S. 313 / Nr. 46 Obligationenrecht (d)

BGE 60 II 313

46. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. September 1934 i. S. «Gema»,
Aktiengesellschaft für Patentverwertung gegen Gerber.


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Regeste:
Erwerb eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft. Aus dem Verbot des Art.
628 Abs. 1 OR folgt nicht die Nichtigkeit des Erwerbsgeschäftes. Bestätigung
der Rechtsprechung.

A. - Der Kläger beteiligte sich im Jahre 1932 an der Gründung der beklagten
Aktiengesellschaft, der Gema A.-G., die Patente für sogenannte
Fixmobilbuchstaben verwertet. Er zeichnete und bezahlte 20 Aktien zu 500 Fr.,
übernahm die Geschäftsführung der Gesellschaft und gewährte ihr ein Darlehen
von 5000 Fr.
In der Folge traten zwischen den Parteien Unstimmigkeiten auf, die am 23.
Dezember 1932 zum Abschluss eines Vergleiches führten. Darin wurde u. a.
bestimmt, dass die Beklagte die vom Kläger übernommenen Aktien zum Nennwert
zurückkaufe. Die Beklagte anerkannte, dem Kläger demgemäss 10000 Fr. als
Aktienkaufpreis, 5000 Fr. aus Darlehen sowie 2000 Fr. aus Gehalts-,
Provisions- und andern Ansprüchen zu schulden. Davon wurden 2000 Fr. sofort
bezahlt und die Rückzahlung des Restes von 15000 Fr. in der Weise geregelt,
dass die Beklagte von jeder Schachtel Fixmobilbuchstaben, die sie verkaufe,
dem Kläger spätestens innert 30 Tagen je 2 Fr. abzuliefern habe; erfolge die
Bezahlung nicht innert dieser Frist, so werde die ganze Restforderung fällig.
Der Kläger erhielt jedoch keine weitern Zahlungen. Als er von Lieferungen
Kenntnis bekam, welche die Beklagte ausgeführt hatte, hob er anfangs Mai 1933
für den Betrag von 15000 Fr. nebst 5% Zins seit 29. April 1933 Betreibung an.
Die Beklagte schlug gegen den Zahlungsbefehl Recht vor.

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B. - Daraufhin hat der Kläger am 5. September den in Betreibung gesetzten
Betrag beim Bezirksgericht Zürich eingeklagt. Die Beklagte beantragte
Abweisung der Klage, indem sie die Fälligkeit der Forderung bestritt. Das
Bezirksgericht hat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1933 die Fälligkeit
bejaht und die Klage demgemäss gutgeheissen.
Dieses Urteil ist vom Obergericht des Kantons Zürich am 9. Mai 1934 bestätigt
worden. Die Beklagte hatte in der zweiten Instanz die Fälligkeit der Forderung
nicht mehr bestritten, dagegen den Einwand erhoben, dass das mit dem Kläger
über ihre eigenen Aktien abgeschlossene Kaufsgeschäft der Vorschrift des Art.
628 OR zuwiderlaufe und daher ungültig sei. Das Obergericht hat die Einrede
unter Hinweis auf die neuere bundesgerichtliche Praxis (BGE 43 II 293 ff.)
verworfen und das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
C. - Gegen das obergerichtliche Urteil richtet sich vorliegende rechtzeitig
eingereichte Berufung, mit welcher die Beklagte den Antrag auf Abweisung der
Klage erneuert.
Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Da die Einrede, die eingeklagte Forderung sei nicht fällig, von der
Beklagten schon vor Obergericht fallen gelassen worden ist, hat auch das
Bundesgericht nicht mehr darauf zurückzukommen.
Es bleibt also nur die andere Einwendung zu prüfen, dass der Kauf eigener
Aktien durch die Beklagte nach Art. 628 OR ungültig gewesen sei. Dabei ist zum
voraus zu bemerken, dass diese Frage nur die Forderung von 10000 Fr. aus dem
Aktienkauf berührt, und nicht auch die Restforderung von 5000 Fr. aus Darlehen
usw. Diese letztere muss also auf jeden Fall zugesprochen werden.
2.- Nach Art. 628 OR darf eine Aktiengesellschaft, vier näher umschriebene
Fälle ausgenommen, keine eigenen Aktien erwerben. Dass hier eine der Ausnahmen

