BGE 58 I 326
55. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1932 i. S. Dr. Vollenweider
gegen Zürich. Direktion der Volkswirtschaft.
Regeste:
Handelsregister. Inwiefern ist ein Kostenentscheid der kantonalen
Aufsichtsbehörde mit der verwaltungsrechtlichen Beschwerde beim Bundesgericht
anfechtbar? Art. 4, 5 Abs. 3 VDG. (Erw. 1).
Bei der Wiedereintragung einer gelöschten Genossenschaft liegt die Pflicht,
die Eintragungsgebühr zu entrichten, unter Solidarität auch den Mitgliedern
des Vorstandes ob, welche die Löschung veranlasst hatten. (Erw. 2 und G.)
Soll von dem die Wiedereintragung nach suchenden Gläubiger ein Kostenvorschuss
verlangt werden? (Erw. 31.
A. - Dr. jur. H. M. Vollenweider, Rechtsanwalt in Zürich, war, ohne
Genossenschafter zu sein, Präsident und zusammen mit Otto Haberer-Sinner und
Edwin Scotoni Mitglied des Vorstandes der im Jahre 1926 gegründeten
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Baugenossenschaft Roggenstrasse in Zürich. Am 9. Oktober 1930 beschloss die
Mitgliederversammlung dieser Genossenschaft, dieselbe aufzulösen und die
Beendigung der Liquidation festzustellen. Der Beschluss wurde im
schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht. Am 30. Oktober 1930 forderte
Dr. Vollenweider die Gläubiger der Genossenschaft, wiederum durch Publikation
im schweizerischen Handelsamtsblatt, auf, ihre Ansprüche anzumelden. Am 10.
Dezember 1930 wurde die Genossenschaft im Handelsregister gelöscht.
Paul Müller-Schmidlin, der noch am 30. September 1930 von der Genossenschaft
zwei Liegenschaften erworben, an lässlich des Schuldenrufes aber keine
Schadenersatzforderung angemeldet hatte, stellte dann im November 1931 beim
Audienzrichter des Bezirksgerichtes Zürich das Gesuch um Anordnung einer
Expertise zu ewigem Gedächtnis, indem er sich auf Mängel der Kamine der beiden
gekauften Häuser berief. Der trotz Opposition Dr. Vollenweiders ernannte
Sachverständige, Architekt Hulftegger, kam zum Ergebnis, dass die Kamine in
der Tat erhebliche Mängel aufwiesen. Dr. Vollenweider machte jedoch nach
Empfang des Expertenberichtes in einer Eingabe an den Einzelrichter geltend,
er vertrete die aufgelöste Genossenschaft nicht mehr, weder als Präsident,
noch als Anwalt.
Am 7. Mai 1932 verlangte Müller die Wiedereintragung der Baugenossenschaft
Roggenstrasse im Handelsregister. Dr. Vollenweider lehnte die Wiedereintragung
jedoch ab, da Müller seine Forderung nicht glaubhaft gemacht habe, da er sie
auch nicht angemeldet habe und da die Genossenschaft keine Aktiven mehr habe.
Auf Antrag des Handelsregisterbureau's des Kantons Zürich ordnete die
Direktion der Volkswirtschaft aber die Eintragung von Amtes wegen an. Gegen
diesen Entscheid erhob Dr. Vollenweider eine erste verwaltungsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses wies sie am 5. Juli 1932 ab.
Am 29. Juli 1932 forderte der Handelsregisterführer Dr. Vollenweider auf, die
Kosten der Wiedereintragung zu
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bezahlen, nämlich eine Gebühr von 25 Fr., 9 Fr. 60 Cts. Kosten der Verfügung
der Volkswirtschaftsdirektion vom 31. Mai 1932 und 6 Fr. 40 Cts.
