S. 219 / Nr. 36 Pressefreiheit (d)

BGE 58 I 219

36. Urteil vom 30. September 1932 S. «Nationale Front» und Gen. gegen St.
Gallen.


Seite: 219
Regeste:
Es bildet keine Verletzung der Rechtsgleichheit, der Gewerbefreiheit oder der
Pressfreiheit, wenn der Verkauf von Zeitungen auf öffentlichen Strassen und
Plätzen und in Wirtschaften als Hausieren unter den Patentzwang gestellt wird
(Erw. 1).
In der Annahme, dass eine Zeitung, die durch ihre beständigen Angriffe gegen
die Juden den öffentlichen Frieden unter den

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Angehörigen der christlichen und jüdischen Religionsgenossenschaften oder die
öffentliche Ordnung und Sittlichkeit stört, Anstoss in sittlicher Beziehung im
Sinne des st. gallischen Hausiergesetzes errege und daher dafür kein
Hausierpatent erteilt werden dürfe, liegt keine Willkür (Erw. 2).
Bildet es eine Verletzung der Gewerbefreiheit oder der Pressfreiheit, wenn das
Hausierpatent für künftige Nummern einer solchen Zeitung verweigert wird (Erw.
3 und 4) 7

A. - In der deutschen Schweiz besteht eine politische Vereinigung, die sich
den Namen Nationale Front gegeben und hauptsächlich den Zweck hat, den
«jüdischen Marxismus» zu bekämpfen. Sie gibt seit dem November 1931 ein
Kampfblatt heraus, den «Eisernen Besen». In jeder der ersten 15 Nummern dieser
Zeitung, die vom 7. November 1931 bis zum 4. Juni 1932 erschienen sind, werden
die Juden unter Anführung von Stellen aus dem Alten Testament und dem Talmud
heftig angegriffen, insbesondere als eine sittlich ganz minderwertige Rasse
hingestellt. So wird in No. 1 vom 7. November 1931 unter den Titeln «Jüdische
Moral» und «Etwas für die dummen Arbeiter» als «Richtlinien der Weisen von
Zion», folgendes angegeben: «Wir haben die nichtjüdische Jugend (durch falsche
Grundsätze und Lehren) verdummt, verführt und verdorben.... Alle schlechten
Gewohnheiten und Leidenschaften müssen derart auf die Spitze getrieben werden,
dass sich niemand mehr... zurecht finden kann... Unsere Macht beruht auf der
dauernden Unterernährung und der Schwäche des Arbeiters.» Die No. 2-5
enthalten die fettgedruckte Randbemerkung: «Fort mit allen Wucherjuden und mit
ihren Einheitsbuden» ferner steht in No. 2 vom 14. November 1931 unter dem
Titel «Revolution auch in der Schweiz» folgendes: Das Ziel der Nationalen
Front sei die Befreiung des heute schwer ringenden Schweizervolkes von der
Unterdrückung durch die «internationalverbündeten Blutsaugergrossmächte des
Judentums, des Kapitalismus und des Marxismus», Das Judentum sei der Vater der
nur auf Geld gerichteten Geistesrichtung; getragen von der Idee, zur
Herrschaft

