S. 7 / Nr. 2 Familienrecht (d)

BGE 59 II 7

2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. März 1933 i. S. Buchli
gegen Schmidt.

Regeste:
Ob eine gültige öffentliche Beurkundung eines Vertrages vorliegt, beurteilt
sich ausschliesslich nach kantonalem Recht (Erw. 2). Die Erteilung der gemäss
Art. 202
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 202 - Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
ZGB erforderlichen Einwilligung der Ehefrau zur Verfügung des
Ehemannes über ihr eingebrachtes Gut ist keine Begründung einer Verpflichtung
im Sinn von Art. 177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB und bedarf daher der Zustimmung der
Vormundschaftsbehörde nicht (Erw. 3 Abs. 1).
Legitimation zur Anmeldung beim Grundbuchamt in solchem Fall
(Erw. 3 Abs. 2).
Art. 177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
, 202
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 202 - Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
und 963
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 963 - 1 Die Eintragungen erfolgen auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers des Grundstückes, auf das sich die Verfügung bezieht.
1    Die Eintragungen erfolgen auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers des Grundstückes, auf das sich die Verfügung bezieht.
2    Keiner Erklärung des Eigentümers bedarf es, wenn der Erwerber sich auf eine Gesetzesvorschrift, auf ein rechtskräftiges Urteil oder eine dem Urteil gleichwertige Urkunde zu berufen vermag.
3    Die mit der öffentlichen Beurkundung beauftragten Beamten können durch die Kantone angewiesen werden, die von ihnen beurkundeten Geschäfte zur Eintragung anzumelden.
ZGB, Art. 65
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 65 - 1 Die Vereinsversammlung beschliesst über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht andern Organen des Vereins übertragen sind.
1    Die Vereinsversammlung beschliesst über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht andern Organen des Vereins übertragen sind.
2    Sie hat die Aufsicht über die Tätigkeit der Organe und kann sie jederzeit abberufen, unbeschadet der Ansprüche, die den Abberufenen aus bestehenden Verträgen zustehen.
3    Das Recht der Abberufung besteht, wenn ein wichtiger Grund sie rechtfertigt, von Gesetzes wegen.
Schl.T. zum ZGB.

Tatbestand (gekürzt):
Am 25. Januar 1928 unterzeichneten der Beklagte als Gläubiger und der Ehemann
der Klägerin als Schuldner auf dem amtlichen Formular eine «Schuldanerkennung
und Grundpfandverschreibung», über 3500 Fr.; als Pfänder wurden darin ein
Hausanteil und drei Wiesen in Scharans bezeichnet. Am Fuss der ersten Seite
steht folgende «öffentliche Beurkundung»: «Die Ächtheit der persönlichen
Unterschriften der Herren J. P. Schmidt und Valentin Buchli werden hiemit
amtlich beglaubigt. Filisur, den 25. Januar 1928. Der Hilfsnotar: sig. G.
Schmidt» Diese Urkunde wurde am 28. Januar vom Beklagten dem Grundbuchamt
Scharans zugestellt mit dem Gesuch um Eintragung im Pfandprotokoll. Der
Grundbuchführer liess hierauf den Buchli aufs Amt

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kommen und von ihm am 30. Januar eine «Anmeldung» unterzeichnen, in welcher
auf Grund des Vertrages vom 25. Januar «um die erforderlichen Eintragungen
ersucht» wurde. Hierauf erfolgte der Eintrag im Pfandprotokoll. Einige Tage
später begab sich der Grundbuchbeamte, der unterdessen bemerkt hatte, dass die
verpfändeten Liegenschaften als Eigentum der Klägerin im Grundbuch eingetragen
waren, zur Klägerin und liess von dieser in der «Schuldanerkennung und
Grundpfandverschreibung» einen auf den 30. Januar 1928 zurückdatierten
Nachtrag unterzeichnen, gemäss welchem die Klägerin ihre Einwilligung zur
Verpfändung ihres eingebrachten Gutes durch den Ehemann erteilte.
Als der Beklagte in der Folge Betreibung auf Grundpfandverwertung anhob,
verlangte die Klägerin mit der vorliegenden Klage die Feststellung, dass dem
Beklagten keinerlei Grundpfandrechte an ihren Liegenschaften zustehe. Sie nahm
den Standpunkt ein, die zu Gunsten des Beklagten eingetragene
Grundpfandverschreibung sei ungültig, weil der Pfanderrichtungsvertrag nicht
gehörig beurkundet und zudem von der Vormundschaftsbehörde nicht gemäss Art.
177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB genehmigt worden sei.
Das Kantonsgericht des Kantons Graubünden hat festgestellt, dass die
Beurkundung des Vertrages den kantonalen Vorschriften genüge, nachdem der
Grundbuchführer sich vor der Eintragung im Pfandprotokoll vom Bestehen des
unterschriftlich bezeugten Parteiwillens beim Schuldner durch dessen Befragung
noch ausdrücklich vergewissert habe; die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde
wurde unter Hinweis auf BGE 49 II 43 als nicht erforderlich erklärt.
Eine hiegegen von der Klägerin eingereichte Berufung wurde vom Bundesgericht
abgewiesen aus folgenden
Erwägungen:
2.- Auf die Frage, ob der Vertrag auf Errichtung des Grundpfandes seinerzeit
gehörig beurkundet wurde, kann