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zutreffe, behauptet die Beklagte selber nicht. Infolgedessen frägt es sich,
welche Bedeutung dem Verbote zukommt.
Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 25. Mai 1917 in Sachen Schelling
gegen Brueck & Wilson A.-G. (BGE 43 II 293 ff.) und in der seitherigen Praxis
angenommen, dass das Verbot den Erwerb eigener Aktien nicht nichtig mache,
sondern lediglich den Charakter einer Ordnungsvorschrift habe. Die Gründe,
welche für diese Auffassung angeführt wurden, sind im wesentlichen folgende:
Aus der Natur der Bestimmung als eines «Verbotsgesetzes» folgt nicht schon die
Nichtigkeit des verbotenen Rechtsgeschäftes. Es können für den Gesetzgeber
Gründe vorliegen, die zivilrechtliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes in
voller oder in beschränkter Weise anzuerkennen und durch anderweitige Mittel
(zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeiten usw.) auf Beobachtung des
Verbotes zu dringen. Insoweit hat dann der Vertrag auch keinen
widerrechtlichen Inhalt im Sinne von Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR. Massgebend sind der Wortlaut
sowie der Sinn und Zweck des Verbotes. Der Wortlaut «darf nicht erwerben» ist
jedoch nicht eindeutig. Immerhin lasst er eher eine blosse Einschränkung der
Handlungsfreiheit vermuten, im Gegensatz zum Ausdruck «Nichtkönnen», der auch
die Möglichkeit ausschliesst, die gewollte rechtliche Wirkung hervorzubringen.
Aus dem Wort «darf» ist somit zum mindesten nichts gegen die
Rechtsbeständigkeit des Erwerbsaktes herzuleiten. Nur nebensächliche Bedeutung
haben unter diesen Umständen der französische und der italienische Text, wo es
heisst «... ne peuvent acquérir que...» bezw. «... non può acquistare...» Was
den Sinn und Zweck des Verbotes betrifft, so sprechen überwiegende Gründe
gegen die Nichtigkeitsfolge. Zur Aufstellung des Verbotes hat hauptsächlich
die Erwägung geführt, dass es der Natur der Aktiengesellschaft widerspricht,
ihr eigener Aktionär

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zu sein, und dass daraus leicht Missbräuche und ungesunde Verhältnisse
entstehen können. Namentlich kann sich daraus eine für die Beteiligten
nachteilige Schwächung des Aktienkapitals und eine unzulässige Beeinflussung
der Stimmrechtsverhältnisse in der Generalversammlung durch die
Gesellschaftsorgane ergeben. Alles das rechtfertigt aber noch nicht, den
verbotswidrig vorgenommenen Aktienerwerb als nichtig zu behandeln. Sowie das
Gesetz davon absieht, dem Anwendungsgebiet nach ein unbedingtes und
allgemeines Verbot aufzustellen, sondern im Interesse der internen
Verhältnisse der Gesellschaft und der Verkehrsbedürfnisse eine grössere Anzahl
wichtiger Fälle des Erwerbes eigener Aktien vom Verbote ausnimmt - welchen
Ausnahmefällen wohl noch der des unentgeltlichen Erwerbes beizuzählen ist - so
sprechen Interessen gleicher Art dafür, ein solches Verbot auch nach seinem
Inhalt nicht in der zivilrechtlich strengsten Weise zu erlassen, also nicht
so, dass der verbotswidrig vorgenommene Aktienerwerb nichtig ist. Das würde
eine grosse Belästigung des Verkehrs bedeuten und vielfach Geschäfte treffen,
bei denen die für das Verbot massgebenden gesetzgeberischen Gründe praktisch
keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Wo sie aber ihr volles
Gewicht besitzen, da vermag das Verbot auch als Ordnungsvorschrift den zu
wahrenden Interessen ausreichenden Schutz zu gewähren. Der dem Verbot zuwider
vorgenommene Erwerb bleibt eine rechtswidrige Handlung, welche die
Schadenersatzpflicht der handelnden Organe begründet, und auch der
Veräusserer, der bei der Übertretung mitgewirkt hat, kann für den Schaden nach
den allgemeinen Grundsätzen über die unerlaubte Handlung haftbar gemacht
werden.
3.- Diese Auslegung von Art. 628 OR ist in Praxis und Schrifttum teils
beifällig aufgenommen worden (vgl. z. B. STEINER in der «Schweizerischen
Aktiengesellschaft» IV. Jahrg. S. 89 ff.; FURRER, Erwerb eigener Aktien, S.
153 ff.), teils wurde an ihr Kritik geübt, so namentlich