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über die andern Völker berufen zu sein, sei es das habgierigste, brutalste,
gefühlloseste Volk der Weltgeschichte; es habe sich von Anfang an bis auf den
heutigen Tag einer ununterbrochenen Kette von Betrügereien, Diebstählen,
Grausamkeiten und sittlichen Gemeinheiten schuldig gemacht, die man vergebens
bei andern Völkern suche. An der Spitze der grössten «Wucherer, Banditen,
Bankbetrüger, Mädchenhändler, Hochverräter und politischen Verführer» finde
man überall Juden. Diese hätten es mit der Zeit verstanden, die bisher geübten
redlichen Grundsätze des Handels zu untergraben. Die stärkste Triebfeder beim
Juden Karl Marx und den jüdischen Mitbegründern seines ideologischen Systems
sei abgrundtiefer Hass gewesen. Allmählich habe man die Sinnlosigkeit des
dadurch herbeigeführten brudermörderischen Vernichtungskampfes, bei dem der
Jude nur der lachende Dritte sein würde, eingesehen, wenn auch der Kampf gegen
den völkermordenden Parasitismus des Judentums noch nicht ausgekämpft sei.
Einzig in der Schweiz mache es den Anschein, als sollte man den verheerenden
Wirkungen der jüdischen Pest erst noch gründlicher erliegen müssen. Die
genannte Nummer enthält ausserdem eine Liste von jüdischen Advokaten in
Zürich. In No. 3 vom 15. Dezember 1931 wird bei der Besprechung eines
Diamantendiebstahls in Basel bemerkt, dass die Täter nach dem, was man von
ihnen wisse, Juden gewesen seien, und darauf hingewiesen, was alles zum
Vorschein gekommen wäre, wenn man bei allen auf der Strasse herumlaufenden
Juden unvermittelte Hausdurchsuchungen vorgenommen hätte. Ferner wird darin
vom Lügen, von der Gewissenlosigkeit der Juden gesprochen und gesagt, dass das
jüdisch-materialistische Denken dem Schweizervolk in der innersten Seele
verhasst sei. In No. 4 vom 23. Dezember 1931 wird bei der Besprechung der
Einheitspreisläden bemerkt, dass nur noch eine staatliche Bettelsuppenanstalt
für diejenigen fehle, die der internationale Jude bis aufs Hemd ausgeplündert
habe. Ausserdem wird behauptet, dass der Zweck der

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Internationale dahin gehe, aus dem Menschen ein blosses Arbeitstier für den
Staat zu machen, «ein kleines Tröpfchen im grossen Strom, der das Mühlrad der
Staatsfinanzen treibt», und hinzugefügt: «Und hohnlachend sitzt der Müller,
der grausige Jude, am Rad und füllt seinen Säckel mit Gold.» «Die Huronen, die
Kanadier, die Irokesen waren», so wird weiter bemerkt, «Philosophen der
Humanität im Vergleich zu den Israeliten.» In No. 5 vom 9. Januar 1932 wird
die Nachricht von einem Boykott der jüdischen Geschäfte in Polen gebracht und
beigefügt: «Wann sind wir so weit, unser einheimisches Gewerbe und unseren
Handel zu schützen?» Ausserdem werden die Juden in gleicher Weise wie bisher
beschimpft und von den «jüdischen Vampyren», die auf dem Rücken des russischen
Volkes sitzen, von den «Wucherjuden», die das Volk «hohngrinsend» «fressen»
und mitten unter uns leben, gesprochen. Auch auf den «Geruch ihrer Rasse» wird
hingewiesen. In gleichem Sinne wird von den Juden auch in den folgenden
Nummern gesprochen. No. 6 vom 23. Januar 1932 enthält einen Artikel mit dem
Titel:«Mädchenhandel, auch ein koscheres Geschäft» und an einem andern Orte
folgende Ausführungen: «Gewiss; an Tieren vergreift sich der Jude heute nicht
mehr; zur Befriedigung seiner sexuellen Geilheit findet der Jude einen weitaus
grösseren Genuss an der Schändung unserer blauäugigen und blondhaarigen
Christenmädels.... Und dieser fremdrassigen jüdischen Substanz mit einer solch
teuflischen Einstellung zu seinem arischen christlichen Wirtsvolke, das ihm
Asylrecht gewährt, ist seinerzeit auf internationalen Druck hin die volle
Gleichberechtigung mit uns Christen eingeräumt worden! Ist damit an der
arisch-christlichen Menschheit nicht ein gemeiner Verrat begangen worden?» In
No. 7 vom 6. Februar 1932 wird wieder von der dem Christentum notorisch
feindlichen, ihm art- und wesensfremdem jüdischen «Gegenrasse» und deren
«Geruch» gesprochen und als Inhalt des «Manifestes des Sanhedrin der Kahals»
folgendes

