |
2 | Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat. |
Aus den Erwägungen:
2.- In der am 10. Mai 1929 erfolgten Neuregelung des Darlehensverhältnisses -
Entlassung des Solidarschuldners Eduard Schauwecker bezw. seiner Erbschaft aus
der Schuldpflicht, Übernahme der alleinigen Schuldpflicht durch den bisherigen
Solidarschuldner Mäglin, und Beitritt des H. Schauwecker als weiterer
Solidarbürge - hat die Vorinstanz im Gegensatz zu der ersten Instanz eine
Novation erblickt, durch die das alte Schuldverhältnis untergegangen und damit
die Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin erloschen sei. Hierin kann der
Vorinstanz
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nicht beigepflichtet werden. Neuerung im Sinne von Art. 116
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 116 - 1 Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet. |
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1 | Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet. |
2 | Insbesondere bewirkt die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit mit Rücksicht auf eine bestehende Schuld oder die Ausstellung eines neuen Schuld- oder Bürgschaftsscheines, wenn es nicht anders vereinbart wird, keine Neuerung der bisherigen Schuld. |
Umwandlung eines alten Schuldverhältnisses in ein neues, wobei der
Verpflichtungsgrund des neuen Schuldverhältnisses nicht in demjenigen des
alten, sondern in dem die Neuerung bewirkenden neuen und selbständigen
Rechtsgeschäft besteht. Wird dagegen das alte Schuldverhältnis in seiner
Identität nicht beseitigt, sondern werden unter Wahrung von dessen Substanz
daran nur Änderungen im Inhalt (Stundung der Schuld, Erhöhung der Leistung)
oder in der Person des Gläubigers (durch Abtretung nach Art. 164 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 164 - 1 Der Gläubiger kann eine ihm zustehende Forderung ohne Einwilligung des Schuldners an einen andern abtreten, soweit nicht Gesetz, Vereinbarung oder Natur des Rechtsverhältnisses entgegenstehen. |
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1 | Der Gläubiger kann eine ihm zustehende Forderung ohne Einwilligung des Schuldners an einen andern abtreten, soweit nicht Gesetz, Vereinbarung oder Natur des Rechtsverhältnisses entgegenstehen. |
2 | Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, das ein Verbot der Abtretung nicht enthält, kann der Schuldner die Einrede, dass die Abtretung durch Vereinbarung ausgeschlossen worden sei, nicht entgegensetzen. |
des Schuldners (durch Schuldübernahme, Art. 175 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 175 - 1 Wer einem Schuldner verspricht, seine Schuld zu übernehmen, verpflichtet sich, ihn von der Schuld zu befreien, sei es durch Befriedigung des Gläubigers oder dadurch, dass er sich an seiner Statt mit Zustimmung des Gläubigers zu dessen Schuldner macht. |
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1 | Wer einem Schuldner verspricht, seine Schuld zu übernehmen, verpflichtet sich, ihn von der Schuld zu befreien, sei es durch Befriedigung des Gläubigers oder dadurch, dass er sich an seiner Statt mit Zustimmung des Gläubigers zu dessen Schuldner macht. |
2 | Der Übernehmer kann zur Erfüllung dieser Pflicht vom Schuldner nicht angehalten werden, solange dieser ihm gegenüber den Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, die dem Schuldübernahmevertrag zugrunde liegen. |
3 | Unterbleibt die Befreiung des alten Schuldners, so kann dieser vom neuen Schuldner Sicherheit verlangen. |
keine Neuerung vor (OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 14 zu Art. 116
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 116 - 1 Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet. |
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1 | Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet. |
2 | Insbesondere bewirkt die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit mit Rücksicht auf eine bestehende Schuld oder die Ausstellung eines neuen Schuld- oder Bürgschaftsscheines, wenn es nicht anders vereinbart wird, keine Neuerung der bisherigen Schuld. |
Novation, Diss. Bern 1918, S. 44). Hier handelt es sich nun um einen typischen
Fall von Schuldübernahme im Sinne von Art. 176
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 176 - 1 Der Eintritt eines Schuldübernehmers in das Schuldverhältnis an Stelle und mit Befreiung des bisherigen Schuldners erfolgt durch Vertrag des Übernehmers mit dem Gläubiger. |
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1 | Der Eintritt eines Schuldübernehmers in das Schuldverhältnis an Stelle und mit Befreiung des bisherigen Schuldners erfolgt durch Vertrag des Übernehmers mit dem Gläubiger. |
2 | Der Antrag des Übernehmers kann dadurch erfolgen, dass er, oder mit seiner Ermächtigung der bisherige Schuldner, dem Gläubiger von der Übernahme der Schuld Mitteilung macht. |
3 | Die Annahmeerklärung des Gläubigers kann ausdrücklich erfolgen oder aus den Umständen hervorgehen und wird vermutet, wenn der Gläubiger ohne Vorbehalt vom Übernehmer eine Zahlung annimmt oder einer anderen schuldnerischen Handlung zustimmt. |
Erklärung vom 10. Mai 1929 zeigt, wonach die Erbschaft Schauwecker aus der
Schuldpflicht entlassen wurde und Mäglin die alleinige Schuldpflicht gegenüber
dem Beklagten übernahm. Dass er bereits Solidarschuldner war, ändert hieran
nichts; auch ein Solidarschuldner kann die Schuld seines Mitschuldners
übernehmen, womit er Alleinschuldner wird. An der Identität des alten
Schuldverhältnisses wurde dadurch nichts geändert. Das ursprüngliche
Darlehensverhältnis blieb nach wie vor dasselbe.
