S. 430 / Nr. 73 Obligationenrecht (d)

BGE 58 II 430

73. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. November 1932 i. S.
Migros A.-B. gegen Tanner und Baumgartner.

Regeste:
Eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbes kann auch von einem Betroffenen, der
nicht ausdrücklich persönlich angegriffen wurde, angehoben werden.
OR Art. 48.

Der eingeklagte Zeitungsartikel der Beklagtschaft (Migros A.-G.) stellt sich
als eine Geschäftsreklame auf dem Gebiete des Kaffeehandels dar. Sein Zweck
ist offensichtlich der, die Vorteile, welche die Migros A.-G. den Konsumenten
bietet oder zu bieten glaubt, in möglichst helles Licht zu rücken

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und ihre Leistungen über diejenigen der Klägerin zu stellen. Dabei hat die
Beklagtschaft freilich keine bestimmten Namen, also auch nicht denjenigen der
Klägerin, ausdrücklich genannt. Die Beklagtschaft hält dieser daher in erster
Linie die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation entgegen. Dieser Einwand
ist jedoch nicht begründet. Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
OR erkennt einen Unterlassungs- und
allfälligen Schadenersatzanspruch ganz allgemein demjenigen zu, der durch
unwahre Auskündung oder andere Treu und Glauben verletzende Veranstaltungen in
seiner Geschäftskundschaft beeinträchtigt wird; dazu bedarf es aber keineswegs
eines unmittelbar gegen bestimmte Konkurrenten gerichteten Angriffs. Jede
irreführende, schwindelhafte Reklame, wie überhaupt jede unrichtige Angabe
über geschäftliche Verhältnisse, welche den Anschein eines besonders günstigen
Angebotes erweckt, kann geeignet sein, andere Gewerbetreibende, insbesondere
diejenigen, die in demselben Geschäftszweig tätig sind, in ihrer Kundschaft zu
beeinträchtigen; denn wer durch ein solches Gebahren Kunden an sich lockt,
entzieht diese gleichzeitig seiner Konkurrenz. In solchen Reklamen wird aber
äusserst häufig nicht auf bestimmte mit Namen genannte Konkurrenten Bezug
genommen, sondern die betreffenden Gewerbetreibenden beschränken sich oft
darauf, ihre eigenen Leistungen ganz allgemein denjenigen der Konkurrenz
gegenüberzustellen. Wieso nun die Betroffenen sich gegen ein derartiges
Gebahren - durch das sie unter Umständen in gleichem Masse gefährdet bezw.
geschädigt werden, wie wenn der Angriff direkt gegen sie erfolgte - nicht
sollten zur Wehre setzen können, ist schlechterdings nicht erfindlich. Bei der
gegenteiligen Auffassung würde für eines der wichtigsten Gebiete des
Wettbewerbes . der Schutz gegen illoyales Gebahren in einer Weise beschränkt,
die geradezu auf eine Schutzlosigkeit hinauslaufen würde; denn derjenige, der
sich nicht scheut, die Leistungen seiner Konkurrenten durch unwahre Angaben
herunterzumachen, um dadurch seine

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eigenen Leistungen in umso helleres Licht zu rücken, wird leicht Mittel und
Wege finden, zu diesem Ziele auch ohne ausdrückliche Nennung der Namen seiner
Gegner zu gelangen. Es kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass der
Nachweis eines Schadens in solchen Fällen meist nur sehr schwer und oft sogar
überhaupt nicht zu erbringen ist. Das mag ja an sich richtig sein, doch ist
dies kein Grund, um deshalb einen Ersatzanspruch zum vorneherein zu versagen,
und insbesondere rechtfertigt dies nicht, den Betroffenen selbst des wirksamen
Schutzanspruches auf Erlass eines bezüglichen Verbotes zu berauben. Das
Bundesgericht hat daher schon unter der Herrschaft des alten OR, das noch
keine besondere Bestimmung über den unlauteren Wettbewerb enthielt, dem
Betroffenen auch in Fällen, wo dieser nicht persönlich angegriffen wurde,
einen Klageanspruch wegen unlauteren Wettbeswerbes implicite zuerkannt (BGE 19
S. 256; vgl. auch das Urteil der Cour de J. Civ. Genève vom 20. Januar 1906,
zitiert in SJZ 2. Jahrgang S. 307). Seit Inkrafttreten des neuen OR kann
angesichts der weiten Fassung des Art. 48
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OR Art. 48
OR hierüber ohnehin kein Zweifel
mehr bestehen (vgl. auch OSER, Kommentar zu Art. 48
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OR Art. 48
OR II Aufl. II Note 4 S.
338/9; GERMANN, Vorarbeiten zur eidg. Gewerbegesetzgebung S. 88 ff., 109 f.;
CHÉNEVARD, Traité de la conourrance déloyale Bd. I S. 18 ff., Bd. II S. 186
ff.). Diese Rechtsauffassung deckt sich denn auch mit den Rechtsordnungen der
umliegenden Staaten, wo die Judikatur teils auf Grund allgemeiner Erwägungen,
teils auf Grund ausdrücklicher bezüglicher Vorschriften zum selben Resultate
gelangte (vgl. die Zitate bei GERMANN, a.a.O. S. 94 f.).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 58 II 430
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 09. November 1932
Quelle : Bundesgericht
Status : 58 II 430
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbes kann auch von einem Betroffenen, der nicht ausdrücklich...


Gesetzesregister
OR: 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
BGE Register
58-II-430
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