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wiedergegeben: «... wir ehren das jüdische Weib und üben verbotene Gelüste
lieber an den Weibern unserer Feinde.... Es sind Christenmädchen genug da....
Die sich unserer Lust nicht fügen will, erhält keine Arbeit, also kein Brot.»
Ferner wird in No. 7 und 8 (vom 20. Februar 1932) aus Goethes Werken folgender
Ausspruch fett gedruckt: «Sie haben einen Glauben, der sie berechtiget, die
Fremden zu berauben». Sehr heftige Anfeindungen der Juden enthalten auch die
No. 9-15. In No. 9 vom 5. März 1932 wird u. a. der Ausweisung der Juden, der
«Vernichtung des Bösen» das Wort geredet und in Beziehung auf die Judenfrage
gesagt, nur Durchzug eisiger Stürme bewirke den «Abzug der Giftgase, die sich
über unsere heiligsten Güter gelegt haben». No. 11 vom 2. April 1932 enthält
die Andeutung, dass die Juden das Kind Lindbergh geraubt haben. In No. 12 vom
23. April 1932 wird wiederum die Ausrottung der Juden empfohlen, ferner
bemerkt, dass «die Kugeln der arischen Rächer» den «marxistischen Juden
Rathenau» nicht verfehlt haben, und der Verdacht ausgesprochen, es könnte sich
bei der Ermordung einer Hausangestellten des jüdischen Viehhändlers Meyer in
Paderborn um jüdisches Schächten gehandelt haben. No. 13 vom 7. Mai 1932
enthält den fettgedruckten Satz: «Der Jude ist der plastische Dämon des
Verfalls der Menschheit». Ferner wird darin gesagt, dass ein Jude als
Angehöriger einer den Schweizern feindlichen «Gegenrasse» kein Volksgenosse
und daher auch kein Schweizerbürger sein könne. Sodann wird das Bekenntnis
eines Juden gebracht, wonach die jüdische Religion eigentlich nur eine Maske
sei, hinter der sich eine «feindselig gegen alle Völker verschworene
Geschäftsgenossenschaft» verberge. Ein in No. 14 vom 21. Mai 1932 abgedruckter
Artikel über die Juden enthält den Titel:«Die Religion ist einerlei, In der
Rasse liegt die Schw....».
Mit Rücksicht auf den erwähnten Inhalt der No. 1-12 oder 13 des «Eisernen
Besens», die damals schon erschienen waren, verfügte das Polizeidepartement
des Kantons

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St. Gallen am 9. Mai 1932, dass diese Zeitung im Hausierhandel auf dem Gebiete
des Kantons St. Gallen nicht vertrieben werden dürfe. Die Vereinigung
«Nationale Front» beschwerte sich hierüber beim Regierungsrat des Kantons St.
Gallen. Dieser wies die Beschwerde am 11. Juni 1932 ab und bestätigte das
angefochtene Verbot, indem er ausführte: a Die Verweigerung des
Hausierpatentes stützt sich auf Art. 8 des Gesetzes über den Marktverkehr und
das Hausieren vom 28. Juni 1887. Gemäss lit. a des genannten Artikels soll
kein Patent erteilt werden, wenn mit der Ausübung des Gewerbes in sittlicher
Hinsicht Anstoss erregt wird. Diese Bestimmung hat in der Praxis eine
Erweiterung erfahren in dem Sinne, dass das Patent auch dann verweigert werden
soll, wenn der hausiermässige Verkauf das religiöse Empfinden gröblich
verletzen würde. Dies dürfte im vorliegenden Falle objektiv zutreffen.
Namentlich No. 12 und 13 der genannten Zeitschrift sind geeignet, die
religiösen Gefühle eines Teils des Publikums zu verletzen und somit auch einen
gewissen Bevölkerungskreis zu belästigen (Art. 8 lit. c). Es sind denn auch
schon solche Beschwerden beim Departement mündlich vorgetragen worden. Durch
die Verweigerung des Hausierpatentes ist die Herausgabe und der Vertrieb auf
andere Weise (Abonnement, Kioske, Buchhandlungen, etc.) keineswegs
beeinträchtigt.... Schliesslich sei bemerkt, dass weder das Patentamt noch das
Polizeidepartement die Haltung des Blattes und seine Schreibweise einer Kritik
unterziehen wollen und somit in der Anwendung der eingangs erwähnten
Gesetzesbestimmung keine Zensurmassnahme gegen Presseerzeugnisse erblickt
werden kann.»
B. - Gegen diesen Entscheid haben die Vereinigung «Nationale Front», ihr
Mitglied A. Glarner und der Hausierer M. Schlegel die staatsrechtliche
Beschwerde ergriffen mit dem Antrag, er sei aufzuheben und der hausiermässige
Vertrieb des «Eisernen Besens», eventuell auf den öffentlichen Strassen und
Plätzen und in den Wirtschaften, zu gestatten.

