S. 115 / Nr. 29 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 58 III 115

29. Entscheid vom 20. Juli 1932 i. S. Vaterlaus.

Regeste:
Eine von mehreren Gläubigern als Streitgenossen angehobene Betreibung besteht
solange zu Recht, als sie auch nur von einem einzigen der Gläubiger
aufrechterhalten wird.
La poursuite intentée par plusieurs créanciers agissant comme consorts reste
en vigueur tant que fût-ce un seul des créanciers la maintient.
Un'esecuzione intentata da più creditori agenti come consorti resta valida
fintantochè sia pure un solo creditore persiste in essa.

Am 15. Januar 1931 erwirkte Rechtsanwalt Dr. Schneider namens A. Winkler, E.
Streuli und R. Lory als

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Zessionaren des W. Neuweiler gegen den Rekurrenten Vaterlaus beim
Betreibungsamt Interlaken einen Zahlungsbefehl No. 258 für eine Forderung von
ca. 7000 Fr. In der Folge wurde in dieser Betreibung u. a. eine Forderung des
Schuldners Vaterlaus gegen A. Winkler gepfändet, für welche Vaterlaus bereits
Betreibung (No. 13851) angehoben und eine Lohnpfändung von 160 Fr. monatlich
erwirkt hatte. Als Dr. Schneider in der Betreibung No. 258 das
Verwertungsbegehren stellte, legte der Rekurrent dem Betreibungsamt eine
Erklärung des E. Streuli vor, nach welcher Streuli «seinerseits die Betreibung
No. 258 gegen Vaterlaus zurückzieht und ... keinerlei Forderung auf denselben
habe». Überdies führte er Beschwerde mit dem Antrag, in der Betreibung No. 258
gestützt auf jene Erklärung des Streuli das Verwertungsbegehren aufzuheben
bezw. die Betreibung einzustellen.
Mit Entscheid vom 25. Juni 1932 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die
Beschwerde abgewiesen, worauf der Rekurrent rechtzeitig an das Bundesgericht
gelangte mit dem Antrag,
1. die Betreibung No. 258 einzustellen und das Verwertungsbegehren vom 26.
April 1932 aufzuheben,
2. eventuell die Betreibung No. 258 mit der Betreibung No. 13851 zur
Verrechnung zu bringen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Das Bundesgericht hat schon in BGE 35 I 820 = Sep. Ausg. 12 S. 291
entschieden, von Betreibungsrechts wegen stehe dem nichts entgegen, dass
mehrere Gläubiger, welche als Streitgenossen auftreten und durch einen
gemeinsamen Vertreter handeln, ihre Forderung in einer einzigen Betreibung
geltend machen. Es fragt sich nun, welche Folge es habe, wenn in einer solchen
Betreibung einer der mehreren Gläubiger nachträglich auf die Betreibung
verzichtet.

