S. 397 / Nr. 65 Familienrecht (d)

BGE 58 II 397

65. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Oktober 1932 i. S. Merkart und
Mitbeteiligte gegen Bezirksrat Zürich.

Regeste:
Inventar über das Kindesvermögen, Art. 291
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 291 - Wenn die Eltern die Sorge für das Kind vernachlässigen, kann das Gericht ihre Schuldner anweisen, die Zahlungen ganz oder zum Teil an den gesetzlichen Vertreter des Kindes zu leisten.
ZGB.
1. Zweck der Einreichung des Inventars ist die amtliche Prüfung.
2. Den Kantonen steht es frei, die Nachprüfung durch die vormundschaftliche
Aufsichtsbehörde vorzuschreiben (oder ihr auch die Prüfung schlechthin zu
übertragen).

A. - Am 31. März 1931 starb in Zürich Barbara von Merhart-Nüscheler, Ehefrau
von Professor G. von Merhart und Mutter des aus dieser Ehe hervorgegangenen,
1923 geborenen Kindes Ulrich. Der überlebende Ehegatte reichte der
Vormundschaftsbehörde gemäss Art. 291
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 291 - Wenn die Eltern die Sorge für das Kind vernachlässigen, kann das Gericht ihre Schuldner anweisen, die Zahlungen ganz oder zum Teil an den gesetzlichen Vertreter des Kindes zu leisten.
ZGB das Inventar über das Kindesvermögen
ein. Die Vormundschaftsbehörde prüfte das Inventar und leitete es an den
Bezirksrat als Aufsichtsbehörde weiter, der es einer Nachprüfung unterzog und
durch Beschluss vom 25. Februar 1932 unter Auferlegung einer Gebühr von 441
Fr. (das Vermögen beläuft sich nach dem Inventar auf 1125142 Fr. 05 Cts.)
genehmigte.
Die Genehmigung durch den Bezirksrat erfolgte auf Grund von § 58 Abs. 3 und §
97 Abs. 1 des zürcherischen Einführungsgesetzes zum ZGB. § 58 Abs. 3 bestimmt,
dass für das Inventar über das Kindesvermögen die Vorschriften über das
vormundschaftliche Inventar gelten, und für dieses ist in § 97 Abs. 1 die
Genehmigung durch den Bezirksrat vorgesehen.
B. - Den Beschluss des Bezirksrates fochten Vater und Sohn von Merhart sowie
die beiden Testamentsvollstrecker der verstorbenen Frau von Merhart bei der

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kantonalen Justizdirektion als zweitinstanzlicher Aufsichtsbehörde an mit dem
Antrag auf Aufhebung der Genehmigung und der dafür geforderten Gebühr. Sie
machten geltend, dass für das Inventar über das Kindesvermögen in Art. 291
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 291 - Wenn die Eltern die Sorge für das Kind vernachlässigen, kann das Gericht ihre Schuldner anweisen, die Zahlungen ganz oder zum Teil an den gesetzlichen Vertreter des Kindes zu leisten.
ZGB
lediglich die Einreichung bei der Vormundschaftsbehörde vorgeschrieben sei und
dass daher die zürcherische Vorschrift, wonach der Bezirksrat das Inventar zu
genehmigen habe, dem Bundesrecht widerspreche; ausserdem wäre die verlangte
Gebühr nach der einschlägigen kantonalen Bestimmung zu hoch.
Gleichzeitig mit der Beschwerde an die Justizdirektion wurde ein Gesuch beim
Bezirksrat eingereicht, die Gebühr sei aufzuheben, eventuell auf 377 Fr. zu
ermässigen. Der Bezirksrat wies das Gesuch am 11. Mai 1932 ab, wogegen eine
zweite Beschwerde bei der kantonalen Justizdirektion eingereicht wurde.
Die Justizdirektion wies durch Entscheid vom Juli 1932 beide Beschwerden als
unbegründet ab.
C. - Gegen den Entscheid der Justizdirektion richtet sich die vorliegende, auf
Art. 87 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 291 - Wenn die Eltern die Sorge für das Kind vernachlässigen, kann das Gericht ihre Schuldner anweisen, die Zahlungen ganz oder zum Teil an den gesetzlichen Vertreter des Kindes zu leisten.
OG gestützte zivilrechtliche Beschwerde, mit welcher der
Antrag auf Aufhebung der bezirksrätlichen Genehmigungs- und
Gebührenbeschlusses wiederholt wird.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
In Art. 291
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 291 - Wenn die Eltern die Sorge für das Kind vernachlässigen, kann das Gericht ihre Schuldner anweisen, die Zahlungen ganz oder zum Teil an den gesetzlichen Vertreter des Kindes zu leisten.
ZGB heisst es lediglich, das Inventar über das Kindesvermögen sei
bei der Vormundschaftsbehörde einzureichen, dagegen nicht, was nachher damit
zu geschehen habe. Es versteht sich jedoch von selbst, dass die Einreichung
nicht um ihrer selbst willen zu erfolgen hat, sondern zum Zwecke der amtlichen
Prüfung des Inventars. Ob darauf der Befund in einer formellen Genehmigung
bezw. Nichtgenehmigung ausgesprochen werde, ist vom Standpunkt des
Bundesrechtes aus gleichgültig. Das wird auch von den Beschwerdeführern nicht
in Zweifel gezogen.