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in einem Urteil des aargauischen Handelsgerichtes vom 4. Dezember 1930 (zu dem
Stellung zu nehmen das Bundesgericht nicht Gelegenheit hatte, weil die dagegen
erklärte Berufung nachträglich zurückgezogen worden ist), sowie von Alfred
WIELAND in der Schweizerischen Juristenzeitung, Bd. 14 S. 281 ff.
Das aargauische Handelsgericht hält die bundesgerichtliche Auffassung, dass
bei Art. 628 Abs. 1 OR die sogenannte grammatikalische Auslegung zu keinem
sichern Ergebnis führe, für unrichtig und leitet die Nichtigkeitsfolge gerade
aus dem Wortlaut des Verbotes ab. Es macht geltend, dass nach von TUHR, Allg.
Teil des BGB, Bd. III S. 2 Anm. 13, und ENNECCERUS, Lehrbuch des bürgerlichen
Rechtes, 13. Bearbeitung, Bd. I/1 § 51 Anm. 2, im ältern Sprachgebrauch der
Ausdruck «dürfen» oft im Sinne von «können» verwendet worden sei; ferner
verweist es auf die oben zitierten romanischen Gesetzestexte, die dem
deutschen gleichwertig seien.
Sowohl VON TUHR wie ENNECCERUS verstehen jedoch unter dem «ältern
Sprachgebrauch» im wesentlichen nur denjenigen vor dem Erlass des BGB, also
auch vor Erlass des OR, während sie mit Bezug auf das BGB und die in der
Folgezeit erlassenen Gesetze in der Verwendung des Ausdruckes «Nichtkönnen»
einerseits und «Nichtdürfen» anderseits eine vom Gesetzgeber gewollte
Unterscheidung erblicken, und das «Nichtdürfen» bloss als Sollvorschrift
gelten lassen, sofern sich die stärkere Wirkung, nämlich die Nichtigkeit des
verbotswidrig vorgenommenen Rechtsgeschäftes, nicht anderweitig ergebe. Diese
Unterscheidung ist auch im übrigen deutschen Schrifttum unbestritten; vgl.
insbesondere PLANK, 4. Aufl., Bd. I, Einleitung LII, und STAUDINGER, 9. Aufl.
Bem. 6 b zu § 134. Will man also schon mit dem aargauischen Handelsgericht
davon ausgehen, dass sich der schweizerische und der deutsche Sprachgebrauch
decken, so spricht der Wortlaut von Art. 628 Abs. 1 OR nicht nur nicht für die
Nichtigkeitsfolge, sondern gegen dieselbe. In der Tat hat der

