S. 191 / Nr. 33 Prozessrecht (d)

BGE 59 II 191

33. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Juni 1933 i. S. 35.
gegen G.

Regeste:
Revision eines bundesgerichtlichen Urteils. Art. 192 Ziff. 3 und 193 BZP, Art.
98 OG.
Wenn der Revisionsgrund schon vor der Ausfällung des bundesgerichtlichen
Urteils entdeckt wurde, aber gemäss Art. 80 OG ausser Betracht bleiben musste,
läuft die Frist für das Revisionsbegehren von der Zustellung des
bundesgerichtlichen Urteils an.
Auch die wissentlich falsche Parteiaussage, die unter Strafandrohung gemacht
wurde und zur Bestrafung geführt hat, ist ein Vergehen im Sinn von Art. 192
Ziff. 3 BZP.
Das Urteil des Bundesgerichtes ist auch dann «durch ein Vergehen ausgewirkt»,
wenn die für das Bundesgericht verbindliche Tatbestandsfeststellung der
Vorinstanz durch die falsche Parteiaussage massgebend beeinflusst wurde.


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Nach Gutheissung des Revisionsbegehrens ist in solchem Fall das Bundesgericht
befugt, das Beweisergebnis an Stelle der kantonalen Instanzen frei zu
würdigen.
Tatbestand (gekürzt):
Mit Urteil vom 15. Oktober 1932 hat das Bundesgericht einen Entscheid des
aargauischen Obergerichtes bestätigt, durch den der Beklagte und
Revisionskläger als ausser ehelicher Vater des von der Klägerin geborenen
Knaben erklärt und zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtet worden war. Die
Vorinstanz hatte u. a. darauf abgestellt, dass die Klägerin vor beiden
kantonalen Instanzen in der Parteibefragung versichert hatte, sie habe während
der kritischen Zeit nur mit dem Beklagten intimen Verkehr gehabt. Noch vor der
Berufungsverhandlung wurde die Klägerin auf Strafklage des Revisionsklägers
hin vom aargauischen Obergericht wegen bewusst falscher Parteiaussage zu einer
Freiheitsstrafe verurteilt, da sich herausgestellt habe, dass sie während der
kritischen Zeit auch noch mit einem gewissen Muntwiler geschlechtlich verkehrt
habe. Gemäss Art. 80 OG hatte diese Verurteilung der Klägerin und die Aussage
des, Muntwiler bei der Beurteilung der Berufung ausser Betracht zu bleiben.
Nunmehr verlangt der Beklagte die Revision des bundesgerichtlichen Urteils vom
15. Oktober 1932 gestützt auf Art. 95 OG und Art. 192 Ziff. 2 und 3 BZP. Er
macht geltend, dass mit Rücksicht auf den nachgewiesenen Verkehr der Klägerin
mit Muntwiler nicht bloss die Einrede aus Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
, sondern auch
diejenige aus Art. 315
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
1    Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
2    Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält.
3    Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde.
ZGB begründet erscheine.
Die Revisionsbeklagten bestreiten die Zulässigkeit des Revisionsgesuches wegen
Verspätung, eventuell beantragen sie Abweisung desselben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Art. 193 BZP bestimmt, dass in den Fällen des Art. 192 Ziff. 2 und 3 das
Revisionsgesuch innerhalb dreier Monate, von der Entdeckung des
Revisionsgrundes

