S. 18 / Nr. 6 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 58 III 18

6. Entscheid vom 26. Februar 1932 i. S. Gruber.

Regeste:
Rechtsstillstand nach Art. 61
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 61 - Einem schwerkranken Schuldner kann der Betreibungsbeamte für eine bestimmte Zeit Rechtsstillstand gewähren.
SchKG.
1. Der Rechtsstillstand muss nicht nur gewährt werden, wenn der Schuldner
ausserstande ist, einen Vertreter zu bestellen, sondern auch dann, wenn er auf
den Arbeitserwerb angewiesen und infolge der Krankheit verdienstlos ist.
2. Chronischer Charakter der Krankheit schliesst den Rechtsstillstand nicht
aus. Derselbe darf nur nicht auf unbeschränkte Dauer gewährt werden.

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Suspension de la poursuite en vertu de l'art. 61 LP.
1. La poursuite doit être suspendue non seulement quand le débiteur ne peut se
faire représenter, mais aussi lorsqu'il gagne sa vie par son travail et que la
maladie le prive de son gain.
2. Le caractère chronique de la maladie ne s'oppose pas à 1a suspension, mais
la poursuite ne doit pas être suspendue pendant une durée indéterminée.
Sospensione dell'esecuzione in virtù dell'art. 61 LEF.
1. L'esecuzione deve essere sospesa non solo quando il debitore non è in grado
di farsi rappresentare, ma anche quando guadagna di che vivere col proprio
lavoro e ne è privato dalla malattia.
2. La cronicità della malattia non costituisce un ostacolo alla sospensione ma
l'esecuzione non deve essere sospesa per un tempo indeterminato.

A. - In einer Betreibung von S. Grollmann gegen Witwe Gruber, Berglistrasse,
Arbon, gewährte das Betreibungsamt der Schuldnerin am 21. Dezember 1931 wegen
schwerer (krebsartiger) Krankheit einen Rechtsstillstand bis zum 29. Februar
1932. Auf die Beschwerde des Gläubigers hin hob die kantonale Aufsichtsbehörde
die Verfügung durch Entscheid vom 8. Februar 1932 auf mit der Begründung, die
Krankheit sei nicht eine derartige, dass die Schuldnerin nicht imstande wäre,
einen Vertreter zu bestellen, was nach der bundesgerichtlichen Prazis für die
Gewährung des Rechtsstillstandes vorausgesetzt werden müsste.
B. - Diesen Entscheid zog die Rekurrentin rechtzeitig an das Bundesgericht
weiter mit dem Antrag, der vom Betreibungsamt gewährte Rechtsstillstand sei zu
schützen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Das Bundesgericht kann Entscheide nach Art. 61
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 61 - Einem schwerkranken Schuldner kann der Betreibungsbeamte für eine bestimmte Zeit Rechtsstillstand gewähren.
SchKG daraufhin überprüfen, ob
die Vorinstanz nicht auf rechtlich unerhebliche Umstände abgestellt oder
umgekehrt erhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat, m.a.W. ob der
Entscheid nicht gesetzwidrig ist (Art. 19
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529.
SchKG). Ein

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solcher Verstoss liegt hier vor. Als Grund, der bei schwerer Krankheit den
Rechtsstillstand rechtfertigt, kommt nicht nur in Betracht, dass der Schuldner
ausserstande ist, einen Vertreter zu bestellen. Der Rechtsstillstand erscheint
vielmehr auch als ein Gebot der Menschlichkeit - und dieser will Art. 61 Raum
lassen -, wenn der Schuldner zwar einen Vertreter ernennen könnte, aber auf
den Arbeitserwerb angewiesen und infolge der Krankheit verdienstlos ist (im
gleichen Sinne JAEGER, Komm. Art. 61 N. 1). Zu Unrecht hat die Vorinstanz aus
BGE 33 I No. 107 und 134 etwas anderes herausgelesen. Dort war gar nicht die
Rede davon, dass der Schuldner auf den Verdienst angewiesen sei, während das
im vorliegenden Falle unbestrittenermassen zutrifft.
Im übrigen kann der Rechtsstillstand entgegen der Meinung des Gläubigers auch
nicht deswegen verweigert werden, weil die Krankheit der Schuldnerin eine
chronische zu sein scheint. Unzulässig wäre es nur, deswegen einen dauernden
Rechtsstillstand anzuordnen. Das ist aber hier nicht geschehen, sondern die
Einstellung wurde auf zwei Monate beschränkt, eine Frist, welche an sich auch
die Vorinstanz nicht als unangemessen befunden hat.
Demnach erkennt die Schuld betr. u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und der vom Betreibungsamt verfügte
Rechtsstillstand (bis zum 29. Februar 1932) wieder hergestellt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 58 III 18
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 26. Februar 1932
Quelle : Bundesgericht
Status : 58 III 18
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Rechtsstillstand nach Art. 61 SchKG.1. Der Rechtsstillstand muss nicht nur gewährt werden, wenn der...


Gesetzesregister
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529.
61
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 61 - Einem schwerkranken Schuldner kann der Betreibungsbeamte für eine bestimmte Zeit Rechtsstillstand gewähren.
BGE Register
58-III-18
Stichwortregister
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