BGE 60 II 16
4. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. März 1934 i. S. Frau Suter gesch.
Steiger gegen Steiger.
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Regeste:
Ehescheidung, Massnahmen zum Schutze der Kinder.
Das über die Gestaltung der Elternrechte befindende Scheidungsgericht (Art.
156 ZGB) ist befugt, die Vormundschaftsbehörde durch Übermittlung eines
Urteilsdoppels oder auf andere Weise auf Gefährdungsmomente aufmerksam zu
machen und ihr eine Überwachung der Erziehung nahezulegen, damit nötigenfalls
rechtzeitig im Sinne von Art. 283 ff . ZGB eingeschritten werden kann.
Durch eine solche Massnahme des Scheidungsgerichts ist der mit der elterlichen
Gewalt betraute geschiedene Ehegatte als Partei nicht beschwert.
Unzulässigkeit der dagegen gerichteten Berufung.
Gegen Ziffer 4 des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich vom 11.
November 1933, lautend:
«Die beiden Kinder Gertrud, geb. 24. Dezember 1918, und Alice, geb. 5.
September 1920, werden der Beklagten zur Pflege und Erziehung zugewiesen und
die Vormundschaftsbehörde Winterthur eingeladen, die Erziehung der beiden
Kinder Gertrud und Alice zu überwachen».
hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag,
die Einladung an die Vormundschaftsbehörde, die Erziehung der beiden Kinder zu
überwachen, sei aus dem Urteil zu entfernen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Es ist allgemein Aufgabe der vormundschaftlichen Behörden, bei pflichtwidrigem
Verhalten der Eltern einzuschreiten und die zum Schutze des Kindes geeigneten
Vorkehrungen zu treffen, es bei dauernder Gefährdung oder Verwahrlosung den
Eltern wegzunehmen und anderwärts unterzubringen oder gegebenenfalls den
Entzug der elterlichen Gewalt in die Wege zu leiten (Art. 283 -285
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907 CC Art. 285 - 1 La contribution d'entretien doit correspondre aux besoins de l'enfant ainsi qu'à la situation et aux ressources de ses père et mère; il est tenu compte de la fortune et des revenus de l'enfant. |
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1 | La contribution d'entretien doit correspondre aux besoins de l'enfant ainsi qu'à la situation et aux ressources de ses père et mère; il est tenu compte de la fortune et des revenus de l'enfant. |
2 | La contribution d'entretien sert aussi à garantir la prise en charge de l'enfant par les parents et les tiers. |
3 | Elle doit être versée d'avance. Le juge fixe les échéances de paiement. |
Amtsbefugnisse und -pflichten stehen der Vormundschaftsbehörde auch gegenüber
einem
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geschiedenen Ehegatten zu, dem im Scheidungsurteil die elterliche Gewalt
zugewiesen worden ist (BGE 56 II S. 79 ff.). Daher bedeutet es weder eine
Einschränkung der elterlichen Gewalt als solcher noch eine Zuweisung
besonderer, ihr nicht schon von Gesetzes wegen zukommender Aufsichtsbefugnisse
an die Vormundschaftsbehörde gegenüber Kindern aus geschiedener Ehe, wenn sie
durch das Scheidungsgericht eingeladen wird, auf die Erziehung der einem
Elternteil zugeteilten Kinder ihr Augenmerk zu richten. Mit einem solchen
Hinweis wird nur bezweckt, die Kinder der Sorge der zu ihrem Schutze berufenen
Behörden anzuempfehlen, wozu in Scheidungsfällen oft genug - und gerade auch
hier - Veranlassung besteht. Ubrigens ist nach § 60 des zürcherischen
Einführungsgesetzes zum ZGB jeder Beamte, im besondern jeder Gerichts- und
Polizeibeamte, «der in Ausübung seines Amtes Kenntnis von einem Falle erhält,
welcher das vormundschaftliche Einschreiten rechtfertigt», verpflichtet, der
Vormundschaftsbehörde davon Anzeige zu machen, und es liegt durchaus im Sinne
einer wirksamen Kinderfürsorge, dass das Scheidungsgericht - sei es durch ein
blosses Schreiben oder durch Ubermittlung einer Urteilsausfertigung oder eines
Auszuges der betreffenden Erwägungen - die Vormundschaftsbehörde auf gewisse
Gefährdungsmomente aufmerksam macht, die zwar zur Zeit weder den Entzug noch
eine Einschränkung der elterlichen Gewalt rechtfertigen, jedoch früher oder
später zu einem Einschreiten Anlass geben können. Ob der Beschluss, die Sache
dergestalt der Vormundschaftsbehörde zu unterbreiten, in das Urteilsdispositiv
aufgenommen wird oder nicht, ist dabei unerheblich. In jedem Falle handelt es
sich um eine Massnahme, die sich gar nicht auf die Auseinandersetzung der
Ehestreitparteien bezieht und wodurch auch die rechtliche Stellung des
Inhabers der elterlichen Gewalt nicht beeinträchtigt wird.
Ist also die Beklagte durch das angefochtene Urteil nicht beschwert, so
erweist sich die Berufung als
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unzulässig. Sollte sie sich künftig durch Massnahmen der Vormundschaftsbehörde
in ihren Elternrechten verletzt fühlen, so bleibt es ihr natürlich unbenommen,
die Rechtsbehelfe geltend zu machen, die ihr dagegen zustehen mögen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.