S. 38 / Nr. 10 Registersachen (d)

BGE 59 I 38

10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. März 1933 i. S. J. Horowitz & Cie
gegen Eidgenössisches Amt für das Handelsregister.


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Regeste:
Verwaltungsrechtliche Beschwerde in Handelregistersachen: Zulässigkeit der
Beschwerde gegen eine Verfügung des Eidgenössischen Amtes für das
Handelsregister, die dieses als Vernehmlassung auf eine Anfrage eines
kantonalen Handelsregisteramtes getroffen hat. Handelsregisterverordnung Art.
44 (Erw. 1).
Firmenrecht: Auch die Enseignes sind der Pflicht zur Firmenwahrheit und dem
Verbot reklamehafter Bezeichnungen unterworfen. Unstatthaftigkeit der
Bezeichnung «Migros-Halle» für ein gewöhnliches Detailgeschäft. Rev.
Verordnung II über das Handelsregister, Art. 1, 4, 18. (Erw. 2-4.)

A. - Am 19. Januar 1933 richtete die Firma J. Horowitz & Cie in Basel, die
sich mit der Leinen- und Baumwollfabrikation und mit dem Engros-Handel mit
Textilwaren befasst, in Basel aber auch ein Ladengeschäft betreibt, an das
Eidgenössische Amt für das Handelsregister das Gesuch, ihr zu gestatten, für
ihren Detailverkauf neben ihrer Firma den Vermerk «Migros-Halle» führen zu
dürfen. Am 20. Januar 1933 antwortete das Eidgenössische Amt für das
Handelsregister, dass der Ausdruck «Migros-Halle» nur zutreffend sei, wenn es
sich um ein geräumiges Verkaufslokal handle, in welchem tatsächlich Waren in
Migrosquantitäten abgegeben werden. Darauf berichtete die Gesuchstellerin,
dass diese Voraussetzung erfüllt sei, da z. B. 3 Herrenhemden, 10, 20 und 30
Meter Tuch usw. abgegeben würden und da das Ladenlokal sehr gross sei. In der
Folge frug die Gesuchstellerin das Eidgenössische Amt für das Handelsregister
noch an, ob ihr die Führung der Enseigne «Leinen-Migros» gestattet würde, und
zur Rechtfertigung dieses Ansinnens machte sie in einem Nachtragsschreiben vom
11. Februar 1933 geltend, dass zu Leintüchern mehrere Meter Leinen notwendig
seien, also sehr wohl von einem Migroshandel gesprochen werden