Im Gegensatz zur Novation werden beim Schuldnerwechsel die Nebenrechte, soweit
sie nicht mit der Person des Schuldners unzertrennbar verknüpft sind, nicht
berührt. Allein nach Art. 178 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt. |
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1 | Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt. |
2 | Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat. |
dann weiter, wenn er der Schuldübernahme beigestimmt hat. Diese Zustimmung
kann vor oder beim Übergangsakte erfolgen; dann ist sie, wie die
Schuldübernahme selber, nicht formbedürftig. Fehlt die Zustimmung im
Zeitpunkte der Schuldübernahme, so ist die Bürgschaft erloschen. Eine
nachträgliche Zustimmung ist daher, nachdem die ursprüngliche Bürgschaft
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untergegangen ist, ihrem Wesen nach eine Neubegründung der Bürgschaft und
bedarf somit der Schriftlichkeit (OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 10, sowie BECKER,
Anm. 8 zu Art. 178
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 178 - 1 Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt. |
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1 | Die Nebenrechte werden vom Schuldnerwechsel, soweit sie nicht mit der Person des bisherigen Schuldners untrennbar verknüpft sind, nicht berührt. |
2 | Von Dritten bestellte Pfänder sowie die Bürgen haften jedoch dem Gläubiger nur dann weiter, wenn der Verpfänder oder der Bürge der Schuldübernahme zugestimmt hat. |
beim Übergangsakte vom 10. Mai 1929 ihre Zustimmung zum Schuldnerwechsel
gegeben; damit war die Bürgschaft also erloschen. Die beiden Erklärungen vom
5. Juli 1930 und 1. Juli 1931, mit denen Gustav Mäglin für die Klägerin als
Solidarbürgin das schriftliche Einverständnis mit der Hinausschiebung der
Fälligkeit des Darlehens aussprach, bewirkten keine Neubegründung der
Bürgschaft der Klägerin. Denn da Gustav Mäglin laut Handelsregistereintrag nur
kollektiv mit einem weiteren Mitglied der Glanzeternit A.-G. Niederurnen
zeichnungsberechtigt war, konnte seine Unterschrift allein die Klägerin
Dritten gegenüber nicht verpflichten, es wäre denn, dass er von den
zuständigen Gesellschaftsorganen hiezu speziell ermächtigt worden wäre, oder
dass die Gesellschaft das ohne Ermächtigung abgeschlossene Geschäft
nachträglich genehmigt hätte. Weder für das eine noch für das andere liegt
jedoch ein Beweis vor. Aus der ursprünglichen Bürgschaftsübernahme durch die
Klägerin einen Anhaltspunkt für den Zustimmungswillen herzuleiten, verbietet
sich von vorneherein angesichts des Umstandes, dass nach den Feststellungen
der Vorinstanz Mäglin und Schauwecker in eigennütziger Absicht und in
missbräuchlicher Ausnutzung ihrer Kompetenzen die Klägerin mit der
Solidarbürgschaft für das streitige Darlehen belastet hatten. Der Beklagte hat
zwar diese Feststellungen als aktenwidrig angefochten unter Hinweis auf die
Zeugenaussage Mäglins. Diese Rüge ist jedoch unbegründet. Die Vorinstanz hat
diese Aussage als nicht beweiskräftig bezeichnet; ihre Feststellung ist daher
das Resultat der ihr ausschliesslich zukommenden Beweiswürdigung.
Kann somit von einer Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin schon aus diesem
Grunde nicht die Rede sein,
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so braucht nicht weiter untersucht zu werden, ob überhaupt in den beiden
Erklärungen vom 5. Juli 1930 und 1. Juli 1931 eine formrichtige
Bürgschaftsverpflichtung erblickt werden könnte.