S. 112 / Nr. 22 Obligationenrecht (d)

BGE 60 II 112

22. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Mai 1934 i. S. Katholische
Kirchgemeinde Balgach gegen Zünd.

Regeste:
Haftung des Dienstherrn für Schutzmassnahmen, Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR.
Eidgenössisches Zivilrecht, nicht kantonales öffentliches Recht anwendbar auf
das Verhältnis der Beklagten zu dem mit dem sog. Prozessionsschiessen
betrauten Kläger, der nicht die Stellung eines Beamten hat (Erw. 1).
Dienstvertrag, nicht Auftrag, ist auf Grund der konkreten Umstände anzunehmen.
(Erw. 2).
Die Instruktions- und Schutzpflicht des Dienstherrn nach Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR erstreckt
sich nicht auf offensichtliche Gefahren und selbstverständliche
Schutzmassnahmen. Nichtbeachtung solcher durch den Dienstpflichtigen fällt ihm
als Selbstverschulden zur Last (Erw. 3).


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A. - In der katholischen Kirchgemeinde Balgach besteht, wie dies auch
andernorts der Fall ist, die Übung, am Fronleichnamsfest zur Erhöhung der
Feierlichkeit mit Mörsern zu schiessen. Mit der Durchführung des Schiessens
betraute der Kirchenpfleger als hiezu zuständiges Organ der Beklagten seit
ungefähr 8 Jahren jeweils den Kläger, der von Beruf Landwirt ist, nebst einem
zweiten Mann als Gehülfen. Ein besonderes Schiessreglement bestand nicht, und
ebenso wurden den sogenannten Prozessionsschiessern von den Organen der
Beklagten keine näheren Instruktionen erteilt; die Schützen wurden lediglich
jeweilen, bevor sie ihre Funktionen zum ersten Mal ausübten, von ihren
Vorgängern in der Handhabung der Mörser unterwiesen. Dagegen hat die Beklagte
die Prozessionsschiesser neben ihrem übrigen Personal (Messmer, Läuter) gegen
Betriebsunfälle bei der «Zürich-Unfall» versichert. Die Unfallversicherung ist
mit einer Haftpflichtversicherung in der Weise kombiniert, dass die
Versicherungsleistungen in erster Linie zur Deckung von Verpflichtungen der
Beklagten aus Haftpflicht dienen sollen. Die Versicherungssumme beträgt für
die Prozessionsschiesser 6000 Fr. bei Todesfall und Ganzinvalidität; ferner
kommt die Versicherung für die Heilungskosten und ein Taggeld von 6 Fr. für
die Dauer der ärztlichen Behandlung bei allen Betriebsunfällen auf.
Anlässlich des Fronleichnamsschiessens vom 4. Juni 1931 verunfallte der Kläger
in der folgenden Weise: Nachdem er, nach seiner eigenen Darstellung neben dem
Mörser sitzend, die ca. 10 cm lange Zündschnur mit seiner Zigarre in Brand
gesetzt hatte, erhob er sich, um in dem durch den benachbarten Weg gebildeten
Geländeeinschnitt Deckung zu suchen. Er glitt jedoch auf dem etwas
abschüssigen Gelände, auf dem der Mörser aufgestellt war, aus und kam vor
diesem zu Fall. Unmittelbar darauf erfolgte die Entladung, der Kläger wurde
getroffen und es wurde ihm der rechte Unterschenkel zertrümmert, der ihm in
der Folge im Kantonsspital St. Gallen etwa

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handbreit unterhalb des Knies abgenommen werden musste.
B. - Mit der vorliegenden, am 29. Februar 1932 eingeleiteten Klage hat der
Kläger von der Beklagten die Bezahlung des Betrages von 26599 Fr. 80 Cts.
nebst 5% Zins seit 23. Dezember 1931 als Schadenersatz für die Folgen seines
Unfalles, für den die Beklagte verantwortlich sei, verlangt. Die Beklagte hat
das Bestehen einer Haftpflicht bestritten und die Abweisung der Klage
beantragt.
C. - Das Bezirksgericht Unterrheintal hat mit Urteil vom 6. Februar 1933 die
Klage im Betrage von 13539 Fr. nebst 5% Zins seit 23. Dezember 1931 geschützt,
im Mehrbetrage abgewiesen.
D. - Auf Appellation beider Parteien hin, wobei der Kläger seine Klage auf den
Betrag von 18794 Fr. 60 nebst 5% Zins seit 23. Dezember 1931 reduzierte, hat
das Kantonsgericht des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 22. Juni, den
Parteien zugestellt am 12. Juli 1933, die Klage im Betrage von 11763 Fr. 20
Cts. nebst 5% Zins seit 1. März 1932 geschützt, im Mehrbetrage abgewiesen.
E. - Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig und in der
vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage, eventuell auf Rückweisung der Sache
an die Vorinstanz zur Aktenvervollständigung und neuen Entscheidung.
F. - ...
G. - An der heutigen Verhandlung hat die Beklagte ihre Berufungsanträge
wiederholen lassen, während der Kläger auf Abweisung der Berufung und
Bestätigung des angefochtenen Entscheides angetragen hat.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Berufung stützt sich in erster Linie darauf, dass die Vorinstanz zu
Unrecht eidgenössisches Zivilrecht

