S. 55 / Nr. 9 Registersachen (d)

BGE 60 I 55

9. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. März 1934 i. S. Fridolin Schwitter
Aktiengesellschaft gegen Eidgen. Amt für das Handelsregister.

Regeste:
Kollektivzeichnungsberechtigung eines Verwaltungsratsmitglieds mit einem
Prokuristen: Zweifel über die rechtliche Tragweite einer solchen im einzelnen
Fall berechtigen die Handelsregisterbehörde nicht, die Eintragung zu
verweigern, da ein Verstoss gegen Art. 1. rev. VO II nicht vorliegt.

A. - Ende Dezember 1933 wurde in Basel die Fridolin Schwitter
Aktiengesellschaft gegründet, welche die bis anhin von Fridolin Schwitter,
Vater, betriebene Clichéfabrik und Graphische Kunstanstalt in Basel und Zürich
übernahm. Durch die konstituierende Generalversammlung vom 26. Dezember 1933
wurde der Verwaltungsrat aus den beiden Söhnen des ursprünglichen
Firmeninhabers, nämlich Fridolin Schwitter als Präsident mit
Einzelunterschrift, und Josef Schwitter, gebildet. Ferner bestimmte die
Generalversammlung auf Grund der ihr durch § 13 Ziffer 7 der Statuten
eingeräumten Befugnis, dass das zweite Verwaltungsratsmitglied, Josef
Schwitter,

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kollektivzeichnungsberechtigt sei mit dem zum Prokuristen gewählten Friedrich
Elsässer. Dieser letztere Beschluss wurde vom Handelsregisteramt des Kantons
Basel-Stadt auf Anmeldung hin am 18. Januar 1934 eingetragen. Das
eidgenössische Amt für das Handelsregister weigerte sich jedoch mit Schreiben
vom 23. Januar 1934, diese Eintragung zu genehmigen, mit der Begründung, dass
durch die vorgesehene Regelung das Verwaltungsratsmitglied Josef Schwitter in
seinen Vertretungsbefugnissen beschränkt sei auf den Umfang der Prokura,
während grundsätzlich ein Verwaltungsratsmitglied in der Lage sein sollte, die
volle Unterschrift zu führen. Es schlug daher der Beschwerdeführerin vor, die
Vertretung dahin abzuändern, dass an Elsässer die volle Unterschrift erteilt,
also der Satz betreffend die Prokuraerteilung gestrichen und gesagt würde:
«Die Gesellschaft erteilt an Elsässer die volle Unterschrift; er zeichnet
kollektiv mit dem Verwaltungsratsmitglied Josef Schwitter». Für den Fall, dass
sie mit dieser Regelung nicht einverstanden sei, wurde die Aktiengesellschaft
auf den Weg der verwaltungsrechtlichen Beschwerde verwiesen.
B. - Gegen die Weigerung des eidgenössischen Amtes hat die Fridolin Schwitter
Aktiengesellschaft rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form die
verwaltungsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht eingereicht mit dem
Begehren, es sei die Verfügung des eidgenössischen Amtes vom 23. Januar 1934
aufzuheben und es sei die am 19. Januar 1934 unter No. 120 im Journal des
Handelsregisterbureau in Basel erfolgte Eintragung über die Fridolin Schwitter
Aktiengesellschaft zu genehmigen, eventuell sei das eidgenössische Amt zu
verhalten, die Anmeldung zu genehmigen und zu publizieren.
C. - Das eidgenössische Amt hat in seiner Vernehmlassung die Abweisung der
Beschwerde beantragt. Es hält an seiner Auffassung fest, dass die Kombination
der Unterschrift eines Verwaltungsratsmitgliedes mit derjenigen eines
Prokuristen unzulässig sei, da dadurch Zweifel

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über die Tragweite der Unterschrift entstünden, was für Handel und Verkehr
wenig dienlich sei und einem der vornehmsten Zwecke des Handelsregisters,
nämlich der Klarstellung bestehender Rechtsverhältnisse, zuwiderlaufe. Für den
Fall des Unterliegens ersucht das eidgenössische Amt, es sei aus
grundsätzlichen Erwägungen von der Auferlegung rechtlicher und
ausserrechtlicher Kosten abzusehen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die streitige Frage, ob es der Beschwerdeführerin gestattet sei neben
ihrem zur Einzelunterschrift berechtigten Verwaltungsratspräsidenten dem
zweiten Verwaltungsratsmitglied die Vertretungsbefugnis bloss in einem
beschränkten Umfang, nämlich in der Form der Kollektivunterschrift mit einem
Prokuristen, einzuräumen, gehört ihrer Natur nach dem Gebiet des materiellen
Privatrechtes an, da sie die Gestaltung der Rechts- und Handlungsfähigkeit der
Aktiengesellschaft beschlägt. Das Registerrecht kann mit ihr nur indirekt in
Beziehung gebracht werden, nämlich mit Rücksicht darauf, dass die
Vollmachtserteilung zur Zeichnung für eine Aktiengesellschaft im
Handelsregister eingetragen sein muss und es zur Aufgabe der Registerbehörde
gehört, diese Eintragung zu überwachen. Der Rahmen, innerhalb dessen sich die
Kognition der Registerbehörde bei der Erfüllung dieser Aufgabe zu halten hat,
ist durch Art. 1 der rev. VO II von 1918 bestimmt, der den Grundsatz
aufstellt, dass Eintragungen im Handelsregister wahr sein müssen, zu keinen
Täuschungen Anlass geben und keinem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen
dürfen. Im Bereiche dieser drei Punkte hat die Registerbehörde die Rechtsakte,
um deren Eintragung sie angegangen wird, sowohl nach der formellen wie nach
der materiellen Seite zu überprüfen; darüber hinaus aber ist sie nicht befugt,
über die von den Vertragsparteien begründeten Rechtsverhältnisse irgendwelche
Entscheidungen zu treffen, sondern dies ist gegebenenfalls Sache der zivilen
Gerichtsbarkeit.