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könne. Am 13. Februar teilte das Eidgenössische Amt für das Handelsregister
der Gesuchstellerin mit, dass es ein Gutachten des Vorortes des
Schweizerischen Handels- und Industrievereins über die streitige Frage
bestellt habe, dass es aber vorläufig von der Stichhaltigkeit der Begründung
des Gesuches nicht überzeugt sei. Die Bezeichnung «Migros-Halle» sei als
Enseigne eher zulässig, als der Ausdruck «Leinen-Migros», da dieser jeder
Originalität entbehre. Als Firmenzusatz stosse die Bezeichnung «Leinen-Migros»
jedoch auf Bedenken, da das Geschäft auch Baumwollwaren führe. Darauf erklärte
die Gesuchstellerin, sie wolle nun die Bezeichnung «Migros-Halle» wählen, und
sie bat um Bestätigung, dass die Eintragung zulässig sei. Das Amt erwiderte
jedoch sofort, dass es die Bezeichnung durchaus nicht als statthaft erklärt
habe, und es verwies darauf, dass das Gutachten des Vorortes des
Schweizerischen Handels- und Industrievereins noch ausstehe. Am 24. Februar
1933 traf das Gutachten ein. Der Vorort beantragte auf Grund von Äusserungen
aus Fachkreisen der Textilbranche und auf Grund eigener Erwägungen Ablehnung
des Ausdruckes «Migros-Halle» als Enseigne, da er nur Reklamezwecken zu dienen
habe und deshalb gegen Art. 4 der revidierten Verordnung II vom 16. Dezember
1918 verstosse.
B. - Am 25. Februar 1933 teilte das Eidgenössische Amt für das Handelsregister
den wesentlichen Inhalt des Berichtes des Vorortes des Schweizerischen
Handels- und Industrievereins der Gesuchstellerin mit und verfügte gestützt
darauf, dass die Enseigne «Migros-Halle» nicht zugelassen werden könne.
Darauf hat die Firma J. Horowitz & Cie die verwaltungsrechtliche Beschwerde an
das Bundesgericht ergriffen und Zulassung der Eintragung der Enseigne
«Migros-Halle» verlangt.
D. - In seiner Beschwerdeantwort hat das Eidg. Amt für das Handelsregister
Abweisung der Beschwerde beantragt.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Das durch das Eidgenössische Amt für das Handelsregister eingeschlagene
Verfahren verstösst nicht gegen die Vorschriften der Verordnung über das
Handelsregister vom 6. Mai 1890. Gemäss Art. 44 dieser Verordnung hat das
Eidgenössische Handelsregisterbureau den Inhalt der ihm durch die kantonalen
Handelsregisterämter zur Veröffentlichung im Handelsamtsblatt übermittelten
Auszüge auf die Gesetzmässigkeit der Eintragungen zu prüfen, und wenn eine
solche zu beanstanden ist, unterlässt es die die Publikation und verweigert
die Eintragung (STAMPA, Sammlung von Entscheiden in Handelsregistersachen, Nr.
19), wogegen der betroffenen Partei allerdings noch die verwaltungerechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht zusteht. Hier hat der Registerführer des
Kantons Basel-Stadt die Zulässigkeit der Eintragung aber zum vorneherein
bezweifelt, und er hat es darum nicht auf eine Beanstandung durch das
Eidgenössische Amt erst vor der Publikation ankommen lassen wollen, sondern
die Rekurrentin veranlasst, überhaupt zuerst die Zustimmung der
eidgenössischen Aufsichtsinstanz beizubringen. Gegen dieses Vorgehen ist in
Fällen, wie dem vorliegenden, nichts einzuwenden, denn es ist zweckmässig. Wo
die Statthaftigkeit der Eintragung einerseits eine zweifelhafte Frage,
anderseits von grosser praktischer Bedeutung ist, und wo die Eidgenössische
Aufsichtsbehörde dank ihres Wirkungskreises auch über eine grössere Erfahrung
und bessere Hilfsmittel verfügt, mag es dem kantonalen Registerführer als
wünschenswert erscheinen, von Anfang an einen Entscheid dieser
Aufsichtsinstanz zu provozieren. Dieses Verfahren ist übrigens durch das
Bundesgericht schon am 7. Mai 1930 i. S. Pro Dente A.-G. gegen das
Eidgenössische Amt für das Handelsregister (BGE 66 I S. 129 ff.) als zulässig
behandelt worden. Dem Gesuchsteller erwächst daraus kein Nachteil, da er bei
Anwendung dieses Verfahrens die verwaltungsrechtliche Beschwerde schon gegen