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Fraglich bleibt, welche Behörde zur Prüfung des Inventars zuständig sei. Wäre
die Funktion durch das Gesetz der Vormundschaftsbehörde zugewiesen, wie ihr z.
B. Art. 421
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 421 - Das Amt des Beistands oder der Beiständin endet von Gesetzes wegen:
1  mit Ablauf einer von der Erwachsenenschutzbehörde festgelegten Amtsdauer, sofern keine Bestätigung im Amt erfolgt;
2  mit dem Ende der Beistandschaft;
3  mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als Berufsbeistand oder Berufsbeiständin;
4  im Zeitpunkt, in dem der Beistand oder die Beiständin verbeiständet oder urteilsunfähig wird oder stirbt.
ZGB die Zustimmung zu gewissen Geschäften des Vormundes vorbehält,
so stünde den Kantonen eine abweichende Regelung nicht zu und zwar auch nicht
insofern, als die Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde vorgeschrieben werden
dürfte; denn die bundesrechtliche Ordnung müsste als abschliessend gelten.
Wenn Art. 291 die Vormundschaftsbehörde als Einreichungsstelle bezeichnet, so
folgt jedoch daraus nicht notwendig, dass auch sie oder sie allein die Prüfung
des Inventars vorzunehmen habe. Vielmehr lässt die Bestimmung Raum dafür, dass
die Kantone entweder die Prüfung schlechthin oder die Nachprüfung der
Aufsichtsbehörde übertragen.
Eine bundesrechtliche Ordnung könnte höchstens mittelbar aus Art. 423
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 423 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde entlässt den Beistand oder die Beiständin, wenn:
1    Die Erwachsenenschutzbehörde entlässt den Beistand oder die Beiständin, wenn:
1  die Eignung für die Aufgaben nicht mehr besteht;
2  ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt.
2    Die Entlassung kann von der betroffenen oder einer ihr nahestehenden Person beantragt werden.
ZGB
herausgelesen werden. Dort ist für die periodischen Berichte und Rechnungen
des Vormundes die Prüfung durch die Vormundschaftsbehörde vorgesehen, den
Kantonen aber das Recht eingeräumt, die Aufsichtsbehörde mit der Nachprüfung
und Genehmigung zu betrauen. Da anderseits Art. 398
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 398 - 1 Eine umfassende Beistandschaft wird errichtet, wenn eine Person, namentlich wegen dauernder Urteilsunfähigkeit, besonders hilfsbedürftig ist.
1    Eine umfassende Beistandschaft wird errichtet, wenn eine Person, namentlich wegen dauernder Urteilsunfähigkeit, besonders hilfsbedürftig ist.
2    Sie bezieht sich auf alle Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs.
3    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entfällt von Gesetzes wegen.
ZGB nichts darüber
bestimmt, wie und von wem das bei Übernahme der Vormundschaft zu erstellende
Inventar zu behandeln sei, ja nicht einmal, wo es eingereicht werden müsse,
stellt sich die Frage, ob nicht auf dieses vormundschaftliche Inventar Art.
423 analoge Anwendung zu finden habe. Würde die Frage bejaht, so bestände kein
Grund, das Inventar über das Kindesvermögen anders zu behandeln, nachdem Art.
291 die Zuständigkeit zur Prüfung überhaupt nicht ordnet. In diesem Falle
hätte also die Vormundschaftsbehörde auch das Inventar über das Kindesvermögen
zu prüfen, wobei es aber den Kantonen wiederum frei stünde, die Nachprüfung
und Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde vorzuschreiben. Die analoge
Anwendung von Art. 423 vermöchte daher ebenfalls nicht

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zur Aufhebung des bezirksrätlichen Genehmigungsbeschlusses zu führen.
Die Höhe der für die Nachprüfung und Genehmigung des Inventars zu bezahlenden
Gebühr richtet sich nach kantonalem Recht. Sie ist vor Bundesgericht denn auch
nicht mehr angefochten worden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 58 II 397
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 20. Oktober 1932
Quelle : Bundesgericht
Status : 58 II 397
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Inventar über das Kindesvermögen, Art. 291 ZGB.1. Zweck der Einreichung des Inventars ist die...


Gesetzesregister
OG: 87
ZGB: 291 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 291 - Wenn die Eltern die Sorge für das Kind vernachlässigen, kann das Gericht ihre Schuldner anweisen, die Zahlungen ganz oder zum Teil an den gesetzlichen Vertreter des Kindes zu leisten.
398 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 398 - 1 Eine umfassende Beistandschaft wird errichtet, wenn eine Person, namentlich wegen dauernder Urteilsunfähigkeit, besonders hilfsbedürftig ist.
1    Eine umfassende Beistandschaft wird errichtet, wenn eine Person, namentlich wegen dauernder Urteilsunfähigkeit, besonders hilfsbedürftig ist.
2    Sie bezieht sich auf alle Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs.
3    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entfällt von Gesetzes wegen.
421 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 421 - Das Amt des Beistands oder der Beiständin endet von Gesetzes wegen:
1  mit Ablauf einer von der Erwachsenenschutzbehörde festgelegten Amtsdauer, sofern keine Bestätigung im Amt erfolgt;
2  mit dem Ende der Beistandschaft;
3  mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als Berufsbeistand oder Berufsbeiständin;
4  im Zeitpunkt, in dem der Beistand oder die Beiständin verbeiständet oder urteilsunfähig wird oder stirbt.
423
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 423 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde entlässt den Beistand oder die Beiständin, wenn:
1    Die Erwachsenenschutzbehörde entlässt den Beistand oder die Beiständin, wenn:
1  die Eignung für die Aufgaben nicht mehr besteht;
2  ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt.
2    Die Entlassung kann von der betroffenen oder einer ihr nahestehenden Person beantragt werden.
BGE Register
58-II-397
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
inventar • bundesgericht • vormund • frage • wiese • entscheid • ehegatte • bewilligung oder genehmigung • prüfung • zweifel • vormundschaftliche aufsichtsbehörde • mutter • funktion • vater • ehe • kantonales recht • wille