BGE 58 II 423
71. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. November 1932 i. S.
Kubny-Kotzian gegen Hänseler.
Regeste:
Auftrag und Vollmacht, ein Bankdepot zurückzuziehen, ermächtigt nicht dazu,
deponierte Wertschriften zu verschenken, sondern der Auftrag zu einer solchen
Schenkung ist besonders nachzuweisen, und zwar genügt Auftrag zur Schenkung
von Todes wegen nicht, sofern er nicht in Testamentsform erteilt wurde (Art.
245 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 245 - 1 Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden. |
|
1 | Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden. |
2 | Eine Schenkung, deren Vollziehbarkeit auf den Tod des Schenkers gestellt ist, steht unter den Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen. |
A. - Am 21. März 1928 errichtete die damals 78jährige Frau Pauline Schwalb
geb. Kotzian in Höngg bei der
Seite: 424
Schweizerischen Bankgesellschaft in Zürich ein auf ihren Namen lautendes
Depot, das u. a. 4020 Aktien der La Industrial Paraguaya S. A. umfasste, und
erteilte in der bezüglichen Vereinbarung mit der Schweizerischen
Bankgesellschaft dem Beklagten, Heinrich Kubny-Kotzian, ihrem Neffen, a den
Auftrag und die Vollmacht, neben ihr und soweit sie dies nicht selbst tun
wird, über die Hinterlage selbständig, jedes unabhängig vom andern, zu
verfügen, dieselbe zu vermehren, zu vermindern oder ganz zurückzuziehen .).
Demgemäss ermächtigte Frau Schwalb die Schweizerische Bankgesellschaft, «die
Hinterlage an Herrn Heinrich Kubny auf Verlangen ganz oder teilweise
aushinzugeben und überhaupt dessen Dispositionen über die Hinterlage zu
befolgen, wie wenn sie von ihr selbst ausgegangen wären», und anerkannte die
alleinige Quittung des Kubny auch für sich selbst als voll verbindlich.
Schliesslich wurde bestimmt, «dass sowohl diese Aufträge, als auch die der
Schweizerischen Bankgesellschaft erteilte Ermächtigung mit dem Tod .... von
Frau Schwalb nicht erlöschen».
Am 14. April 1928 errichtete Frau Schwalb ein öffentliches Testament, worin
sie als ihren Willensvollstrecker den Kläger bestellte.
Am 29. Dezember 1928 schrieb Frau Schwalb an die Schweizerische
Bankgesellschaft: «... Ich habe das Vermögen von meinen 138000 Pes. 6% Ceduals
Hipotecarias Argentinas Serie 21/22 meines Depots bei Ihnen ... für meine
Verwandten in Argentinien bestimmt und wird wie folgt zugeteilt: (folgt
Aufzählung). Ich erteile hiemit der Bank den Auftrag, ab 1. Januar 1929 aus
diesen Titeln ein neues Depot zu bilden. Dieses Depot ist zu Eigentum der
bezeichneten Personen ... Die Aktien La Industrial Paraguaya sind wie vor auf
meinen Namen im Depot weiter zu führen.»
In den folgenden Tagen wurde Frau Schwalb von einer schweren heftigen
Krankheit befallen.
Mit Datum des 7. Januar 1929 schrieb der Beklagte
Seite: 425
an die Schweizerische Bankgesellschaft: «Nach Rücksprache mit der Frau Schwalb
gebe ich Ihnen hiemit den Auftrag, nachdem dieselbe unterm 29. Dezember 1928
über die Titel Cedulas Hypothecarias in Argentinien Schenkungsbestimmungen
getroffen hat, nun dieses Depot F 7437 gänzlich aufzulösen. Die verbleibenden
Titel «Aktien La Industrial Paraguaya S. A.» sind auf ein neues Depot lautend
«Helene Kubny geb. Kotzian» Schwester der Frau Pauline Schwalb, zu übertragen.
Über dieses neue Depot Helene Kubny geb. Kotzian ... erteilt mir letztere ihre
Vollmacht», weswegen sie das Schreiben mitunterzeichnete. Die Bankgesellschaft
handelte dementsprechend.
Am 8. Januar 1929 starb Frau Schwalb geb. Kotzian.
Am 25. Januar 1929 wurde das Testament in Anwesenheit des Beklagten amtlich
eröffnet.