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2.- Die Überprüfung des vorliegenden Sachverhaltes nach diesen Gesichtspunkten
ergibt nun, dass von einem Verstoss gegen die drei erwähnten Grundsätze nicht
gesprochen werden kann. Dass die geforderte Eintragung mit den tatsächlich
bestehenden Verhältnissen nicht im Einklang stehe, wird vom eidgenössischen
Amt selber gar nicht behauptet. Ebenso ist nicht einzusehen, wieso der Eintrag
der von der Beschwerdeführerin gewünschten Regelung ihrer
Vertretungsverhältnisse zu Täuschungen Anlass geben könnte. Ergibt sich doch
aus dem Eintrag klar und unzweideutig, dass nur der Verwaltungsratspräsident
zur Führung der Einzelunterschrift für die Gesellschaft berechtigt ist,
während die Vertretungsbefugnisse des zweiten Verwaltungsratsmitgliedes nur
beschränkte sind. Dabei ist allerdings zuzugeben, dass im einzelnen Fall, wie
das eidgenössische Amt befürchtet und zur Begründung seiner Weigerung
hervorhebt, gewisse Zweifel über die Tragweite der vorgesehenen
Unterschriftskombination zwischen einem Verwaltungsratsmitglied und einem
Prokuristen entstehen könnten Dies dann, wenn das Verwaltungsratsmitglied
zusammen mit dem Prokuristen in einer Sache zeichnet, die den Rahmen einer
blossen Prokura überschreitet und sich damit die Frage erhebt, ob nun diese
Kollektivzeichnung die Gesellschaft verpflichte oder nicht. Die Möglichkeit
der Entstehung von Zweifeln darf aber dem im Gesetz genannten Begriff des
«Anlasses zu Täuschungen» nicht gleichgeachtet werden; die beiden Begriffe
sind durchaus verschieden geartet, ja sie schliessen sich geradezu gegenseitig
aus: Während eine durch täuschende Angaben hervorgerufene irrtümliche
Vorstellung von demjenigen, der sie hegt, als richtig betrachtet wird, fehlt
beim Vorliegen eines Zweifels gerade diese Gewissheit. Hätte die rev.
Verordnung II auch der Entstehung von Zweifeln über die Tragweite eines von
den Parteien vorgenommenen Rechtsgeschäftes vorbeugen wollen, so hätte sie das
deutlich sagen müssen. Es liegt wohl auch für jedermann auf der

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Hand, dass es dem Gesetzgeber niemals im Ernst hätte einfallen können, eine
solche Vorschrift zu erlassen.
Endlich verstösst die streitige Eintragung auch nicht gegen ein öffentliches
Interesse. Auch unter diesem Gesichtspunkte kann die Gefahr von
Meinungsverschiedenheiten über die Tragweite der Unterschriftskombination
nicht beanstandet werden. Der Umstand, dass ein Rechtsakt geeignet ist,
hinsichtlich seiner rechtlichen Wirkungen verschiedenen Interpretationen Raum
zu geben, kann niemals dazu führen, ihn als dem öffentlichen Interesse
zuwiderlaufend und damit als unstatthaft zu behandeln und dessen Vornahme von
Amtes wegen zu verhindern. Eine derartige Prophylaxis wäre mit dem Grundsatz
der Handlungsfreiheit nicht mehr vereinbar.
Kann somit die Eintragung unter keinem der in Art. 1 rev. VO II genannten
Gesichtspunkte beanstandet werden, so ist die Beschwerde zu schützen.
3.- Was die Kostenfrage anbelangt, zu der der Beschwerdebeklagte für den Fall
seines Unterliegens ebenfalls Anträge gestellt hat, so sind gemäss der
bisherigen Praxis des Bundesgerichtes im Hinblick auf Art. 221 Abs. 4 OG der
unterliegenden Behörde keine Gerichtskosten aufzuerlegen (BGE 57 I S. 242).
Dagegen ist wegen der besonderen Umstände des Falles der Beschwerdebeklagte
zur Bezahlung einer ausserrechtlichen Entschädigung an die Beschwerdeführerin
zu verpflichten. Die hiefür in Art. 224 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 221 Abs.
2 OG aufgestellte Voraussetzung, dass die Anhebung oder Veranlassung des
Streites die Zusprache einer Prozessentschädigung rechtfertigen müsse, ist
hier erfüllt. Denn das eidgenössische Amt hat über seine Kompetenz hinaus in
einer rein zivilrechtlichen Angelegenheit verfügt; deshalb soll der
Beschwerdeführerin auch wie in einer zivilrechtlichen Streitsache
Prozessentschädigung geleistet werden.

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Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird geschützt und demgemäss die Verfügung des eidgenössischen
Amtes für das Handelsregister vom 23. Januar 1934 aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 60 I 55
Datum : 01. Januar 1934
Publiziert : 27. März 1934
Quelle : Bundesgericht
Status : 60 I 55
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Kollektivzeichnungsberechtigung eines Verwaltungsratsmitglieds mit einem Prokuristen: Zweifel über...


Gesetzesregister
OG: 221  224
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57-I-236 • 60-I-55
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