BGE 59 II 314
46. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. September 1933 i. S. Kantonalbank
von Bern und Konsorten gegen Schweiz. Eidgenossenschaft,
Regeste:
Berufung an das Bundesgericht, Art. 56 f . OG.
Der Streit darüber, ob der Gläubiger einer öffentlichrechtlichen Forderung (i.
c. eidgenössische Kriegssteuer) ohne Nachteil für seine Forderung davon
absehen kann, sie ins öffentliche Inventar über den Nachlass des Pflichtigen
anzumelden, ist keine Zivilrechtsstreitigkeit. Das gilt auch dann, wenn sich
der Streit um die Kollokation dieser Forderung im später ausgebrochenen
Nachlasskonkurs dreht.
A. - Am 29. Mai 1929 starb Alfred Goenner; als einzige Erbin hinterliess er
eine noch minderjährige Tochter Anna Helene. Der für diese bestellte Vormund
verlangte die Aufnahme eines öffentlichen Inventars. Innert der Eingabefrist
meldete die Steuerverwaltung von Basel-Stadt «vorsorglicherweise unsere
Steuerforderung bei Ihnen an, deren ganze Höhe zu bestimmen wir aber erst bei
der Zustellung Ihres Inventars in der Lage sein werden». Auf Grund des
Inventars wurde die Erbschaft angetreten. Nachträglich stellte es sich aber
heraus, dass die Erbschaft infolge von Bürgschaften des Erblassers
überschuldet war; der Vormund gab daher am 11. Mai 1931 namens der Erbin eine
Insolvenzerklärung ab, die zur Konkurseröffnung führte. Unterdessen hatte
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die Steuerverwaltung von Basel-Stadt dem Vormund am 2. Oktober 1930
mitgeteilt, dass sie insgesamt 3545 Fr. an kantonalen Steuern und 37558 Fr. 85
Cts. an eidgenössischen Kriegssteuern zu fordern habe. Der Vormund zog diese
Verfügung nicht weiter, stellte aber ein Gesuch um einen Steuererlass mit
Rücksicht auf die ungünstige Lage des Nachlasses; dieses Gesuch blieb indessen
nach Ausbruch des Konkurses unerledigt.
B. - Im Konkurs meldete die eidgenössische Kriegssteuerverwaltung eine
Forderung von total 37949 Fr. 80 Cts. an, welche von der Konkursverwaltung
voll zugelassen wurde.
Mit der vorliegenden Klage verlangten die Klägerinnen, ebenfalls im Konkurs
zugelassene Gläubiger, Wegweisung der Forderung der Beklagten aus dem
Kollokationsplan, weil sie seinerzeit nicht ins öffentliche Inventar
angemeldet worden sei; denn der - übrigens nicht einmal von der Beklagten
selbst erklärte - blosse Vorbehalt von Steuerforderungen könne nicht als
genügende Anmeldung im Sinne von Art. 580 f
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 580 - 1 Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen. |
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1 | Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen. |
2 | Das Begehren muss binnen Monatsfrist in der gleichen Form wie die Ausschlagung bei der zuständigen Behörde angebracht werden. |
3 | Wird es von einem der Erben gestellt, so gilt es auch für die übrigen. |
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und bemerkte dazu
ausdrücklich, sie anerkenne die Zuständigkeit der Zivilgerichte für diese
Kollokationsklage «nur soweit, als die Kläger gegenüber der rechtskräftigen
Kriegssteuerverfügung behaupten wollen, dass eine Haftung der Erbin für die
Kriegssteuerforderung nicht eingetreten sei wegen Nichtanmeldung bezw.
Nichtaufnahme im öffentlichen Inventar», nicht aber mit Bezug auf die
Rechtskraft der Steuerverfügung.
C. - Mit Urteil vom 9. Januar 1933 hat das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt den Entscheid der ersten Instanz bestätigt, durch welchen die
Klage abgewiesen worden war. Das Appellationsgericht erklärt, nach den
Bestimmungen des Kriegssteuerbeschlusses bestehe die Steuerpflicht eines
Erben, der unter öffentlichem Inventar angenommen habe, unabhängig von einer
vorherigen Anmeldung der Steuerforderung ins Inventar.
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Übrigens sei hier die Erbin durch die vorsorgliche Anmeldung hinreichend in
die Lage versetzt worden, sich über die Höhe der Steuerverfügung Rechenschaft
zu geben; wenn sie oder ihr Vormund den Betrag nicht selbst hätten ausrechnen
können, hätten sie sich doch bei der Steuerverwaltung darüber erkundigen
können. Ausserdem habe der Vormund gegen die Steuerverfügung kein Rechtsmittel
ergriffen, womit die Schuld der Erbin feststehe, gleichviel ob die Anmeldung
im öffentlichen Inventar gültig gewesen sei oder nicht, da der Zivilrichter
die von der Verwaltung erlassene rechtskräftig gewordene Verfügung nicht auf
ihre sachliche Richtigkeit überprüfen könne; durch die Unterlassung einer
Einsprache gegen die Steuerverfügung wäre die Forderung der Steuerverwaltung
auf jeden Fall nachträglich wieder begründet worden, sodass ihre Aufnahme in
den Kollokationsplan zu Recht erfolgt sei.
D. - Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen rechtzeitig die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, die Klage gutzuheissen.
Die Beklagte hat Abweisung der Berufung beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Forderung, deren Wegweisung aus dem Kollokationsplan mit der vorliegenden
Klage verlangt wird, ist eine Steuerforderung und als solche unzweifelhaft im
öffentlichen Recht begründet. Infolgedessen ist es auch ausschliesslich das
öffentliche Recht, das darüber zu bestimmen hat, was für einen Einfluss der
Tod des Steuerpflichtigen auf den Bestand der Forderung ausübt, ob und unter
welchen Bedingungen sie auf seine Erben übergeht und insbesondere, ob der
Fiskus, um seine Rechte nicht zu verlieren, sie in ein öffentliches Inventar
anzumelden hat. Selbst wenn das betreffende Steuergesetz hierüber schweigt
oder sogar ausdrücklich auf die Bestimmungen des Zivilrechtes verweist, wird
der Streit darüber, ob die Forderung nach diesen Bestimmungen besteht oder
nicht mehr besteht. nicht zu einem Zivilstreit; viel
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mehr müssen die betreffenden Regeln des Zivilrechtes in einem solchen Falle
als Bestandteil des öffentlichen Rechtes betrachtet werden, geradesogut wie
dann, wenn der kantonale Gesetzgeber in einer der Gesetzgebung der Kantone
vorbehaltenen Materie auf das eidgenössische Recht verweist, die Bestimmungen
des letztern in dieser Beziehung als kantonales Recht aufzufassen sind (vgl.
BGE 35 II 460; WEISS, Berufung, Seite 23). Wenn daher die Vorinstanz zur
Annahme gelangte, die Kriegsateuerverwaltung könne ohne Nachteil für ihre
Forderung von der Anmeldung derselben im öffentlichen Inventar über den
Nachlass des Pflichtigen absehen, so geschah dies in Auslegung nicht des
eidgenössischen Zivilrechtes, sondern des eidgenössischen Kriegssteuerrechtes,
dessen Handhabung indessen einer Überprüfung durch das Bundesgericht (als
Berufungsinstanz) entzogen ist (Art. 66
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 580 - 1 Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen. |
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1 | Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen. |
2 | Das Begehren muss binnen Monatsfrist in der gleichen Form wie die Ausschlagung bei der zuständigen Behörde angebracht werden. |
3 | Wird es von einem der Erben gestellt, so gilt es auch für die übrigen. |
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass man es hier mit einer
Kollokationsplananfechtungsklage zu tun hat, bei welcher sich die Frage nach
dem Bestand der Forderung (nur) stellt als Vorfrage für die (als
zivilrechtlicher Natur betrachtete, vgl. WEISS, Berufung, S. 11) Hauptfrage,
ob die Forderung zur Passivmasse gehöre oder nicht; denn, wie bereits die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichtes in BGE 48 III 228 f.
entschieden hat, muss dann, wenn im Konkurs Einreden gegen aus dem
öffentlichen Recht hergeleitete Forderungen des Fiskus erhoben werden, über
welche zu entscheiden nach den einschlägigen Vorschriften ausschliesslich den
Verwaltungsinstanzen vorbehalten ist, deren Entscheidung für die Kollokation
schlechtweg massgebend sein. Wie damals handelt es sich auch heute um eine
eidgenössische Kriegssteuerforderung, deren Bestand oder Nichtbestand
festzustellen nach den Vorschriften des Bundesbeschlusses vom 28. September
1920 ausschliesslich Sache der Einschätzungsbehörde und der (kantonalen und
eidgenössischen) Rekursinstanzen ist. Die Vorinstanz hätte sich daher
richtigerweise unzuständig
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erklären und die Parteien vor die nach dem genannten Bundesbeschluss
zuständigen Behörden verweisen sollen und dies, obwohl die Beklagte die
Zuständigkeit der Zivilgerichte wenigstens in gewisser Hinsicht anerkannt
hatte; denn die Zuständigkeitsbestimmungen des Kriegssteuerbeschlusses sind
zwingend. Dass die Vorinstanz nun gleichwohl auf die Klage eingetreten ist,
kann nicht dazu führen, den Bestand einer Zivilstreitigkeit im Sinne von Art.
56 OG da anzunehmen, wo eine solche in Wirklichkeit doch nicht vorliegt,.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Berufung wird nicht eingetreten.