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eidgenössische Gesetzgeber im alten wie im neuen Obligationenrecht die
Nichtigkeit und Ungültigkeit von Rechtshandlungen, die einem Verbot
zuwiderlaufen, in einer Reihe von Fällen ausdrücklich ausgesprochen (z. B. in
aOR Art. 40, 114, 177, 222, 237, 244, 333, 335, 541, 623 und in neu OR Art.
34, 100, 157, 192, 199, 265, 293, 314, 323, 356, 541, 623). Es wäre deshalb
nicht verständlich, wieso er in der wichtigen Frage des Erwerbes eigener
Aktien durch eine Aktiengesellschaft sich mit der ohne Zusatz zum mindesten
missverständlichen Formulierung «Die Aktiengesellschaft darf nicht...» begnügt
hätte, wenn er diesen Erwerb hätte als ungültig behandelt wissen wollen.
Was sodann den französischen und den italienischen Gesetzestext betrifft, so
ist richtig, dass sie mit dem deutschen im gleichen Range stehen und nicht
blosse Übersetzungen darstellen. Etwas anderes wurde auch in BGE 43 II 297
nicht gesagt. Allein das französische «ne peut» und das italienische «non può»
haben nicht immer den strengen Sinn des deutschen «kann nicht», sondern
drücken häufig bloss das aus, was im deutschen unter dem schwächern «darf
nicht» verstanden wird. Nach den romanischen Texten kann also Art. 628 Abs. 1
ebensowohl die Bedeutung einer blossen Sollvorschrift wie diejenige einer lex
absoluta haben. Was gilt, muss in solchen Fällen aus dem Zusammenhang
ermittelt werden. Dafür nun, dass bei Art. 628 Abs. 1 mit den Ausdrücken «ne
peuvent» bezw. «non può» dem Geschäfte die Rechtswirksamkeit habe versagt
werden wollen, fehlen in den romanischen Texten alle Anhaltspunkte. Die
deutsche Formulierung aber, welche unter diesen Umständen zur Auslegung der
französischen und italienischen heranzuziehen ist - nicht umgekehrt - deutet
im Gegenteil eher auf eine blosse Sollvorschrift hin. Zu keinem andern
Ergebnis käme man übrigens selbst dann, wenn der französische und der
italienische Text auf Nichtigkeit des Geschäftes schliessen lassen würden:
denn bei Verschiedenheit der Texte wäre auf