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Die Rekurrenten machen geltend: Die Bewegung der «Nationalen Front» richte
sich ausschliesslich gegen den «jüdischen marxistischen Kulturbolschewismus»,
die Politik der Juden, «das von jüdischen, marxistischen Geschäftsleuten sehr
oft eingehaltene entsittlichende Geschäftsgebahren» und auch gegen die
Vorschriften des Talmuds, nicht aber gegen rein religiöse Grundsätze des
Judentums, zumal da die Religion das einzige sei, was Christen und Juden
verbinde. Der «Eiserne Besen» verletze daher nicht religiöse Gefühle von
Einwohnern des Kantons St. Gallen. Wenn Juden über diese Zeitung gelästert
hätten, so sei das nicht deswegen geschehen, weil ihr religiöses Empfinden
verletzt worden sei, sondern deswegen, weil das jüdische Geschäftsgebahren an
den Pranger gestellt worden sei. Der Talmud bilde nicht eine Religionsquelle,
sondern das verwerfliche Statut eines Rassenstammes, dessen Heimat Palästina
sei, der sich aber über die ganze Welt immer mehr ausdehne, um in jedem Lande
einen Staat im Staate zu bilden. Nirgends sei der Jude seines Glaubens wegen
an den Pranger gestellt worden. Presseerzeugnisse, die die einzelnen
Konfessionen oder Religionen angreifen und überall durch Reisende vertrieben
werden, wie Schopenhauer, Nietzsche, Forel u. a., würden nicht verboten. Die
blosse Tatsache, dass die Publikationen des «Eisernen Besens» bei einem Teil
der Bevölkerung auf Ablehnung und Unwillen stossen, könne niemals solche
Einschränkungen der Pressefreiheit, der Handels- und Gewerbefreiheit oder der
Rechtsgleichheit rechtfertigen, wie sie im 'angefochtenen Verbote liegen.
Sonst müssten alle marxistischen Zeitungen und Bücher, die über Ausbeutung der
Arbeiter durch die Arbeitgeber klagen, an der Verbreitung gehindert werden.
Nach dem eigenen Empfinden des Regierungsrates sei ja gegenüber dem «Eisernen
Besen» nichts einzuwenden. Zudem sage Art. 4 des Gesetzes über den
Marktverkehr und das Hausieren erschöpfend, was als Hausieren oder Gewerbe
betrieb im Umherziehen aufzufassen sei. Der Verkauf von

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Zeitungen auf Strassen und Plätzen sei darin nicht enthalten, so dass es
willkürlich sei und gegen Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV verstosse, wenn er unter Art. 4 des
Gesetzes gebracht werde.
C. - Der Regierungsrat hat die Abweisung der Beschwerde beantragt. Seinen
Ausführungen ist folgendes zu entnehmen: a Namentlich die in Frage stehenden
Nummern 12 und 13 des «Eisernen Besens», aber auch andere ins Recht gelegte
Exemplare dieser Zeitung sind zweifelsohne geeignet, das religiöse Empfinden
der Juden zu verletzen und so den religiösen Frieden zu gefährden! ... Es
seien hier namentlich folgende Stellen hervor gehoben: . . . No. 15 «Tun Sie
es, Herr Rabbiner und. fordern Sie Ihre sämtlichen Glaubengenossen dazu auf,
zur Sühne für die an den christlichen Völkern durch die erwischten
Glaubensgenossen Ihrer Konfession begangenen Verbrechen...».... Wie dem
mitfolgenden Schreiben der israelitischen Kultusgemeinde St. Gallen zu
entnehmen ist, haben die Artikel mehrerwähnter Zeitschrift in hiesigen und
auswärtigen jüdischen Kreisen gewaltige Beunruhigung hervorgerufen. Die
Zuschrift enthält u. a. folgende Stelle: «Es ist nicht zu leugnen, dass durch
die Verächtlichmachung unserer Religion, unserer Institutionen, des Talmuds,
das konfessionelle Empfinden aufs schwerste verletzt wird ...». Aber auch aus
dem Schreiben des Sekretärs des israelitischen Gemeindebundes der Schweiz und
der jüdischen Gemeinde St. Gallen geht deutlich hervor, dass die Verbreitung
des «Eisernen Besens» in sittlicher Beziehung Anstoss erregt und das religiöse
Empfinden weiter Kreise tief verletzt. Es darf also unbedenklich angenommen
werden, dass die Voraussetzungen von Art. 8 Lit. a und eventuell auch Lit. G
vorliegen (Belästigung des Publikums). Darin liegt ohne Zweifel ein relevantes
Moment öffentlicher Ordnung, welches ein Verbot ohne weiteres rechtfertigt, ja
aufdrängt. . . . Wenn der Regierungsrat in seinen Erwägungen betonte, «dass
weder das Patentamt noch das Polizeidepartement