Kanzleikosten. Die wieder eingetragene Baugenossenschaft Roggenstrasse kam der
Aufforderung jedoch nicht nach, da sie angeblich keine Aktiven mehr besass. Am
10. Oktober 1932 eröffnete die Direktion der Volkswirtschaft dem Rekurrenten
Dr. Vollenweider, dass die Pflicht, die Rechnung zu begleichen, auch ihn
persönlich treffe.
B. - Gegen diese Verfügung der Volkswirtschaftsdirektion hat Dr. Vollenweider
rechtzeitig die verwaltungsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht
ergriffen und den Antrag gestellt, sie sei aufzuheben. Es bestehe kein
Rechtsgrund, aus dem er zur Zahlung verpflichtet wäre. Die Pflicht liege
vielmehr dem Müller ob, welcher die Wiedereintragung verlangt habe. Müller
habe übrigens seine in Aussicht gestellte Klage gegen die Genossenschaft bis
heute nicht erhoben. Der Rekurrent protestiere da gegen, mit unnützen Kosten
belastet zu werden, zumal er nie Genossenschafter gewesen sei.
C. - Die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich und das
eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement haben Abweisung der Beschwerde
beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 5 Abs. 3 VDG können Entscheide über Beschwerdekosten nur in
Verbindung mit der Hauptsache durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten
werden. Diese Regel des Gesetzes gilt auch für die Kosten eines gewöhnlichen
Verwaltungsentscheides, die dem Einzelnen auferlegt werden (KIRCHHOFER, Die
Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht S. 16). Die vorliegende
selbständige Beschwerde wegen der Auferlegung von Kosten ist daher
hinsichtlich der Kosten der Verfügung der Volkswirtschaftsdirektion vom 31.
Mai 1932 in der Höhe von 9 Fr. 60 Cts. unzulässig, und es kann insofern nicht
darauf eingetreten werden. Der Rekurrent hätte die Möglichkeit
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gehabt, den Kostenspruch der Volkswirtschaftsdirektion in Verbindung mit der
Hauptsache schon im ersten Verfahren vor Bundesgericht anzufechten. Auch die
Kosten der ersten verwaltungsrechtlichen Beschwerde sind übrigens dem
Rekurrenten persönlich auferlegt worden. Anders verhält es sich mit der
Eintragungsgebühr von 25 Fr. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob
diese bundesrechtlich, durch Art. 1 und 3 der Verordnung III betreffend
Abänderung der Verordnung über das Handelsregister und das Handelsamtsblatt
(Gebührenordnung) vom 8. Dezember 1917 vorgeschriebene Taxe eine
bundesrechtliche Abgabe im Sinne der Art. 4 und 5 VDG sei, obschon gemäss Art.
7 der erwähnten Verordnung nur die Hälfte des Ertrages der Deckung des
Finanzbedarfe, des Bundes dient (vgl. KIRCHHOFER, a.a.O. S. 15). denn wenn die
Frage zu verneinen wäre, müsste die Beschwerde in Bezug auf diesen Posten
trotzdem zugelassen werden, da es sich jedenfalls um einen Entscheid einer
kantonalen Aufsichtsbehörde in einer Handelsregistersache handelt, der
angefochten worden ist (VDG Anhang I Abs. 2). Das Bundesgericht hat denn auch
schon in seinem Urteil vom 15. Juli 1930 i. S. Schweizerische Hypothekenbank
gegen die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich eine Beschwerde
gegen die Auferlegung einer Handelsregistergebühr zugelassen (BGE 56 I S. 208
ff.).
Was endlich die Kosten des Handelsregisterbureau's Zürich im Betrage von 6 Fr.
40 Cts. betrifft, müsste eigentlich erst untersucht werden, welcher Teil davon
schon mit der Hauptsache hätte zum Gegenstand des Rekurses gemacht werden
können und welcher Teil erst nachträglich als Inkassospesen entstanden ist. Es
erübrigt sich jedoch, darüber noch Erhebungen anzustellen, da die Beschwerde
ohnehin als aussichtslos erscheint.
