S. 213 / Nr. 54 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 57 III 213

54. Entscheid vom 14. Dezember 1931 i. S. Kirchner & Cie.


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Regeste:
Nachlasstundung: entfaltet ihre Wirkungen erst vom Moment der Bewilligung an;
keine Befugnis der Nachlassbehörde, schon bei Einreichung des Gesuches die
Vornahme weiterer Betreibungshandlungen zu untersagen. SchKG Art. 297.
Le sursis concordataire ne déploie d'effets qu'à partir du moment où il est
accordé. L'autorité du concordat n'a donc pas qualité pour suspendre dès la
présentation de la demande l'exécution de tout acte ultérieur de poursuite.
Art. 297 LP.
Concordato: la moratoria esplica i suoi effetti solo dal momento in cui fu
concessa. L'autorità concedente non ha quindi veste per sospendere ogni atto
ulteriore d'esecuzione già dal momento in cui la proposta di concordato fu
presentata (LEF 297).

In der Betreibung No. 3803 der Rekurrentin gegen J. Gremminger hatte das
Betreibungsamt Uttwil die Steigerung auf den 28. September 1931 angesetzt. Am
25. September reichte der Schuldner ein Gesuch um Bewilligung einer
Nachlasstundung ein, worauf das Gerichtspräsidium Arbon das Betreibungsamt
anwies, die Steigerung nicht abzuhalten. Das Amt kam dieser Weisung nach. Am
8. Oktober wurde die Stundung vom Bezirksgericht Arbon bewilligt.
Gegen den Rückruf der Steigerung führte die Rekurrentin Beschwerde mit dem
Antrag, das Amt anzuweisen, unverzüglich einen neuen Termin für die Steigerung
anzusetzen. Beide kantonalen Instanzen haben die Beschwerde abgewiesen, die
obere mit folgender Begründung: Die buchstäbliche Auslegung des Art. 297
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 297 - 1 Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
1    Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
2    Für gepfändete Vermögensstücke gilt Artikel 199 Absatz 2 sinngemäss.
3    Für Nachlassforderungen sind der Arrest und andere Sicherungsmassnahmen ausgeschlossen.
4    Wurde vor der Bewilligung der Nachlassstundung die Abtretung einer künftigen Forderung vereinbart, entfaltet diese Abtretung keine Wirkung, wenn die Forderung erst nach der Bewilligung der Nachlassstundung entsteht.
5    Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse und Verwaltungsverfahren über Nachlassforderungen sistiert.
6    Verjährungs- und Verwirkungsfristen stehen still.
7    Mit der Bewilligung der Stundung hört gegenüber dem Schuldner der Zinsenlauf für alle nicht pfandgesicherten Forderungen auf, sofern der Nachlassvertrag nichts anderes bestimmt.
8    Für die Verrechnung gelten die Artikel 213 und 214. An die Stelle der Konkurseröffnung tritt die Bewilligung der Stundung.
9    Artikel 211 Absatz 1 gilt sinngemäss, sofern und sobald der Sachwalter der Vertragspartei die Umwandlung der Forderung mitteilt.
SchKG
ergebe allerdings, dass die Wirkung der Stundung erst mit der Bewilligung der
letztern eintrete. Praktisch bringe jedoch eine solche Auslegung
Unbilligkeiten mit sich, namentlich bei der thurgauischen
Behördenorganisation, nach welcher die Bezirksgerichte für die Erteilung der
Stundung zulässig seien. Es hinge damit von der zufälligen Tagesordnung