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an Stelle des massgebenden kantonalen öffentlichen Rechtes angewendet habe.
Nach öffentlichem Recht aber beurteilt sich die Streitsache nach der
Auffassung der Beklagten deshalb, weil das Fronleichnamsschiessen als Teil
einer Kultushandlung anzusehen sei und weil der Kläger das Schiessen auf Grund
einer ihm aus öffentlichem Recht eingeräumten Kompetenz besorgt habe. Dieser
Argumentation kann jedoch nicht beigetreten werden. Ob das
Prozessionsschiessen überhaupt als Kultushandlung oder wenigstens als
fakultativer Teil einer solchen anzusehen ist, kann hier als unerheblich
dahingestellt bleiben. Die Frage des anwendbaren Rechtes entscheidet sich
nämlich nicht nach dem Inhalt der dem Kläger übertragenen Aufgabe, sondern
einzig und allein nach der Rechtsnatur des zwischen den Parteien bestehenden
Rechtsverhältnisses, und da kann kein Zweifel darüber bestehen, dass der
Kläger zu der Beklagten in einem rein privatrechtlichen Vertragsverhältnis
stand. Vom öffentlichen Recht würde das Verhältnis der Parteien nur dann
beherrscht, wenn der Kläger als Beamter der beklagten Kirchgemeinde anzusehen
wäre. Denn die Beklagte ist gemäss Art. 56 Ziffer 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 56 - Der Sitz der juristischen Personen befindet sich, wenn ihre Statuten es nicht anders bestimmen, an dem Orte, wo ihre Verwaltung geführt wird.
des st. gallischen
Einführungsgesetzes zum ZGB eine kirchliche Körperschaft, für die Art. 59
Absatz 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 59 - 1 Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
1    Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
2    Personenverbindungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, stehen unter den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.
3    Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften verbleiben unter den Bestimmungen des kantonalen Rechtes.
ZGB das kantonale öffentliche Recht vorbehält, und zwar ist sie, da
durch Art. 23 der Verfassung des Kantons St. Gallen vom 16. November 1890 der
katholischen Konfession die Stellung einer Landeskirche eingeräumt ist, den
öffentlich-rechtlichen Korporationen gleichgestellt (EGGER, Anm. 23 zu Art. 59
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 59 - 1 Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
1    Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
2    Personenverbindungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, stehen unter den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.
3    Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften verbleiben unter den Bestimmungen des kantonalen Rechtes.

ZGB; LAMPERT, Die kirchlichen Stiftungen, Anstalten und Körperschaften, S.
31), was zur Folge hat, dass ihre Ämter den Charakter öffentlicher Ämter
erhalten (LAMPERT, S. 62) und die diesbezüglichen Rechtsverhältnisse dem
öffentlichen Recht unterstehen. Dass aber die Tätigkeit als
Prozessionsschiesser Beamteneigenschaft verleihe, behauptet die Beklagte
selber nicht; abgesehen hievon müsste diese Frage verneint werden. Wie nämlich