2.- Weder das Obligationenrecht, noch die Handelsregisterverordnungen kennen
eine Vorschrift darüber, wer die Eintragungsgebühr zu zahlen verpflichtet ist,
wenn eine Eintragung von Amtes wegen vorgenommen wird.
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Das erklärt sich daraus, dass diese Entscheidung in der Regel keine
Schwierigkeiten bereitet. In Übereinstimmung mit dem Erkenntnis des
eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes vom 29. März 1828 i. S.
«London House Ltd. S. A., Lausanne» muss angenommen werden, dass zur
Entrichtung der Gebühr gehalten ist, wer zur Anmeldung der Eintragung
verpflichtet gewesen wäre. Die Bestimmung dieser Person oder dieser Personen
ist einfach, wenn es sich um die Eintragung einer Einzelfirma oder einer schon
oder noch bestehenden Gesellschaft handelt. Diese Lösung ergibt sich übrigens
auch aus Art. 864
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 864 - 1 Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen. |
|
1 | Die Statuten bestimmen, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind auf Grund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen. |
2 | Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen. |
3 | Die Genossenschaft bleibt indessen auch ohne statutarische Bestimmung hierüber berechtigt, die Rückzahlung bis auf drei Jahre hinauszuschieben, sofern ihr durch diese Zahlung ein erheblicher Schaden erwachsen oder ihr Fortbestand gefährdet würde. Ein allfälliger Anspruch der Genossenschaft auf Bezahlung einer angemessenen Auslösungssumme wird durch diese Bestimmung nicht berührt. |
4 | Die Ansprüche des Ausscheidenden oder seiner Erben verjähren in drei Jahren vom Zeitpunkt an gerechnet, auf den die Auszahlung verlangt werden kann. |
«Beteiligten» auch die Gebühr selbst auferlegen können.
Im vorliegenden Fall kann deshalb kein Zweifel bestehen, dass die
Gebührenpflicht den Mitgliedern des Vorstandes der gelöschten Genossenschaft
obliegt, welche die vorzeitige Löschung veranlasst hatten und welche eben
deshalb verpflichtet gewesen wären, die Wiedereintragung anzumelden (OR Art.
695 ff.). Daran ändert der Umstand nichts, dass die Genossenschaft kein
unmittelbar realisierbares Vermögen mehr besitzt, aus welchem die
Vorstandsmitglieder die Gebühr bezahlen könnten. Für die Abgabe ist dem Staate
gegenüber verpflichtet, wer die betreffende Amtshandlung, deren Aequivalent
die Gebühr darstellt, nachgesucht hat oder hätte nachsuchen sollen.
Die Art und Weise, in welcher übrigens seinerzeit die Löschung durch den
Vorstand der Genossenschaft veranlasst worden war, ist ganz dazu angetan,
diese Lösung im vorliegenden Falle als durchaus angebracht zu bezeichnen.
Schon 9 Tage nach dem Verkauf der beiden Liegen schaffen an Müller wurde die
Auflösung beschlossen. Auch die Frist des Art. 713 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 713 - 1 Die Beschlüsse des Verwaltungsrates werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Vorsitzende hat den Stichentscheid, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen. |
|
1 | Die Beschlüsse des Verwaltungsrates werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Vorsitzende hat den Stichentscheid, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen. |
2 | Der Verwaltungsrat kann seine Beschlüsse fassen: |
1 | an einer Sitzung mit Tagungsort; |
2 | unter Verwendung elektronischer Mittel, in sinngemässer Anwendung der Artikel 701c-701e; |
3 | auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form, sofern nicht ein Mitglied die mündliche Beratung verlangt. Im Fall der Beschlussfassung auf elektronischem Weg ist keine Unterschrift erforderlich; vorbehalten bleibt eine anderslautende, schriftliche Festlegung des Verwaltungsrats.578 |
3 | Über die Verhandlungen und Beschlüsse ist ein Protokoll zu führen; dieses wird vom Vorsitzenden und vom Protokollführer unterzeichnet.579 |
innegehalten worden zu sein. Der Rekurrent hat es deshalb seinem eigenen
Verhalten zuzuschreiben, wenn ihm Kosten entstanden sind, die sich hätten
vermeiden lassen.