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den ersten Befund des Eidgenössischen Amtes erheben kann, indem dieser
zweifellos eine Entscheidung im Sinne des Anhanges I, Abs. 2 VDG darstellt.
2.- Nach Art. 1 der revidierten Verordnung II betreffend Ergänzung der
Verordnung vom 6. Mai 1890 über das Handelsregister und das Handelsamtsblatt
vom 16. Dezember 1918 müssen alle Eintragungen ins Handelsregister wahr sein,
und sie dürfen zu keinen Täuschungen Anlass geben. Zu den Eintragungen, an
welche diese Anforderungen gestellt werden, gehören auch die in Art. 18
derselben Verordnung angeführten sogenannten Enseignes, d. h. die nähern
Bezeichnungen des Geschäftes oder des Geschäftslokals. Allerdings findet sich
unter den Bestimmungen, welche in Art. 18 auch auf die Enseignes anwendbar
erklärt werden, der Art. 1 nicht. Es war jedoch gar nicht notwendig, ihn dort
zu erwähnen, denn er bezieht sich schon seinem Wortlaut nach auf «alle
Eintragungen», d. h. auf alle möglichen Eintragungen, und zu diesen zählen
auch die Eintragungen der Enseignes.
Es ist nun freilich nicht leicht, zu bestimmen, was unter Migroshandel zu
verstehen sei und wann infolgedessen die Eintragung der Bezeichnung «Migros»
als wahr und nicht mit Täuschungsgefahr verbunden erscheine, denn im Gegensatz
zu den in der Handelssprache geläufigen Ausdrücken «en détail» und «en gros»
besitzt das Wort «Migros» keinen eindeutigen Sinn. Es erübrigt sich indessen,
hier eine abschliessende Begriffsbestimmung zu geben, denn es zeigt sich, dass
dem Handelsgewerbe der Rekurrentin überhaupt keines der Merkmale eignet, die
in Betracht fallen. Stellt man mit dem Bericht, den Herr A. Blumer-Schuler
namens der Zentralstelle der Verbände der schweizerischen Textilindustrie in
einem ähnlichen Fall dem Vorort des Schweizerischen Handels- und
Industrievereins erstattet hat und der bei den Akten liegt, darauf ab, ob die
Käufer die Waren nicht als Verbraucher, sondern als Wiederverkäufer, wie
Hausierer und Inhaber kleiner Ladengeschäfte, beziehen, so kann keine Rede

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davon sein, dass die Rekurrentin Migroshandel betreibe. Es versteht sich, dass
bei Anwendung dieses Kriteriums ein Migroshandel nur dann vorhanden wäre, wenn
ausschliesslich oder doch vorwiegend an Wiederverkäufer verkauft würde. Nun
hat aber die Rekurrentin eine solche Behauptung nicht nur nicht aufgestellt,
sondern es geht aus ihren Schreiben vom 19. und 23. Januar 1933 hervor, dass
sie das Enseigne für ihr Ladenlokal an der Schanzenstrasse 6 in Basel
verlangt, wo sie zugegebenermassen dem Detailhandel, d. h. dem Verkauf ihrer
Waren an die Verbraucher obliegt. Stellt man aber statt auf die Person des
Käufers auf die Menge der verkauften Waren ab, wie es das Eidgenössische Amt
für das Handelsregister in seiner ursprünglichen Stellungnahme zum Gesuch der
Beschwerdeführerin getan hat, so harmoniert die Bezeichnung «Migros-Halle»
ebenfalls nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen. Die Rekurrentin hat nicht
etwa behauptet, dass sie Hemden stets nur in einer Anzahl von drei und mehr
Stück, Gewebe nur in grössern Massen abgebe, sondern ihre Erklärung ist
offenbar so zu verstehen, dass sie auf Wunsch der Kunden auch grössere Mengen
verkaufe oder gelegentlich Waren, z. B. um aufzuräumen oder besonders billige
Angebote machen zu können, in grösseren Posten absetze. Im übrigen steht nach
ihrer eigenen Darstellung fest, dass sie das Enseigne hauptsächlich für den
ausgesprochenen Detailhandel begehrt, bei dem beliebig geringe Quantitäten
abgegeben werden. Gerade ihre Darlegungen zur Begründung des Gesuches um
Billigung der Bezeichnung «Leinen-Migros» beweisen diese Annahme, denn es ist
daraus ersichtlich, dass sie auch Leinwand in dem für ein einzelnes Bettuch
erforderlichen Mass «an die Hausfrau» verkauft. Die Berufung darauf, dass für
Leintücher ein halber Meter Leinen nicht hinreiche und dass es einer Hausfrau
nicht einfalle, nur so viel zu erstehen, ist natürlich unwesentlich und kann
nicht ernst gemeint sein, denn wenn der Verbraucher Leinwand nicht in einem
Längenmass von