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das Bundesgericht in Übereinstimmung mit der in der Wissenschaft herrschenden
Meinung schon wiederholt entschieden hat, besteht das Kriterium der
Beamteneigenschaft nicht in der Art der übertragenen Tätigkeit, da sich der
Staat, überhaupt die Körperschaft öffentlichen Rechtes, bei der Erfüllung
ihrer Aufgaben neben besonders hiefür geschaffenen öffentlichen Ämtern auch
des privatrechtlichen Vertrages bedienen kann. Massgebend für die Entscheidung
der Frage, welche dieser beiden Möglichkeiten die öffentlichrechtliche
Körperschaft gewählt hat, ist vielmehr das Bestehen oder Nichtbestehen eines
besondern Gewaltverhältnisses zwischen dieser letzteren und dem Privaten, auf
Grund dessen dieser neben der Verpflichtung zur gewissenhaften Erfüllung
bestimmter Aufgaben ganz allgemein eine Treue- und Gehorsamspflicht übernimmt,
zu deren Erfüllung er - und das ist das ausschlaggebende - zwangsweise
verhalten werden kann (FLEINER, Schweiz. Bundesstaatsrecht, S. 241; BGE 54 II
S. 120
ff.; 47 II S. 45). An diesem besonderen Gewaltverhältnis, das erst dem
Kläger Beamteneigenschaft verleihen würde, fehlt es aber im vorliegenden Fall.
Der Kläger hat durch privatrechtlichen Vertrag die Aufgabe übertragen
erhalten, eine Anzahl Schüsse abzufeuern; wäre er dieser seiner
Vertragspflicht nicht nachgekommen, so hätte er weder durch disziplinarischen
Zwang dazu verhalten werden können, noch hätte er eine disziplinarische
Bestrafung wegen Ungehorsam, Amtspflichtverletzung oder dergleichen zu
befürchten gehabt. Beurteilt sich somit das Rechtsverhältnis der Parteien nach
den Grundsätzen des Privatrechtes, so ist die sachliche Zuständigkeit des
Bundesgerichtes gegeben, und es ist materiell auf die Sache einzutreten.
2.- In der Sache selbst fragt sich zunächst, ob zwischen den Parteien ein
Dienstvertrag bestanden hat, wie die Beklagte in ihrer Berufung geltend macht,
oder aber, ob mit den beiden Vorinstanzen die Regeln über den Auftrag zur
Anwendung zu bringen sind.

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An sich könnte die vom Kläger übernommene Aufgabe ebensogut Gegenstand eines
Auftrages, wie eines Dienstvertrages sein. Denn während einerseits dem
Zeitmoment, das für den Dienstvertrag kennzeichend ist, eine wesentliche
Bedeutung zukam, da der Kläger und sein Gehilfe Metzler für den betreffenden
Tag verpflichtet wurden, so bezog sich anderseits der Inhalt ihrer
Verpflichtung auf die Durchführung einer ihrem Gegenstand nach bestimmt
umgrenzten Aufgabe, was die Vorinstanz veranlasst hat, das Vorliegen eines
Auftragsverhältnisses anzunehmen. Aus verschiedenen Begleitumständen ist hier
indes auf ein Dienstvertragsverhältnis zu schliessen; für ein solches spricht
vor allem der Umstand, dass die Beklagte die Prozessionsschiesser in die
Kollektiv-Unfallversicherung ihres Personals gegen Betriebsunfälle einbezogen
hat; einen blossen Beauftragten in dieser Weise zu versichern, ist nicht
üblich. Auf einen Dienstvertrag weist ferner hin, dass die Beklagte dem Kläger
das erforderliche Material und Handwerkszeug, nämlich die Mörser und die
Munition, zur Verfügung stellte, wie dies nach Art. 338
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 338 - 1 Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt das Arbeitsverhältnis.
1    Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt das Arbeitsverhältnis.
2    Der Arbeitgeber hat jedoch den Lohn für einen weiteren Monat und nach fünfjähriger Dienstdauer für zwei weitere Monate, gerechnet vom Todestag an, zu entrichten, sofern der Arbeitnehmer den Ehegatten, die eingetragene Partnerin, den eingetragenen Partner oder minderjährige Kinder oder bei Fehlen dieser Erben andere Personen hinterlässt, denen gegenüber er eine Unterstützungspflicht erfüllt hat.211
OR beim Dienstvertrag
die Regel ist. Mit Rücksicht hierauf ist daher entgegen der Auffassung der
Vorinstanz, das Verhältnis der Parteien als Dienstvertrag zu betrachten, wie
dies das Bundesgericht schon in einem früheren, analogen Falle, bei dem
ebenfalls ein Prozessionsschiesser verunfallt war, entschieden hat
(nicht-publizierter Entscheid vom 20. Dezember 1933 i. S. Katholische
Kirchgemeinde Baar c. Dossenbach).
3.- Die Verantwortlichkeit der Beklagten als Dienstherrin für den ihrem
Angestellten zugestossenen Unfall bestimmt sich nun danach, ob dieser Unfall
darauf zurückzuführen ist, dass die Beklagte die ihr durch Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR
überbundene Pflicht zur Vorkehr von Schutzmassregeln in schuldhafter Weise
verletzt hat. Beweispflichtig ist hiebei der Kläger für die Verletzung der
Schutzpflicht durch die Beklagte und den Eintritt eines damit in ursächlichem
Zusammenhang stehenden Schadens, während dann