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3.- Es könnte sich allerdings fragen, ob in Fällen von
Wiedereintragungspflicht, wo keine andern Aktiven als Anfechtungs- und
Wiedereinbringungsklagen mehr vorhanden sind (vgl. z. B. BGE 57 I S. 39 ff.)
und wo der Erfolg einer Wiedereintragung praktisch gesprochen zweifelhaft
erscheint, nicht ein Kostenvorschuss von dem die Wiedereintragung
nachsuchenden Gläubiger erhoben werden sollte, in der Meinung, dass es seine
Sache wäre, sich auch dafür nachher beim Schuldner Deckung zu verschaffen. Die
Vorschusspflicht des Gläubigers ist allerdings nirgends vorgeschrieben; doch
ist zu beachten, dass überhaupt das ganze Wiedereintragungsverfahren auf dem
Wege der Praxis ausgebildet worden ist. und dass darum die Einführung der
Vorschusspflicht des nachsuchenden Gläubigers auf keine Schwierigkeiten
stossen würde. Es wird jedoch Sache des Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartementes sein, zu entscheiden, ob sich die Einführung der
Vorschusspflicht rechtfertigt.
4.- ...
5.- Die vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement aufgeworfene Frage,
ob der Rekurrent mit den andern beiden Vorstandsmitgliedern nur pro parte
hafte, ist entsprechend dem Antrage des Departementes zu verneinen. Die drei
Vorstandsmitglieder haften solidarisch. Art. 143
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 143 - 1 Solidarität unter mehreren Schuldnern entsteht, wenn sie erklären, dass dem Gläubiger gegenüber jeder einzeln für die Erfüllung der ganzen Schuld haften wolle. |
|
1 | Solidarität unter mehreren Schuldnern entsteht, wenn sie erklären, dass dem Gläubiger gegenüber jeder einzeln für die Erfüllung der ganzen Schuld haften wolle. |
2 | Ohne solche Willenserklärung entsteht Solidarität nur in den vom Gesetze bestimmten Fällen. |
die Schuld auf dem öffentlichen Recht beruht. Wie im Zivilrecht aber bei einem
von mehreren Personen gemeinschaftlich übernommenen Auftrag die Mandatare dem
Mandanten solidarisch haften (OR Art. 403
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 403 - 1 Haben mehrere Personen gemeinsam einen Auftrag gegeben, so haften sie dem Beauftragten solidarisch. |
|
1 | Haben mehrere Personen gemeinsam einen Auftrag gegeben, so haften sie dem Beauftragten solidarisch. |
2 | Haben mehrere Personen einen Auftrag gemeinschaftlich übernommen, so haften sie solidarisch und können den Auftraggeber, soweit sie nicht zur Übertragung der Besorgung an einen Dritten ermächtigt sind, nur durch gemeinschaftliches Handeln verpflichten. |
wenn ein Befehl mehreren Personen gemeinschaftlich, hier dem Vorstand der
Genossenschaft, erteilt wird, eine solidarische Verpflichtung daraus
resultieren. Im Bundesgesetz über das Zollwesen ist dies denn auch in Bezug
auf die Zollzahlungspflicht in Art. 13 ausdrücklich vorgesehen. Eine Belangung
der Vorstandsmitglieder, z. B. bei einem vielköpfigen Verwaltungsrat einer
Aktiengesellschaft, nur für den Anteil an der verhältnismässig kleinen Gebühr
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wäre übrigens derart unzweckmässig, dass sie dem Fiskus nicht zugemutet werden
kann.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.