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die Haltung des Blattes und seine Schreibweise einer Kritik unterziehen», so
wollte er eben unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass es sich bei der
behördlichen Verfügung nicht um eine zensurähnliche Massnahme, die vor Art. 55
der Bundesverfassung nicht bestehen könnte, handle, sondern dass sich das
Verbot ausschliesslich auf gewerbepolizeiliche Rechtsnormen stütze.... Die
Einwendung, Paragraph 4 des Hausiergesetzes sei lediglich auf das Hausieren
von Haus zu Haus anwendbar, ist unzutreffend, da seit Aufkommen des
Strassenverkaufes auch diese Art des Gewerbebetriebes unter den Begriff des
Umherziehens subsumiert wurde. Entgegen der Annahme der Rekurrenten haben auch
die Zeitungsverkäufer auf der Strasse und in den Restaurants ein Patent zu
lösen, mit andern Worten, auch diese gewerbliche Tätigkeit ist den, im
Hausiergesetz enthaltenen Beschränkungen unterworfen.... Es wäre auch gar
nicht einzusehen, warum diese Art des ambulanten Verkaufes von Waren ohne
jegliche behördliche Kontrolle betrieben werden dürfte. Dabei mag immerhin
erwähnt werden, dass die Verbreitung politischer Zeitungen, hinter denen
anerkannte politische Parteien stehen, nicht mit den gleichen Gefahren
verbunden ist, wie der Vertrieb eines kulturpolitischen und religiösen
Kampfblattes. Bei Publikationen der letzteren Art muss in dieser Hinsicht ein
strengerer Masstab angelegt werden.»
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- «Als Hausieren oder Gewerbebetrieb im Umher ziehen» ist nach Art. 4 Ziff.
1 litt. a des st. gallischen Hausiergesetzes vom 17. Mai 1887 aufzulassen «das
Feilbieten von Waren durch Umhertragen von Haus zu Haus». Darunter lässt sich
zweifellos der Verkauf von Zeitungen von Wirtschaft zu Wirtschaft verstehen.
Aber auch der blosse Verkauf auf öffentlichen Strassen und Plätzen kann ohne
Willkür unter den erwähnten Begriff gebracht werden. Der Wortlaut des Art. 4
des Gesetzes

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legt die Annahme nahe, dieses erblicke das wesentliche Merkmal des Hausierens
im Umstand, dass Waren oder Leistungen «im Umherziehen» angeboten werden, wie
denn nach Ziff. 4 und 5 auch» der Betrieb eines Handwerkes im Umherziehen» und
die Betätigung «herum ziehender Schauspieler» als Hausieren gilt. Daraus darf
geschlossen werden, dass schon das Anbieten von Waren im Umherziehen auf
öffentlichen Strassen und Plätzen als Hausieren aufzufassen sei, zumal da das
der Praxis der st. gallischen Verwaltungsbehörden entspricht. Eine solche
Ausdehnung des dem Patentzwang unterliegenden Hausiergewerbes steht auch mit
der Handels- und Gewerbefreiheit im Einklang (vgl. BGE 42 I S. 253 ff.; 55 I
S. 77 f.; 57 I S. 101 ff.). Ebenso verstösst es an sich nicht gegen die
Pressireiheit, wenn der Verkauf von Zeitungen auf der Strasse- als Hausieren
dem Patentzwang unterstellt wird (BGE 13 S.261; 15 S. 540 Erw. 2).
2.- Der Regierungsrat hat das Hausierpatent für den «Eisernen Besen» wegen
gröblicher Verletzung des religiösen Empfindens der Juden oder; wie er in der
Vernehmlassung ausgeführt hat, wegen einer mit der öffentlichen Ordnung
unvereinbaren Gefährdung des religiösen Friedens verweigert oder entzogen,
indem er sich dabei auf Art. 8 litt. a und c des Hausiergesetzes stützte. Die
Rekurrenten haben mit Recht nicht behauptet, dass es eine willkürliche
Auslegung und Anwendung von Art. 8 litt. «bilde, wenn unter der Erregung von
Anstoss in sittlicher Beziehung auch eine gröbliche Verletzung des religiösen
Empfindens, eine Gefährdung des religiösen Friedens verstanden wird. Sie
machen lediglich geltend, dass im «Eisernen Besen» das religiöse Empfinden der
Juden nicht verletzt werde, sondern diese Zeitung bei ihnen sonst auf
Ablehnung und Unwillen stosse und aus diesem Grunde die Verweigerung des
Patentes. die Pressefreiheit, die Gewerbefreiheit und die Rechtsgleichheit
verletze. Nun bedarf es keiner weitern Erörterung, dass der «Eiserne Besen»
mit den in No. 1-15 enthaltenen Artikeln