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der Beklagten der Beweis des Nichtverschuldens offen steht (BECKER, Anm. 12 zu
Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR; BGE 31 II S. 237).
Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR verpflichtet, wie das Bundesgericht mit Rücksicht auf den sozialen
Zweck dieser Bestimmung in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, den
Dienstherrn dazu, die Arbeit dergestalt zu organisieren, dass Leben und
Gesundheit des Dienstpflichtigen möglichst geringen Gefahren ausgesetzt sind;
er hat an den Betriebsanlagen die erforderlichen Schutzvorrichtungen
anzubringen und den Dienstpflichtigen auf die Gefahren aufmerksam zu machen,
die die Bedienung einer Betriebeanlage, wie überhaupt die Ausführung einer ihm
übertragenen Dienstleistung in sich schliesst (vgl. den erwähnten Entscheid i.
S. Katholische Kirchgemeinde Baar c. Dossenbach vom 20. Dezember 1933; BGE 56
II S. 280
, 57 II S. 167 und dort zitierte frühere Entscheide). Die Pflichten
des Dienstherrn sind indessen nicht unbegrenzt, wie schon der Wortlaut des
Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR zeigt, der den Dienstherrn zu denjenigen Schutzmassnahmen
verpflichtet, die mit Rücksicht auf das einzelne Dienstverhältnis und die
Natur der Dienstleistung ihm billigerweise zugemutet werden können. Auf
Gefahren, die offen zu Tage liegen und auch dem Dienstpflichtigen ohne
weiteres erkennbar sind, hat der Dienstherr nicht besonders aufmerksam zu
machen, und ebenso braucht er dem Dienstpflichtigen diejenigen
Verhaltungsmassregeln nicht noch besonders zu erteilen, die so
selbstverständlich sind, dass man ohne weiteres erwarten darf, der
Dienstpflichtige werde sie von sich aus beachten (BECKER, Anm. 2,
OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 12 zu Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR; BGE 45 II S. 430; 46 II S. 466; 48
II S. 111). Um eine solche, auch für den Kläger ohne weiteres erkennbare
Gefahr handelte es sich im vorliegenden Fall. Denn es lag für ihn auf der
Hand, dass das Mörserschiessen mit erheblichen Gefahren verbunden und daher
Vorsicht geboten sei. Ebenso musste der Kläger ohne weiteres erkennen, dass

Seite: 119
das Anzünden der Zündschnur aus sitzender Stellung und dazu mit der Zigarre
insbesondere im Hinblick auf die Abschüssigkeit des Geländes, das an und für
sich schon vorhandene Gefahrsmoment ausserordentlich erhöhte: Musste er doch
bei diesem Vorgehen, nachdem die Zündschnur in Brand gesetzt war, zuerst
aufstehen, so dass die Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, beträchtlich
verkürzt wurde; zudem bestand die Gefahr, auf dem abschüssigen Gelände
auszugleiten. Ein weiteres, ebenfalls gefahrerhöhendes und dem Kläger wiederum
erkennbares Moment bedeutete sodann die Verwendung von zu kurzen Zündschnüren.
Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz ist die Brenndauer einer
ca. 12 cm langen Zündschnur, wie sie vom Kläger verwendet wurde, höchstens 13
Sekunden, sodass schon die geringste Verzögerung nach deren Anzünden
verhängnisvoll wirken konnte. Ebenso selbstverständlich, wie die erwähnten
Gefahrsmomente, waren aber auch die geeigneten Schutzvorkehren, die dem Kläger
zu Gebote standen, um die Gefahr auf ein möglichst geringes Mass zu
reduzieren: Das Anzünden der Zündschnüre im Stehen und in einer Weise, bei der
unverzüglich feststellbar war, ob die Schnur wirklich brenne, also z. B. mit
einem Zündholz, statt mit der Zigarre, und schliesslich die Verwendung von
Zündschnüren von ausreichender Länge. Dabei ist hervorzuheben, dass dem Kläger
solche zur Verfügung standen, da nach dem Unfall sein Gehilfe Metzler bei den
bereits geladenen, aber noch nicht abgefeuerten Mörsern die angebrachten
Zündschnüre durch längere ersetzte; auch war der Kläger am Morgen des
Unfalltages durch den Zeugen Eduard Zünd wegen der zu kurzen Zündschnüre
gewarnt worden. Dieses Ausserachtlassen der elementarsten Vorsicht durch den
Kläger, auf das der Unfall zurückzuführen ist, bedeutet ein schweres
Verschulden des Klägers, auf Grund dessen er die Schadensfolgen des Unfalles
an sich zu tragen hat; denn auf so offenkundige Gefahren selbstverständliche
Schutzvorkehren hat der