In der Folge beauftragte der Beklagte im Namen seiner Mutter die
Schweizerische Bankgesellschaft, die 4020 Aktien der La Industrial Paraguaya
S. A. Buenos Aires verkaufen zu lassen, was im Laufe des Sommers 1929 geschah.
Als Gegenwert wurden im Laufe des Herbstes 81637 Fr. 58 Cts. vergütet.
B. - Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger «als
Testamentsvollstrecker der in Höngg verstorbenen Frau Witwe Pauline Schwalb»
Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von 83000 Fr. (Börsenwert der
verkauften Aktien) nebst 5% Zins «an die Klägerschaft».
C. - Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 17. Juni 1932 die Klage
zugesprochen, ebenso das Bundesgericht.
Aus den Gründen:
Aus der von Frau Schwalb mit der~ Schweizerischen Bankgesellschaft
geschlossenen Vereinbarung über die Hinterlegung ihres Vermögens ergibt sich
freilich, dass sie dem Beklagten «Auftrag und Vollmacht» erteilte, über das
hinterlegte Vermögen zu verfügen. Damit wurde
Seite: 426
zunächst der Schweizerischen Bankgesellschaft das Recht eingeräumt, ihre
Pflichten aus dem Hinterlegungsvertrag durch Leistung an den Beklagten zu
erfüllen. Aber auch der Beklagte konnte daraus gewisse Befugnisse bezüglich
des von Frau Schwalb hinterlegten Vermögens für sich in Anspruch nehmen, die
jedoch nicht über die blosse Vermögensverwaltung hinausgingen, so zwar, dass
er der Frau Schwalb oder allfällig ihren Erben erstatten musste, was er aus
dem Depot bei der Schweizerischen Bankgesellschaft zurückzog. Dementsprechend
hätte sich der Beklagte auch gar nie einfallen lassen, bloss auf jene
Vereinbarung hin Vermögenswerte von nicht viel weniger als 100000 Fr. aus dem
Depot der Frau Schwalb an seine eigene Mutter zu verschenken. Um eine
Schenkung aber handelt es sich dabei in der Tat, da nur ein kleiner Teil als
Entgelt für Pflege während der letzten Lebensjahre angesprochen werden konnte.
Vielmehr bringt der Beklagte zu seiner Rechtfertigung vor, Frau Schwalb habe
ihm am Tage vor ihrem Tod aufgetragen, in dieser Weise über die hinterlegten
streitigen Aktien zu verfügen. Um dies tun zu können, bedurfte der Beklagte
keiner besondern Ermächtigung, sondern genügte die ihm in der Vereinbarung mit
der Schweizerischen Bankgesellschaft erteilte Vollmacht zum Rückzug des
Depots. Aber um die streitigen Aktien dem Vermögen der Frau Schwalb entfremden
zu dürfen, insbesondere mit Verbindlichkeit auch für deren Erben und den für
sie handelnden Willensvollstrecker, bedurfte er eines besondern Auftrages, den
erhalten zu haben ihm zu beweisen obliegt. Indessen kann der Beklagte einen
direkten Beweis nicht antreten; er will den Indizienbeweis führen. Allein alle
die vom Beklagten angeführten Indizien wären keinesfalls schlüssig genug, um
darzutun, dass Frau Schwalb die streitigen Aktien schlechthin habe an die
Mutter des Beklagten verschenken wollen, auch auf die Gefahr hin, dass sie für
sie verloren wären, sofern die damals unmittelbar drohende Todesgefahr wieder
vorübergehen sollte. Als Frau Schwalb
Seite: 427
eine gute Woche vorher über die Verteilung anderer bei der Schweizerischen
Bankgesellschaft deponierter Wertschriften Bestimmungen getroffen hatte,
wonach sie ebenfalls aus dem Depot ausgeschieden und daraus ein neues Depot
auf die Namen der damals Begünstigten gebildet werden sollte, war sie ja auch
darauf bedacht gewesen, die Nutzniessung, ja sogar die Verfügung über das zu
bildende Depot bis an ihr Lebensende sich vorzubehalten. Damals nahm sie die
heute streitigen Aktien ausdrücklich aus. Mag sie dies auch in der Meinung
getan haben, dieselben später der Mutter des Beklagten zuzuhalten, so ist