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den in der Beschränkung am wenigsten weitgehenden, hier also auf den deutschen
abzustellen. Das ist vom Bundesgericht bereits für öffentlichrechtliche
Verbote ausgesprochen worden (BGE 51 II 161) und muss in gleicher Weise für
zivilrechtliche Beschränkungen der Handlungsfreiheit gelten.
Alfred WIELAND anerkennt denn auch, dass aus dem Gesetzestext für die
Nichtigkeitsfolge nichts herzuleiten ist. Dagegen macht er geltend, dass im
Erwerbe eigener Aktien, woran das Bundesgericht in BGE 43 II 293 ff. achtlos
vorübergegangen sei, eine durch Art. 629 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 629 - 1 Die Gesellschaft wird errichtet, indem die Gründer in öffentlicher Urkunde erklären, eine Aktiengesellschaft zu gründen, darin die Statuten festlegen und die Organe bestellen.
1    Die Gesellschaft wird errichtet, indem die Gründer in öffentlicher Urkunde erklären, eine Aktiengesellschaft zu gründen, darin die Statuten festlegen und die Organe bestellen.
2    In diesem Errichtungsakt zeichnen die Gründer die Aktien und stellen fest, dass:
1  sämtliche Aktien gültig gezeichnet sind;
2  die versprochenen Einlagen dem gesamten Ausgabebetrag entsprechen;
3  die gesetzlichen und statutarischen Anforderungen an die geleisteten Einlagen im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Errichtungsakts erfüllt sind;
4  keine anderen Sacheinlagen, Verrechnungstatbestände oder besonderen Vorteile bestehen als die in den Belegen genannten.325
3    Wird das Aktienkapital in ausländischer Währung festgelegt oder werden Einlagen in einer anderen Währung geleistet als derjenigen des Aktienkapitals, so sind die angewandten Umrechnungskurse in der öffentlichen Urkunde anzugeben.326
OR verbotene Rückzahlung der
Einlage an den Aktionär liegen könne und dass ein solcher Erwerb aus diesem
Grunde nichtig sein müsse. Das ist aber vom Bundesgericht durchaus nicht
übersehen worden. Wieland selber geht davon aus, dass es sich bei Art. 628
Abs. 1 und Art. 629 Abs. 3 um zwei verschiedene Verbote handelt und dass nicht
jeder Erwerb eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft auch eine verbotene
Einlagerückzahlung darstellt. Es kann sich also nur fragen, unter welchen
Voraussetzungen ein Tatbestand nach Art. 628 Abs. 1 zugleich denjenigen des
Art. 629 Abs. 3 erfülle. Diese beiden Vorschriften endgültig gegeneinander
abzugrenzen, hatte aber das Bundesgericht in BGE 43 II 293 ff. keine
Veranlassung, weil in jenem Falle eine Einlagerückzahlung im Sinn des Art. 629
gar nicht behauptet worden war und tatsächlich auch nicht davon die Rede sein
konnte. Denn entgegen der Ansicht Wielands liegt auf jeden Fall darin, dass
eine Aktiengesellschaft, deren Vermögen das Grundkapital nicht übersteigt,
eigene Aktien zu pari (bezw. um den einbezahlten Betrag) ankauft, nicht ohne
weiteres schon eine verbotene Einlagerückzahlung. Das Rückzahlungsverbot
verfolgt den Zweck, das Grundkapital als Garantiefonds der Gesellschaft zu
erhalten. Wenn nun eine Gesellschaft eigene Aktien ihrem innern Werte
entsprechend zu pari ankauft, so bedeutet das an sich noch nicht eine
Schwächung des

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Grundkapitals, da ja die Aktien normalerweise wieder zum gleichen Preise
veräussert werden können und das Vermögen der Gesellschaft somit effektiv
nicht vermindert ist. Es müssen vielmehr Umstände dazu kommen, denen zu Folge
der Ankauf in Wirklichkeit doch auf eine Schwächung des Grundkapitals
hinausläuft, was z. B. dann der Fall ist, wenn trotz des dem Nominalwert
entsprechenden innern Wertes der Aktien keine Aussicht besteht, sie wieder zu
diesem Betrag absetzen zu können (vgl. hiezu FURRER, a.a.O. S. 134 ff. und die
daselbst unter Anm. 18 angeführte Literatur). Solche Umstände haben aber im
Falle BGE 43 II 293 ff. nicht vorgelegen, vielmehr handelte es sich dort um
Pflichtaktien, welche die Gesellschaft von dem aus ihrem Dienste austretenden
Geschäftsführer zurückkaufte und welche offenbar sofort zum gleichen Preise
auf seinen Nachfolger hätten übertragen werden können.
Gleich wie in jenem Falle sind auch im vorliegenden keinerlei Anhaltspunkte
für eine Schwächung des Grundkapitals durch das umstrittene Kaufsgeschäft
vorhanden. Es braucht deshalb auch hier auf das allgemeine Verhältnis des Art.
628 Abs. 1 zu Art. 629 Abs. 3 nicht näher eingetreten zu werden.
4.- Die gegen die bundesgerichtliche Praxis erhobenen Einwendungen können
unter diesen Umständen nicht als begründet anerkannt werden. Abgesehen hievon,
besteht aber noch umsoweniger Grund, von dieser Praxis abzugehen, als nach der
gegenwärtig im Gange befindlichen Revision der Titel XXIV bis XXXIII des
Obligationenrechtes aller Voraussicht nach auch die künftige gesetzliche
Ordnung damit im Einklang stehen wird.
Die Revisions-Expertenkommission hatte mit Stichentscheid des Präsidenten
vorgeschlagen, den Erwerb eigener Aktien in Abweichung von der heutigen
bundesgerichtlichen Praxis grundsätzlich als nichtig zu erklären und demgemäss
den heutigen Art. 628 folgendermassen zu formulieren (Protokoll der
Expertenkommission S. 245 ff.):

