S. 242 / Nr. 59 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 59 III 242

59. Entscheid vom 12. Oktober 1933 i. S. Schäublin.

Regeste:
Ablehnung der Admassierung des Modells einer Maschine, deren Erfindung durch
den Gemeinschuldner noch nicht bis in alle Einzelheiten vollendet ist, sofern
der Materialwert nur verhältnismässig gering ist.
Refus de comprendre dans la masse le modèle d'une machine dont l'invention
n'est pas encore complètement terminée par le failli, en tant que la valeur de
l'objet tel quel n'est pas considérable.
Rifiuto di comprendere nelle massa il modello di una macchina di cui
l'invenzione non è ancora finita in tutti i particolari, se il valore
materiale dell'oggetto non é considerevole.


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A. - Bei der Inventaraufnahme im Konkurs über Hugo Allemann, mechanische
Werkstätte, in Bettlach, der sich seit Jahren «mit Erfindungen von Maschinen
für die Uhrenindustrie beschäftigt» und früher einmal eine neue Maschine
erfunden hatte, fand sich «eine in Arbeit befindliche neue Konstruktion einer
Bohrmaschine» vor, über welche der Gemeinschuldner die Auskunft gab, die
Bohrer zerbrechen noch, weshalb er «eine Umänderung und Verbesserung vornehmen
müsse, bevor die Maschine brauchbar sei». Der beigezogene Sachverständige,
Maschinenfabrikant Sallaz, schätzte die «halbfertige automatische
Bohrmaschine» auf 400 Fr. Das Konkursamt bezeichnete die «unvollständige
Erfindung des Konkursiten» als «Kompetenzstück» und sah von dessen
Admassierung ab, «weil diese unvollendete Erfindung für einen Dritten kaum
einen Wert haben werde».
An der ersten Gläubigerversammlung wendete sich der Maschinenfabrikant
Schäublin in Bévilard-Malleray gegen die Ausscheidung der «unvollendeten,
halbfertigen Erfindung des Konkursiten, der automatischen Bohrmaschine«als
«Kompetenzstück», die der Gemeinschuldner seinerzeit zu 50000 Fr. feilgeboten
habe und für die im Konkurs möglicherweise ein namhafter Betrag erlöst werden
könne. Die Maschine Bei «eine Konkurrenzmaschine zu den vor ihm (Schäublin)
selbst erstellten Maschinen», weshalb er vielleicht selbst geneigt sein würde,
einen gewissen Betrag «für diese Erfindung» zu bezahlen. Jedenfalls bekomme
man mehr als das Doppelte der Inventarschätzung «für diese unvollendete
Maschine». Es werde einem tüchtigen Mechaniker möglich sein, die Maschine
fertig zu machen. Hierauf erwiderte der Gemeinschuldner, diese unvollendete
Erfindung habe nur einen Wert, wenn er selbst die Möglichkeit erhalte, die
Maschine fertig zu bauen; auch ein noch so tüchtiger Mechaniker könne die
Erfindung nicht vollenden.
Sodann erhob Schäublin Beschwerde mit dem Antrag, es seien sowohl das
Erfinderrecht als die Bohrmaschine

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zu admassieren. Letztere bezeichnete er als neukonstruierte Bohrmaschine,
welche der Gemeinschuldner nach einer eigenen Erfindung gebaut habe. Sie sei
betriebsfähig und stelle daher für einen Fachmann zweifellos einen Wert dar.
Sollte sie noch einige Mängel aufweisen, so können diese von jedem tüchtigen
Fachmann behoben werden. Die neue Erfindung stelle einen grösseren Wert dar.
Das Erfinderrecht existiere bereits, obwohl noch keine Patentanmeldung erfolgt
sei. Die erfinderische Idee sei in der vorhandenen Bohrmaschine niedergelegt;
anhand dieses Modells könne ohne weiteres der Patentanspruch formuliert und
die weitere Herstellung solcher Maschinen bewerkstelligt werden. Der
Gemeinschuldner wolle die Maschine als neue Erfindung verwerten. Es stehe viel
weniger die Maschine als vielmehr die Erfindung in Frage; letztere
repräsentiere den eigentlichen Wert, nicht die Maschine, die jedoch nötig sei,
um die Erfindung in einem Patentanspruch formulieren und beschreiben zu
können.
Der Vernehmlassung des Konkursamtes ist zu entnehmen: Im heutigen Zustande
werde die Maschine nicht zum Patent angemeldet werden können. Der
Gemeinschuldner sei sich über die Vollendung selbst noch nicht im klaren,
weshalb er immer noch nach Verbesserungen suchen müsse. Würde die Konkursmasse
die Erfindung im jetzigen Stadium verkaufen, so würde nur ein viel geringerer
Erlös erzielt werden als später, wenn dem Gemeinschuldner die neue
Konstruktion, wofür er noch etwa 8 Monate nötig zu haben erkläre, restlos
gelinge; alsdann könnte er die Verlustscheine zurückkaufen. Der Experte Sallaz
äusserte sich dahin, nach seinem Dafürhalten werde Schäublin, aber kaum eine
andere Firma, in der Lage sein, die automatische Bohrmaschine Allemann fertig
zu machen; es seien nur noch einige Umänderungen erforderlich, und zudem
besitze Schäublin in der Fabrikation von automatischen Bohrmaschinen grosse
Erfahrungen, indem er in seinem Fabrikationsprogramm bereits eine solche
Maschine baue.