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weniger als 21/2-3 Metern kauft, so hängt das nicht mit dem Handelssystem der
Rekurrentin zusammen, sondern mit der Zweckbestimmung der Ware durch den
Kunden.
Es ergibt sich somit, dass die Bezeichnung «Migros-Halle» hier nicht der
Wahrheit entspricht. Sie würde aber auch Anlass zu Täuschungen geben, indem
sie den Anschein erwecken würde, als ob gestützt auf das Wesen des betriebenen
Handels und infolge der Besonderheit der Verkaufsorganisation zu besonders
billigen Preisen verkauft werden könnte. Aus dem Gutachten des Handels- und
Industrievereins in Verbindung mit weitern fachmännischen Äusserungen geht
aber hervor, dass diese Täuschungsgefahr auch dann besteht, wenn im
Detailhandel bei Abnahme grösserer Mengen oder Posten gewisse Preisreduktionen
gewährt werden.
3.- Dazu kommt als weiterer Umstand, auf den auch der Vorort des
Schweizerischen Handels- und Industrievereins hingewiesen hat, dass das
Publikum vermutlich der irrtümlichen Meinung verfallen würde, die Rekurrentin
hänge rechtlich oder wirtschaftlich irgendwie mit der bekannten Migros A.-G.
in Zürich zusammen und diese sei vom Nahrungsmittelhandel auf einen neuen
Geschäftszweig übergegangen. Auch insofern besteht also eine Täuschungsgefahr.
Wenn man es aber der Migros A.-G. selbst überlassen wollte, sich dagegen zur
Wehre zu setzen, so ist doch zu sagen, dass sich die Beschwerdeführerin nicht
darauf berufen kann, dass die Migros A.-G. ebenfalls Detailhandel betreibe,
denn bei ihr hat sich die Bezeichnung dank einer verbreiteten und geschickten
Reklame zur charakterisierenden Bezeichnung für die besondere Vertriebsmethode
durchgesetzt (vgl. auch das Urteil des Bundesgerichtes vom 7. März 1933 i. S.
Migros-Schuhhaus A.-G. gegen Migros A.-G.). Auf dem Gebiete des Markenrechtes
hat das Bundesgericht übrigens schon entschieden, dass eine in einer Marke
versteckte Herkunftsbezeichnung als ein Mangel der Marke im Laufe der Zeit
durch langen Gebrauch neutralisiert werden könne (BGE 55 I S. 273;

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vgl. auch das Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Februar 1933 i. S. Gebrüder
Wettstein A.-G. gegen Epa Einheitspreis A.-G. Erw. 2). Das trifft auch für die
Verwendung der Bezeichnung «Migros» durch die Migros A-G. zu, soweit dieser
Ausdruck in dieser Firma nicht überhaupt als eine Mischung von Phantasie- und
Sachbezeichnung aufzufassen ist.
4.- Das Gesuch der Rekurrentin muss aber nicht nur deshalb abgewiesen werden,
weil die Bezeichnung des Geschäftes als «Migros-Halle» unwahr ist und Anlass
zu Täuschungen geben würde, sondern auch, weil sie ausschliesslich zu
Reklamezwecken angestrebt wird. Nach Art. 4 der revidierten Verordnung II sind
Angaben in der Firma, die blossen Reklamezwecken dienen, nicht erlaubt. Art. 4
steht freilich unter den Vorschriften über die Firmenbildung, und in Art. 18,
der von den Enseignes handelt, wird er nicht auf diesen anwendbar erklärt.
Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass Enseignes zu
Reklamezwecken statthaft seien. Vielmehr kann für die Enseignes nicht
gestattet sein, was für die Firma untersagt ist, wie das Eidgenössische Amt
für das Handelsregister mit Recht bemerkt. Die Aufzählung der auf die
Enseignes anwendbaren Bestimmungen in Art. 18 der Verordnung II scheint
überhaupt nicht abschliessend zu sein, und überdies ist darauf hinzuweisen,
dass das Verbot der reklamehaften Angaben nur ein besonderer Anwendungsfall
des Verbotes der unwahren Eintragungen ist, indem der Gesetzgeber die mit der
Anwendung der Verordnung betrauten Behörden zum vorneherein davon entheben
wollte, im einzelnen Fall die heikle Frage zu lösen, ob eine Reklame der
Wahrheit entspreche.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Document : 59 I 38
Date : 01. Januar 1932
Published : 28. März 1933
Source : Bundesgericht
Status : 59 I 38
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Verwaltungsrechtliche Beschwerde in Handelregistersachen: Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine...


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