nicht anzunehmen, dass sie dies dann ohne den gleichen Vorbehalt hätte tun
wollen. Und dass sie es erst in extremis tat, trägt zur Überzeugung bei, sie
habe sich nicht im Gedanken, weiterleben zu können, der streitigen Aktien
zugunsten der Mutter des Beklagten entäussern, sondern ihr dieselben erst auf
den Tod hin zuhalten wollen. Diese Betrachtungsweise drängt sich umsomehr auf,
als es schon an und für sich naheliegt, eine in Lebensgefahr gemachte
Schenkung als an die stillschweigende Bedingung geknüpft anzusehen, der
Schenker werde die Gefahr nicht überleben. Dementsprechend dürfte beim Fehlen
jedes einigermassen schlüssigen Beweises für das Gegenteil nicht angenommen
werden, die plötzlich schwer erkrankte Frau Schwalb habe dem Beklagten
aufgetragen, den Besitz der streitigen Aktien jetzt sofort auf seine Mutter zu
übertragen (mit der blossen Anlage eines Depots auf deren Namen war ja an den
Besitzverhältnissen noch nichts geändert), sondern müsste angenommen werden,
Frau Schwalb habe dem Beklagten aufgetragen, dies erst nach ihrem Tode zu tun.
Inhalt des Auftrages wäre dann also gewesen, dass der Beklagte an Stelle der
Frau Schwalb nach deren Tod eine Schenkung ausrichten sollte. Allein
Schenkungen, die nicht noch zu Lebzeiten des Schenkers ausgerichtet werden
sollen, stehen gemäss Art. 245 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 245 - 1 Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden. |
|
1 | Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden. |
2 | Eine Schenkung, deren Vollziehbarkeit auf den Tod des Schenkers gestellt ist, steht unter den Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen. |
Verfügungen von Todes wegen. Daher kann ihre
Seite: 428
Ausrichtung nur in der Form einer Verfügung von Todes wegen wirksam vorgesehen
werden und ist insbesondere ein Auftrag, ein solches Geschäft für den
Auftraggeber nach dessen Tode zu besorgen, nur in dieser Form gültig. Dem
Beklagten stand somit kein gültiger Rechtsgrund zur Seite, um die streitigen
Aktien der Erbschaft der Frau Schwalb zu entfremden und seiner Mutter zu
überlassen. -Sollte aber die Ausscheidung der streitigen Aktien aus dem Depot
der Frau Schwalb und die Bildung eines neuen Depots für die Mutter des
Beklagten ohne Vorbehalt des Verfügungsrechtes zugunsten der Frau Schwalb auf
den Brief des Beklagten vom 7. Januar hin von der Schweizerischen
Bankgesellschaft gerade noch unmittelbar vor dem Tode der Frau Schwalb
ausgeführt und damit die Schenkung noch zu Lebzeiten der Frau Schwalb
ausgerichtet worden sein, so wäre dies auf eine Überschreitung des dem
Beklagten erteilten Auftrages zurückzuführen, der, wie ausgeführt, keinesfalls
dahin aufgefasst werden könnte, die streitigen Aktien seien noch vor ihrem
Tode vorbehaltlos an die Mutter des Beklagten zu verschenken. Im einen wie im
andern Falle schuldet der Beklagte den Erben der Frau Schwalb Schadenersatz
wegen unbefugter Verfügung über das Bankdepot, wozu ihn die erteilte Vollmacht
legitimierte (aber nicht berechtigte), und zwar besteht der zu ersetzende
Schaden aus dem Werte der Aktien im Zeitpunkte der Wegnahme, weil dadurch dem
Testamentsvollstrecker verunmöglicht wurde, seinerseits darüber zu verfügen,
insbesondere sie alsbald zum damaligen noch guten Kurse zu verkaufen. Infolge
des seitherigen Kurssturzes kann daher der Ersatz nicht mehr in gleichartigen
Aktien, sondern nur noch in Geld geleistet werden und zwar im Umfang des
damaligen Kurswertes der Aktien. Dass von der derart ermittelten Ersatzsumme
der Bereicherungsanspruch der Klägerschaft gegen die Mutter des Beklagten
abgezogen werde, hat der Beklagte nicht verlangt.