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und Äusserungen über die Juden diesen ganz allgemein die schlimmsten und
gemeinsten Vorwürfe in Beziehung auf ihre ganze Haltung gegenüber der
menschlichen Gesellschaft in höchst unanständiger Form gemacht und zudem die
nichtjüdische Bevölkerung systematisch zur feindseligen Einstellung gegen die
Juden gereizt hat. Insbesondere sind dabei Missetaten, die einzelne Juden
begangen haben mögen, als Ausfluss der speziellen Charakter- und Geistesanlage
des ganzen jüdischen Volkes hingestellt und ist damit allen Volks- und
Religionsgenossen die Fähigkeit zu solchen Missetaten zugeschrieben worden.
Hierin ist, wenn nicht gerade eine direkte Verletzung des religiösen
Empfindens der Juden, so doch wohl eine Störung des religiösen Friedens unter
den Angehörigen der christlichen und jüdischen Religionsgenossenschaften im
Sinne des Art. 50 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV (vgl. BURCKHARDT, Komm. z. BV 3. Aufl. S. 465) zu
finden, zumal wenn man die stete Wiederholung der Angriffe und die vom
Regierungsrat in seiner Antwort hervorgehobenen, die Religion betreffenden
Stellen berücksichtigt. Selbst wenn aber auch eine solche Störung nicht
anzunehmen wäre, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass die erwähnten
Angriffe des «Eisernen Besens» gegen die Juden mit der öffentlichen Ordnung
und Sittlichkeit unvereinbar waren. Derartige nach Inhalt und Form masslose
Angriffe, die sich gegen die Angehörigen anderer Rassen oder
Religionsgenossenschaften richten, wirken ungleich viel stärker und
verletzender, als wenn die Angehörigen politischer Parteien oder diejenigen
angegriffen werden, die eine bestimmte soziale oder berufliche Stellung
einnehmen. In einer solchen Störung der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit,
wie sie hier zweifellos vorliegt, lässt sich sehr wohl die Erregung von
Anstoss in sittlicher Beziehung im Sinne des Art. 8 litt. a des st. gallischen
Hausiergesetzes erblicken.
3.- Wenn für die Verbreitung von Zeitungsnummern, die wegen ihres Inhaltes den
öffentlichen Frieden zwischen den Angehörigen der verschiedenen

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Religionsgenossenschaften stören oder sonst gegen die öffentliche Ordnung und
Sittlichkeit verstossen, das Hausierpatent nicht erteilt oder entzogen wird,
so entspricht das dem Grund und Zweck des vor Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV zulässigen
Patentzwanges; denn dieser besteht darin, dass bei Gewerben, die mit besondern
Gefahren für die öffentliche Ordnung verbunden sind, durch eine der
Gewerbeausübung vorangehende Kontrolle möglichst von vornherein für einen
polizeilich einwandfreien Gewerbebetrieb gesorgt werden soll. Eine
Patentverweigerung im angegebenen Sinne steht daher mit der Gewerbefreiheit im
Einklang. Es steht aber mit dieser Verfassungsgarantie auch nicht im
Widerspruch, dass im vorliegenden Fall auf Grund der bereits erschienenen
Nummern des «Eisernen Besens» das Hausierpatent für die künftigen Nummern
verweigert oder entzogen worden ist; denn jede der 15 ersten Nummern strotzt
derart von polizeiwidrigen Angriffen und Anschuldigungen gegen die Juden im
allgemeinen, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit die Fortsetzung dieser An
griffe in den folgenden Nummern erwartet werden musste, wie denn auch die
Rekurrenten selbst zugeben, dass die «Nationale Front» insbesondere die
Bekämpfung des «jüdischen Marxismus» bezweckt.
4.- Die Pressfreiheit ist ebenfalls nicht verletzt. Sie steht dem Patentzwang
für den hausiermässigen Vertrieb von Presserzeugnissen nicht im Wege und
schliesst daher auch die durch den Patentzwang geforderte Kontrolle zur
Sicherung eines polizeilich einwandfreien Gewerbebetriebes bei
Presserzeugnissen nicht unter allen Um ständen aus (BGE 13 S. 261). Allerdings
hat sich das Bundesgericht beim Entscheid in Sachen Arnold vom 12. Juli 1889
(BGE 15 S. 540 Erw. 2) auf den Standpunkt gestellt, die Pressfreiheit lasse es
nicht zu, dass die Verbreitung von Presserzeugnissen durch Verkauf im Umher
ziehen allgemein von einer vorherigen polizeilichen Prüfung und Genehmigung
des Inhaltes abhängig gemacht werde. Doch hat das Bundesgericht es dabei vom