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an gerechnet, beim Gericht einzureichen sei. Diese Bestimmung geht davon aus,
dass die Entdeckung des Beweismittels erst nach dem bundesgerichtlichen Urteil
erfolge. - In Fällen wie dem vorliegenden, wo die Entdeckung bereits vor dem
bundesgerichtlichen Urteile stattgefunden hatte, aber in dem hängigen
Verfahren wegen des Verbotes von Nova nicht mehr geltend gemacht werden
konnte, muss sinngemäss der Lauf der Dreimonatsfrist mit der Urteilszustellung
beginnen. Hier geschah die Zustellung des Urteils am 9. November 1932 und ihr
folgte die Einreichung des Revisionsgesuches am 22. November 1932, das ist
noch innerhalb der Frist.
2.- Nach Art. 192 Ziff. 3 BZP ist die Revision eines vom Bundesgericht
ausgefällten Urteils zulässig, wenn auf dem Weg des Strafprozesses erwiesen
wird, dass die Gegenpartei des Revisionsklägers oder ein zu ihren Gunsten
handelnder Dritter ein Vergehen verübt hat, um das in Frage stehende Urteil
auszuwirken. Dass der Fall des falschen Zeugnisses hieher gerechnet werden
kann, hat das Bundesgericht schon in BGE 31 II 358 entschieden. Nicht anders
kann es sich verhalten mit der wissentlich falschen Parteiaussage, die unter
Strafandrohung gemacht wurde und zur Bestrafung geführt hat. Dass sich nun die
Klägerin der bewusst falschen Parteiaussage schuldig gemacht hat, ist durch
das Strafurteil für den Zivilrichter verbindlich festgestellt worden. Übrigens
hat Muntwiler auch vor Bundesgericht daran festgehalten, dass die Klägerin an
jenem 21. Juli 1929 in Genf mit ihm geschlechtlich verkehrt habe, und die
Akten enthalten nichts, das ihn als unglaubwürdig erscheinen liesse. Die Frage
sodann, ob nach jener Bestimmung ein Revisionsgrund nur vorliegt, wenn das
Vergehen wirklich Einfluss auf den Entscheid des Gerichtes gewonnen hat, oder
ob es genügt, dass das Vergehen verübt wurde in der Absicht, solchen Einfluss
zu erlangen, gleichgültig, ob dieses Ziel dann erreicht wurde oder nicht,
braucht hier nicht entschieden zu werden; denn tatsächlich hat die Aussage der
Klägerin

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damals den Entscheid massgebend beeinflusst: Gerade weil eine Reihe von .
Zeugen Äusserungen des Zeugen Kleiner wiedergegeben hatte, aus denen auf die
Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs der Klägerin mit Kleiner während der
kritischen Zeit hätte geschlossen werden können, hat das Obergericht die
Klägerin noch einmal persönlich über diesen Punkt befragt, und wenn man noch
im Ungewissen wäre darüber, ob die Vorinstanz dann nicht doch aus andern
Gründen als wegen der erneuten Versicherung der Klägerin jenen
aussergerichtlichen Äusserungen des Kleiner kein Gewicht beilegte, so werden
diese Zweifel behoben durch die Feststellung des nämlichen Obergerichtes im
Strafurteil, dass die beiden kantonalen Instanzen die Vaterschaftsklage
«angesichts dieser Versicherung» der Klägerin gutgeheissen haben. Diese
Wendung spricht dafür, dass die Vorinstanz, hätte sie damals schon Kenntnis
vom Vorfall mit Muntwiler gehabt, die Klage abgewiesen hätte. Selbst wenn man
aber das nicht annehmen wollte, so ist doch soviel sicher, dass die Vorinstanz
bei der Würdigung des gesamten Beweisergebnisses wesentlich auf die Aussage
der Klägerin mit abgestellt hat; dadurch, dass sich diese als falsch erwiesen
hat und deshalb ausser Betracht bleiben muss, wurden infolgedessen die
gesamten Tatbestandsfeststellungen des angefochtenen Urteils der Vorinstanz
erschüttert, und da das bundesgerichtliche Urteil auf den tatsächlichen
Feststellungen des kantonalen Urteils beruht, wurde durch das Dahinfallen der
letztern auch ihm der Boden entzogen (vgl. BGE 25 II 691). Das genügt aber, um
eine «Auswirkung» des Urteils im Sinne von Art. 192 Ziff. 3 BZP anzunehmen.
Das Revisionsgesuch muss daher auf Grund dieser letztern Bestimmung
gutgeheissen werden, so dass sich erübrigt zu untersuchen, ob auch der
ebenfalls noch angerufene Revisionsgrund des Art. 192 Ziff. 2 gegeben sei. Und
da ausser Zweifel steht, dass der Revisionskläger durch den frühern Entscheid
einen Nachteil erlitten hat

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(Art. 98 OG), ist das Urteil vom 13. Oktober 1932 aufzuheben. Gemäss Art. 98
OG hat sodann das Bundesgericht selbst aufs neue zu entscheiden und muss
infolgedessen auch befugt sein, das Beweisergebnis an Stelle der Vorinstanz
frei zu würdigen.
3.- (Gutheissung der Einrede aus Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB).
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Document : 59 II 191
Date : 01. Januar 1932
Published : 15. Juni 1933
Source : Bundesgericht
Status : 59 II 191
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Revision eines bundesgerichtlichen Urteils. Art. 192 Ziff. 3 und 193 BZP, Art. 98 OG.Wenn der...


Legislation register
BZP: 192  193
OG: 80  95  98
ZGB: 314  315
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25-II-689 • 31-II-356 • 59-II-191
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