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«Die Aktiengesellschaft kann eigene Aktien nicht erwerben, noch zum Pfande
nehmen.
Rechtsgeschäfte, die dieser Vorschrift widersprechen, sind nichtig.»
Dieser Vorschlag ist in den bundesrätlichen Entwurf vom 21. Februar 1928
aufgenommen worden (BBl. 1928 I 235 f. und 384 f.). Der Ständerat beschloss
jedoch auf Antrag seiner Kommission, die bisherige Fassung beizubehalten und
zwar in dem Sinne, wie sie durch das Bundesgericht in der heutigen Praxis
ausgelegt wird, nämlich im Sinne einer blossen Sollvorschrift, ohne
Nichtigkeitsfolge für verbotswidrig abgeschlossene Geschäfte. Die
nationalrätliche Kommission beantragte Zustimmung zu diesem Beschluss, der
dann vom Nationalrat, nachdem der Bundesrat seinen eigenen Vorschlag
inzwischen fallen gelassen hatte, auch zu dem seinigen gemacht worden ist
(siehe Sten. Bull., 1931, Ständerat, S. 362, 366, 369; 1934, Nationalrat, S.
88 ff. und 92 f.).
Diese Beschlüsse werden also, da nicht zu erwarten ist, dass die
eidgenössischen Räte darauf zurückkommen, voraussichtlich Gesetz werden.
Infolgedessen ist es auch im Interesse der Rechtskontinuität geboten, an der
bisherigen, durch BGE 43 II 293 ff. eingeleiteten Praxis festzuhalten.
5.- Hieraus ergibt sich, dass die Klage in vollem Umfange gutzuheissen ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Zürich vom 9. Mai 1934 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 60 II 313
Datum : 01. Januar 1934
Publiziert : 18. September 1934
Quelle : Bundesgericht
Status : 60 II 313
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Erwerb eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft. Aus dem Verbot des Art. 628 Abs. 1 OR folgt...
Einordnung : Bestätigung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
OR: 20 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
628  629
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 629 - 1 Die Gesellschaft wird errichtet, indem die Gründer in öffentlicher Urkunde erklären, eine Aktiengesellschaft zu gründen, darin die Statuten festlegen und die Organe bestellen.
1    Die Gesellschaft wird errichtet, indem die Gründer in öffentlicher Urkunde erklären, eine Aktiengesellschaft zu gründen, darin die Statuten festlegen und die Organe bestellen.
2    In diesem Errichtungsakt zeichnen die Gründer die Aktien und stellen fest, dass:
1  sämtliche Aktien gültig gezeichnet sind;
2  die versprochenen Einlagen dem gesamten Ausgabebetrag entsprechen;
3  die gesetzlichen und statutarischen Anforderungen an die geleisteten Einlagen im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Errichtungsakts erfüllt sind;
4  keine anderen Sacheinlagen, Verrechnungstatbestände oder besonderen Vorteile bestehen als die in den Belegen genannten.325
3    Wird das Aktienkapital in ausländischer Währung festgelegt oder werden Einlagen in einer anderen Währung geleistet als derjenigen des Aktienkapitals, so sind die angewandten Umrechnungskurse in der öffentlichen Urkunde anzugeben.326
BGE Register
43-II-293 • 51-II-156 • 60-II-313
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • eigene aktien • nichtigkeit • beklagter • aktiengesellschaft • aargau • darlehen • sprachgebrauch • handelsgericht • frage • expertenkommission • ordnungsvorschrift • einwendung • weiler • innerer wert • nationalrat • minderheit • grammatikalische auslegung • nominalwert • richtigkeit
... Alle anzeigen
BBl
1928/I/235