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Standpunkt der Pressfreiheit aus zugelassen, dass eine Patentbehörde das
Hausierpatent für Drucksachen verweigert, wenn sie bei der Einreichung des
Patentgesuches erkennt, dass es sich um unsittliche Schriften handelt, deren
Verbreitung strafbar ist. Im vorliegenden Fall hat zwar der Regierungsrat
nicht angenommen, dass der Druck und die Herausgabe der 15 ersten Nummern des
«Eisernen Besens» eine strafbare Handlung bilden; aber er hat mit Recht
festgestellt, dass deren Verbreitung mit dem Gebot des öffentlichen Friedens
unter den Angehörigen der christlichen und jüdischen Religionsgenossenschaften
oder doch sonst mit der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit zweifellos
unvereinbar sei und sich das auch in der Wirkung auf das Publikum klar gezeigt
habe. Indem er auf Grund dieser Feststellung und der begründeten Annahme, dass
die Herausgabe der folgenden Nummern höchst wahrscheinlich ebenfalls die
öffentliche Ordnung stören würde, das Hausierpatent für diese künftigen
Nummern verweigert oder entzogen hat, ist die Pressfreiheit nicht verletzt
worden, weil dadurch das Recht der freien Meinungsäusserung nicht unterbunden,
sondern nur eine bestimmte, dem Patentzwang unterliegende Art der Vertreibung
eines Presserzeugnisses aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit
nicht gestattet wird. Es handelt sich auch nicht um eine unzulässige Vorzensur
(vgl. BGE 52 I S. 124 f.). Da das Hausierpatent nicht für jede Nummer einer
periodischen Zeitung besonders verlangt und erteilt wird, so hätten die st.
gallischen Behörden auf einem andern Wege den der öffentlichen Ordnung
zuwiderlaufenden Vertrieb des «Eisernen Besens» im Umherziehen nicht
verhindern können.
Wenn aber die Rekurrenten durch eine Reihe von neuen Nummern des «Eisernen
Besens» dartun können, dass dieser die polizeiwidrigen Angriffe gegen die
Juden auf gegeben hat, so werden die kantonalen Behörden den Rekurrenten auf
ihr Gesuch das Hausierpatent für die genannte Zeitung wieder erteilen müssen.

Seite: 232
6.- Ob der Vertrieb des «Eisernen Besens» im Um herziehen auch eine
Belästigung des Publikums im Sinne des Art. 8 litt. c des st. gallischen
Hausiergesetzes gebildet habe, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Immerhin mag bemerkt werden, dass sich die Belästigung, von der in litt. c des
Art. 8 die Rede ist, wohl eher auf die Art, wie dem Publikum eine Sache oder
Leistung angeboten wird, als auf den Inhalt des angebotenen Gegenstandes
bezieht (vgl. BGE 50 I S. 376 ff.).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 58 I 219
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 30. September 1932
Quelle : Bundesgericht
Status : 58 I 219
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Es bildet keine Verletzung der Rechtsgleichheit, der Gewerbefreiheit oder der Pressfreiheit, wenn...


Gesetzesregister
BV: 31 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BGE Register
42-I-249 • 50-I-369 • 52-I-120 • 58-I-219
Stichwortregister
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