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das Bundesgericht nicht eintreten. Bundesrechtliche Vorschriften bestehen nur
darüber, welche Verträge öffentlich beurkundet werden müssen; in welcher Weise
dagegen die öffentliche Beurkundung hergestellt wird, bestimmen gemäss Art. 55
Schl. T. die Kantone auf ihrem Gebiet abschliessend. Ob eine gültige
öffentliche Beurkundung vorliegt, beurteilt sich daher ausschliesslich nach
kantonalem Recht, dessen Handhabung einer Überprüfung durch das Bundesgericht
entzogen ist (Art. 57
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
OG; BGE 57 II 147 /8; 46 II 234).
3.- Auch einer Genehmigung der Vormundschaftsbehörde bedurfte es im
vorliegenden Falle nicht: Das Bundesgericht hat sich schon in dem von der
Vorinstanz angezogenen Urteil BGE 49 II 43 Erw. 3 (vgl. ferner 57 II 11 und 51
II 30
) mit eingehender Begründung dahin ausgesprochen, dass eine Verpfändung
von Frauengut eine dingliche Verfügung, aber keine «Verpflichtung» im Sinne
von Art. 177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB sei. Was der Vertreter der Klägerin dagegen einwendet,
ist bereits in diesem Entscheid als unstichhaltig zurückgewiesen worden,
sodass kein Anlass besteht, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen. Was aber
für eine von ihr selbst vorgenommene Verpfändung anerkannt wird, muss auch für
die Einwilligung gelten, welche die Ehefrau zu der von ihrem Ehemann
herbeigeführten Belastung der Liegenschaft erteilt: Mangels irgendwelcher
Anhaltspunkte für eine andere Regelung ist anzunehmen, dass die Ehegatten
Buchli unter dem Recht der Güterverbindung des ZGB leben. Gemäss Art. 202
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 202 - Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
ZGB
war der Ehemann befugt, die von der Klägerin eingebrachten Liegenschaften mit
ihrer Einwilligung zu verpfänden. Solange diese Einwilligung ausstand, war die
Verfügung des Mannes für die Klägerin unverbindlich (vgl. Art. 202 Abs. 2 am
Schluss; im Grundbuch auf den Namen der Frau eingetragene Liegenschaften sind
für jedermann erkennbar Frauengut); durch ihre Einwilligung wurde jene
Verfügung dagegen wirksam. Die Erteilung der Einwilligung hat daher den
Charakter

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einer dinglichen Verfügung nicht weniger als die Begründung des Pfandrechtes
durch die Frau selbst, und bedarf daher nach dem Gesagten keiner behördlichen
Zustimmung.
Allerdings hat hier die Einwilligung im Zeitpunkt der grundbuchlichen
Fertigung noch nicht vorgelegen, sodass das Grundbuchamt berechtigt und
verpflichtet gewesen wäre, die Fertigung bis nach Beibringung des Ausweises
über das Einverständnis der Klägerin abzulehnen (der Ehemann ist eben nur mit
Zustimmung der Ehefrau zur Anmeldung legitimiert). Allein Art. 202
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 202 - Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
ZGB
schreibt für die Einwilligung weder eine bestimmte Form vor noch verlangt er,
dass sie schon im Moment der Verfügung des Ehemannes vorliege. Infolgedessen
muss auch die von der Klägerin nachträglich erteilte Genehmigung
berücksichtigt werden und würde den Beklagten heute berechtigen, die (Wieder-)
Eintragung nötigenfalls auf dem Prozessweg zu erzwingen; denn dass die damals
erteilte Einwilligung mit Willensmängeln behaftet sei, hat die Klägerin selbst
nicht behauptet. Unter diesen Umständen aber stünde einem Begehren der
Klägerin um Löschung jener Grundpfandverschreibung die Einrede der Arglist
entgegen (nach der Regel dolo facit qui petit quod redditurus est), wenn man
noch darüber hinwegsehen wollte, dass ein solches Löschungsbegehren gar nicht,
wenigstens nicht ausdrücklich, gestellt worden ist.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 59 II 7
Date : 01. Januar 1932
Published : 02. März 1933
Source : Bundesgericht
Status : 59 II 7
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Ob eine gültige öffentliche Beurkundung eines Vertrages vorliegt, beurteilt sich ausschliesslich...


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OG: 57
ZGB: 65  177  202  963
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46-II-230 • 49-II-38 • 51-II-24 • 57-II-10 • 57-II-142 • 59-II-7
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