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B. - Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 25. August 1933 die Beschwerde
abgewiesen.
C. - Diesen Entscheid hat Schäublin an das Bundesgericht weitergezogen mit dem
Antrag, die Bohrmaschine sei als Massegut zu erklären.
D. - Auf ein Wiedererwägungsgesuch des Rekurrenten ist die kantonale
Aufsichtsbehörde am 3. Oktober nicht eingetreten.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Während der Rekurrent vor der Vorinstanz auf Admassierung sowohl des
Erfinderrechts des Gemeinschuldners, als auch der Bohrmaschine abzielte, hat
er ersteres im Rekurs an das Bundesgericht aufgegeben. Allein wenn er seinen
Rekursantrag nun zwar auf die Bohrmaschine, also das Modell der noch nicht
fertigen Erfindung des Gemeinschuldners beschränkt hat, so liegt doch klar zu
Tage, dass es ihm nach wie vor eigentlich um das Erfinderrecht selbst zu tun
ist. Selbst Fabrikant derartiger Maschinen, will er sich nicht einmal nur
darauf beschränken, dem Gemeinschuldner durch Wegnahme der Maschine zu
verunmöglichen, seinen in der Maschine niedergelegten Erfindergedanken weiter
zu verfolgen, bis ihm schliesslich gelingen könnte, die gewerbliche
Verwertbarkeit herauszubringen und einen Patentanspruch aufzustellen. Vielmehr
nimmt der Rekurrent in Aussicht, die Maschine selbst fertig zu stellen, was
auf die eigene Ausnützung des Erfindergedankens des Gemeinschuldners
hinausläuft. Wieso der Rekurrent glaubt, der blosse Erwerb der Maschine, also
des Modells der noch nicht vollendeten Erfindung des Gemeinschuldners, vermöge
ihn hiezu zu berechtigen, ist nicht ersichtlich, und es dürfte kaum
zweifelhaft sein, dass der Gemeinschuldner einem solchen Gebaren später mit
Erfolg würde entgegentreten können, insoweit ihm die Lösung der Aufgabe im
Ganzen schon

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gelungen und nur die Durchführung noch nicht bis in alle Einzelheiten fertig
geworden ist (vgl. Art. 16 Ziff. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
des PatG.). Allein es darf einer
Konkursverwaltung bezw. der Konkursgläubigerschaft nicht zugestanden werden,
dass sie Vorschub zum Missbrauch eines Erfindergedankens des Gemeinschuldners
leiste, der noch gar nicht die Gestalt eines Patentrechts hat annehmen können
und deshalb nicht zur Konkursmasse gehört, wie die Vorinstanz zutreffend
entschieden und der Rekurrent durch Einschränkung seines ursprünglichen
Beschwerdeantrages selbst anerkannt hat. Freilich hat dies zur Folge, dass der
Konkursmasse auch der blosse Materialwert der Maschine entgeht. Indessen
erweckt dies keine Bedenken in einem Falle wie dem vorliegenden, wo das
Material selbst einen geringen Wert hat, der nur auf einen Bruchteil der
Inventarschätzungssumme zu veranschlagen ist. In einem solchen Falle darf die
Kollision zwischen dem Recht der Konkursmasse auf den Sachwert und dem
Persönlichkeitsrecht des Gemeinschuldners, das der Verwertung des Gegenstandes
bezw. Modells seiner noch unfertigen Erfindung entgegensteht, unbedenklich zu
Gunsten des letztern entschieden werden. Als Persönlichkeitsrecht des
Erfinders ist nämlich anzuerkennen, nicht das Modell einer unfertigen
Erfindung der Oeffentlichkeit preisgeben zu müssen, weil er kompromittiert
werden könnte, wenn sein Name später in Zusammenhang mit der von einem andern
vollendeten Erfindung gebraucht würde, zu der er persönlich nicht stehen
möchte, und ferner das die Beschreibung seiner erfinderischen Gedanken
enthaltende Modell zum Zwecke der Durchführung der gefundenen Lösung bis in
alle Einzelheiten und anschliessenden Ausnützung behalten zu dürfen, sofern
nicht überwiegende Interessen der Gesamtgläubigerschaft dem entgegenstehen.
Letzteres trifft jedoch im vorliegenden Falle nicht zu, was sich schon daraus
ergibt, dass sich ausschliesslich der Rekurrent für die Admassierung einsetzt
aus Gründen, die ganz anderswo als im

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gemeinsamen Interesse sämtlicher Gläubiger zu suchen sind.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 59 III 242
Datum : 01. Januar 1932
Publiziert : 12. Oktober 1933
Quelle : Bundesgericht
Status : 59 III 242
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Ablehnung der Admassierung des Modells einer Maschine, deren Erfindung durch den Gemeinschuldner...


Gesetzesregister
PatG: 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
BGE Register
59-III-242
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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