Seite: 120
Dienstherr nur dann aufmerksam zu machen, wenn er z. B. wegen Jugendlichkeit,
geistiger Beschränktheit oder mangelnder Einsicht des Dienstpflichtigen damit
rechnen muss, dass dieser nicht von sich aus die Gefahr erkennen und sich
demgemäss verhalten werde (BGE 56 II S. 280; 57 II S. 168; nicht publizierter
Entscheid i. S. Hochstrasser c. Stadelmann vom 4. Oktober 1933). Dass einer
dieser Ausnahmefälle auf ihn zutreffe, behauptet der Kläger indes selber
nicht; es finden sich in den Akten auch keine Anhaltspunkte in dieser
Richtung.
Unter diesen Umständen ist es unerheblich, dass die Beklagte überhaupt nichts
vorgekehrt hat, was als Schutzvorkehr im Sinne von Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR gelten könnte,
wie z. B. Erlass eines Schiessreglementes, Aufstellen allgemeiner
Instruktionen etc. Da angesichts des ganzen Verhaltens des Klägers zu
schliessen ist, dass er auch bei Bestehen derartiger Vorschriften nicht anders
vorgegangen wäre, so fehlt der nach Art. 339 erforderliche Kausalzusammenhang
zwischen der Nachlässigkeit der Beklagten und dem nachher eingetretenen
Unfall.
4.- Fehlt es mithin an den Voraussetzungen für eine Haftbarkeit der Beklagten
für den Schaden des Klägers, so ist die Klage in Aufhebung des angefochtenen
Urteils abzuweisen, ohne dass auf die Frage der Schadenshöhe eingetreten
werden muss.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen und demgemäss wird das Urteil des
Kantonsgerichtes des Kantons St. Gallen vom 22. Juni 1933 aufgehoben und die
Klage abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 60 II 112
Datum : 01. Januar 1934
Publiziert : 16. Mai 1934
Quelle : Bundesgericht
Status : 60 II 112
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Haftung des Dienstherrn für Schutzmassnahmen, Art. 339 OR.Eidgenössisches Zivilrecht, nicht...


Gesetzesregister
OR: 338 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 338 - 1 Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt das Arbeitsverhältnis.
1    Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt das Arbeitsverhältnis.
2    Der Arbeitgeber hat jedoch den Lohn für einen weiteren Monat und nach fünfjähriger Dienstdauer für zwei weitere Monate, gerechnet vom Todestag an, zu entrichten, sofern der Arbeitnehmer den Ehegatten, die eingetragene Partnerin, den eingetragenen Partner oder minderjährige Kinder oder bei Fehlen dieser Erben andere Personen hinterlässt, denen gegenüber er eine Unterstützungspflicht erfüllt hat.211
339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
ZGB: 56 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 56 - Der Sitz der juristischen Personen befindet sich, wenn ihre Statuten es nicht anders bestimmen, an dem Orte, wo ihre Verwaltung geführt wird.
59
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 59 - 1 Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
1    Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
2    Personenverbindungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, stehen unter den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.
3    Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften verbleiben unter den Bestimmungen des kantonalen Rechtes.
BGE Register
31-II-235 • 45-II-425 • 54-II-120 • 56-II-278 • 60-II-112
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
angehöriger der armee • arbeitnehmer • ausgabe • beklagter • bezogener • bundesgericht • charakter • dauer • deckung • entscheid • form und inhalt • frage • funktion • haftpflichtversicherung • kantonales rechtsmittel • kantonsgericht • kausalzusammenhang • kennzeichen • kirchgemeinde • kirchliche stiftung • körperschaft • landwirt • leben • maler • mann • mass • munition • privatrechtliche haftung • rechtsnatur • römisch-katholische kirche • sachliche zuständigkeit • schaden • schadenersatz • schutzmassnahme • schweres verschulden • selbstverschulden • sorgfalt • stelle • tag • verfassung • verhalten • versicherer • vorinstanz • weiler • wiederholung • zahl • zeuge • zins • zweifel • öffentlich-rechtliches dienstverhältnis • öffentlichrechtliche körperschaft