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Mit Recht hat die Vorinstanz angenommen, dass die Betreibung für die übrigen
Gläubiger weiter bestehe. Ein vollständiges Dahinfallen käme nur in Betracht,
wenn feststünde, dass der verzichtende Gläubiger auch für die andern
verbindlich Über die Forderung verfügen kann; ob das jedoch im einzelnen Fall
zutrifft, beurteilt sich nicht nach den Vorschriften des Betreibungsrechtes,
sondern nach dem materiellen Zivilrecht, und ist daher der Überprüfung durch
die Betreibungs- und Aufsichtsbehörden entzogen. Für die Betreibungsbehörden
besteht eine Betreibung infolgedessen solange zu Recht, als sie überhaupt von
einem der mehreren Gläubiger aufrechterhalten wird.
Sollten nach dem Ausscheiden eines einzelnen Gläubigers die übrigen nach
Massgabe des materiellen Rechtes nicht mehr berechtigt sein, die ganze
Forderung einzutreiben, so wäre das vom Schuldner gemäss Art. 77
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 77 - 1 Wechselt während des Betreibungsverfahrens der Gläubiger, so kann der Betriebene einen Rechtsvorschlag noch nachträglich bis zur Verteilung oder Konkurseröffnung anbringen.143
1    Wechselt während des Betreibungsverfahrens der Gläubiger, so kann der Betriebene einen Rechtsvorschlag noch nachträglich bis zur Verteilung oder Konkurseröffnung anbringen.143
2    Der Betriebene muss den Rechtsvorschlag innert zehn Tagen, nachdem er vom Gläubigerwechsel Kenntnis erhalten hat, beim Richter des Betreibungsortes schriftlich und begründet anbringen und die Einreden gegen den neuen Gläubiger glaubhaft machen.144
3    Der Richter kann bei Empfang des Rechtsvorschlags die vorläufige Einstellung der Betreibung verfügen; er entscheidet über die Zulassung des Rechtsvorschlages nach Einvernahme der Parteien.
4    Wird der nachträgliche Rechtsvorschlag bewilligt, ist aber bereits eine Pfändung vollzogen worden, so setzt das Betreibungsamt dem Gläubiger eine Frist von zehn Tagen an, innert der er auf Anerkennung seiner Forderung klagen kann. Nutzt er die Frist nicht, so fällt die Pfändung dahin.145
5    Das Betreibungsamt zeigt dem Schuldner jeden Gläubigerwechsel an.146
SchKG durch
nachträglichen Rechtsvorschlag geltend zu machen. Wenn dem Schuldner, dessen
Gläubiger die Forderung erst nach Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist einem
Dritten abtritt, das Recht des Art. 77
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 77 - 1 Wechselt während des Betreibungsverfahrens der Gläubiger, so kann der Betriebene einen Rechtsvorschlag noch nachträglich bis zur Verteilung oder Konkurseröffnung anbringen.143
1    Wechselt während des Betreibungsverfahrens der Gläubiger, so kann der Betriebene einen Rechtsvorschlag noch nachträglich bis zur Verteilung oder Konkurseröffnung anbringen.143
2    Der Betriebene muss den Rechtsvorschlag innert zehn Tagen, nachdem er vom Gläubigerwechsel Kenntnis erhalten hat, beim Richter des Betreibungsortes schriftlich und begründet anbringen und die Einreden gegen den neuen Gläubiger glaubhaft machen.144
3    Der Richter kann bei Empfang des Rechtsvorschlags die vorläufige Einstellung der Betreibung verfügen; er entscheidet über die Zulassung des Rechtsvorschlages nach Einvernahme der Parteien.
4    Wird der nachträgliche Rechtsvorschlag bewilligt, ist aber bereits eine Pfändung vollzogen worden, so setzt das Betreibungsamt dem Gläubiger eine Frist von zehn Tagen an, innert der er auf Anerkennung seiner Forderung klagen kann. Nutzt er die Frist nicht, so fällt die Pfändung dahin.145
5    Das Betreibungsamt zeigt dem Schuldner jeden Gläubigerwechsel an.146
SchKG gewährleistet wird, damit er die
ihm gegen den neuen Gläubiger zustehenden Einreden vorbringen kann, so muss
dies auch gelten in einem Fall der vorliegenden Art, wo die (verbleibenden)
Gläubiger erst nach Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist das Recht verlieren, auf
dem Betreibungsweg vorzugehen (vgl. BGE 22 S. 670). Eine Aufhebung der
Betreibung kommt dagegen nicht in Frage.
Auf das Eventualbegehren kann nicht eingetreten werden, weil es erst vor
Bundesgericht gestellt wurde (Art. 80
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 77 - 1 Wechselt während des Betreibungsverfahrens der Gläubiger, so kann der Betriebene einen Rechtsvorschlag noch nachträglich bis zur Verteilung oder Konkurseröffnung anbringen.143
1    Wechselt während des Betreibungsverfahrens der Gläubiger, so kann der Betriebene einen Rechtsvorschlag noch nachträglich bis zur Verteilung oder Konkurseröffnung anbringen.143
2    Der Betriebene muss den Rechtsvorschlag innert zehn Tagen, nachdem er vom Gläubigerwechsel Kenntnis erhalten hat, beim Richter des Betreibungsortes schriftlich und begründet anbringen und die Einreden gegen den neuen Gläubiger glaubhaft machen.144
3    Der Richter kann bei Empfang des Rechtsvorschlags die vorläufige Einstellung der Betreibung verfügen; er entscheidet über die Zulassung des Rechtsvorschlages nach Einvernahme der Parteien.
4    Wird der nachträgliche Rechtsvorschlag bewilligt, ist aber bereits eine Pfändung vollzogen worden, so setzt das Betreibungsamt dem Gläubiger eine Frist von zehn Tagen an, innert der er auf Anerkennung seiner Forderung klagen kann. Nutzt er die Frist nicht, so fällt die Pfändung dahin.145
5    Das Betreibungsamt zeigt dem Schuldner jeden Gläubigerwechsel an.146
OG). Übrigens müsste es ebenfalls
abgewiesen werden, denn Betreibungen können nicht miteinander verrechnet
werden; der vom Rekurrenten hiezu angeführte Entscheid BGE 54 III No. 47
behandelt eine ganz andere Frage. In welcher Weise sodann die Verwertung der
in Betreibung No. 258 gepfändeten Guthaben, insbesondere der der Betreibung
No. 13851 zu Grund liegenden Forderung,

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zu erfolgen habe, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu
erörtern.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer: Der Rekurs wird
abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 58 III 115
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 20. Juli 1932
Quelle : Bundesgericht
Status : 58 III 115
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Eine von mehreren Gläubigern als Streitgenossen angehobene Betreibung besteht solange zu Recht, als...


Gesetzesregister
OG: 80
SchKG: 77
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 77 - 1 Wechselt während des Betreibungsverfahrens der Gläubiger, so kann der Betriebene einen Rechtsvorschlag noch nachträglich bis zur Verteilung oder Konkurseröffnung anbringen.143
1    Wechselt während des Betreibungsverfahrens der Gläubiger, so kann der Betriebene einen Rechtsvorschlag noch nachträglich bis zur Verteilung oder Konkurseröffnung anbringen.143
2    Der Betriebene muss den Rechtsvorschlag innert zehn Tagen, nachdem er vom Gläubigerwechsel Kenntnis erhalten hat, beim Richter des Betreibungsortes schriftlich und begründet anbringen und die Einreden gegen den neuen Gläubiger glaubhaft machen.144
3    Der Richter kann bei Empfang des Rechtsvorschlags die vorläufige Einstellung der Betreibung verfügen; er entscheidet über die Zulassung des Rechtsvorschlages nach Einvernahme der Parteien.
4    Wird der nachträgliche Rechtsvorschlag bewilligt, ist aber bereits eine Pfändung vollzogen worden, so setzt das Betreibungsamt dem Gläubiger eine Frist von zehn Tagen an, innert der er auf Anerkennung seiner Forderung klagen kann. Nutzt er die Frist nicht, so fällt die Pfändung dahin.145
5    Das Betreibungsamt zeigt dem Schuldner jeden Gläubigerwechsel an.146
BGE Register
35-I-817 • 58-III-115
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
verwertungsbegehren • bundesgericht • schuldner • frage • schneider • betreibungsamt • schuldbetreibungs- und konkursrecht • entscheid • rechtsbegehren • weiler • nachträglicher rechtsvorschlag • materielles recht • zessionar • rechtsanwalt • monat • zahlungsbefehl • vorinstanz