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der Gerichte ab, ob ein Stundungsgesuch rechtzeitig genug behandelt werden
könne oder nicht. Sei das nicht der Fall, so ergebe sich für einzelne
Gläubiger die Möglichkeit, sich der allgemeinen Regelung, wie sie durch den
Nachlassvertrag angestrebt werde, zu entziehen und sich zum Nachteil der
übrigen Gläubiger volle Deckung zu verschaffen. Um das auszuschliessen, hätten
die thurgauischen Gerichte in konstanter Praxis die Wirkung der
Nachlasstundung nicht erst mit Bewilligung der Stundung, sondern schon mit dem
Eingang des Gesuches eintreten lassen. Einen Nachteil habe diese extensive
Interpretation nicht: Erweise sich das Stundungsgesuch als unbegründet, so sei
der Aufschub nur von kurzer Dauer; sei es aber begründet, so rechtfertige es
sich auch, dass von der Einreichung an keine Betreibungshandlungen mehr
vorgenommen und alle Gläubiger in den Nachlassvertrag einbezogen würden.
Diesen Entscheid zog die Rekurrentin rechtzeitig an das Bundesgericht weiter
unter Wiederholung ihres vor der ersten Instanz gestellten Antrages.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes wirkt die Stundung erst von dem Moment
an, in welchem sie bewilligt wurde (Art. 295
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 295 - 1 Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
1    Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
2    Dem Sachwalter stehen insbesondere folgende Aufgaben zu:
a  er entwirft den Nachlassvertrag, sofern dies erforderlich ist;
b  er überwacht die Handlungen des Schuldners;
c  er erfüllt die in den Artikeln 298-302 und 304 bezeichneten Aufgaben;
d  er erstattet auf Anordnung des Nachlassgerichts Zwischenberichte und orientiert die Gläubiger über den Verlauf der Stundung.
3    Das Nachlassgericht kann dem Sachwalter weitere Aufgaben zuweisen.
4    Auf die Geschäftsführung des Sachwalters sind die Artikel 8, 8a, 10, 11, 14, 17-19, 34 und 35 sinngemäss anwendbar.528
und 297
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 297 - 1 Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
1    Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
2    Für gepfändete Vermögensstücke gilt Artikel 199 Absatz 2 sinngemäss.
3    Für Nachlassforderungen sind der Arrest und andere Sicherungsmassnahmen ausgeschlossen.
4    Wurde vor der Bewilligung der Nachlassstundung die Abtretung einer künftigen Forderung vereinbart, entfaltet diese Abtretung keine Wirkung, wenn die Forderung erst nach der Bewilligung der Nachlassstundung entsteht.
5    Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse und Verwaltungsverfahren über Nachlassforderungen sistiert.
6    Verjährungs- und Verwirkungsfristen stehen still.
7    Mit der Bewilligung der Stundung hört gegenüber dem Schuldner der Zinsenlauf für alle nicht pfandgesicherten Forderungen auf, sofern der Nachlassvertrag nichts anderes bestimmt.
8    Für die Verrechnung gelten die Artikel 213 und 214. An die Stelle der Konkurseröffnung tritt die Bewilligung der Stundung.
9    Artikel 211 Absatz 1 gilt sinngemäss, sofern und sobald der Sachwalter der Vertragspartei die Umwandlung der Forderung mitteilt.
SchKG). Hätte der
Gesetzgeber schon der Einreichung des Gesuches Stundungswirkung beilegen
wollen, so wäre das zweifellos ausdrücklich geschehen. Es ist dies jedoch aus
guten Gründen unterblieben; denn sonst hätte es ja der Schuldner in seiner
Hand, sich jederzeit einen Rechtsstillstand zu verschaffen, was der Trölerei
Tür und Tor öffnen würde.
Das Gesetz setzt allerdings voraus, dass über das Stundungsgesuch mit
möglichster Beschleunigung entschieden werde. Wenn nun die kantonale
Behördenorganisation keine Gewähr dafür bietet, dass der Entscheid innert
nützlicher Frist fällt, so kann dem nicht

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durch eine gegen den offenbaren Willen des Gesetzgebers verstossende
Gesetzesauslegung Rechnung getragen werden, vielmehr ist dann eben die
Behördenorganisation zweckentsprechend umzugestalten. Es ist auch noch darauf
hinzuweisen, dass Art. 297
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 297 - 1 Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
1    Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
2    Für gepfändete Vermögensstücke gilt Artikel 199 Absatz 2 sinngemäss.
3    Für Nachlassforderungen sind der Arrest und andere Sicherungsmassnahmen ausgeschlossen.
4    Wurde vor der Bewilligung der Nachlassstundung die Abtretung einer künftigen Forderung vereinbart, entfaltet diese Abtretung keine Wirkung, wenn die Forderung erst nach der Bewilligung der Nachlassstundung entsteht.
5    Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse und Verwaltungsverfahren über Nachlassforderungen sistiert.
6    Verjährungs- und Verwirkungsfristen stehen still.
7    Mit der Bewilligung der Stundung hört gegenüber dem Schuldner der Zinsenlauf für alle nicht pfandgesicherten Forderungen auf, sofern der Nachlassvertrag nichts anderes bestimmt.
8    Für die Verrechnung gelten die Artikel 213 und 214. An die Stelle der Konkurseröffnung tritt die Bewilligung der Stundung.
9    Artikel 211 Absatz 1 gilt sinngemäss, sofern und sobald der Sachwalter der Vertragspartei die Umwandlung der Forderung mitteilt.
SchKG im ganzen Gebiet der Schweiz gleich
gehandhabt werden muss und dass man denjenigen Kantonen, in denen heute schon
eine rechtzeitige Prüfung des Stundungsgesuches gewähreistet ist, nicht
zumuten kann, sich der bisherigen thurgauischen Praxis anzupassen (vgl. dazu
BGE 54 II 119).
Gleichwohl kann die Beschwerde nicht gutgeheissen werden. Zur Zeit ist die
Stundung unbestrittenermassen in Kraft und steht daher gemäss Art. 297
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 297 - 1 Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
1    Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
2    Für gepfändete Vermögensstücke gilt Artikel 199 Absatz 2 sinngemäss.
3    Für Nachlassforderungen sind der Arrest und andere Sicherungsmassnahmen ausgeschlossen.
4    Wurde vor der Bewilligung der Nachlassstundung die Abtretung einer künftigen Forderung vereinbart, entfaltet diese Abtretung keine Wirkung, wenn die Forderung erst nach der Bewilligung der Nachlassstundung entsteht.
5    Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse und Verwaltungsverfahren über Nachlassforderungen sistiert.
6    Verjährungs- und Verwirkungsfristen stehen still.
7    Mit der Bewilligung der Stundung hört gegenüber dem Schuldner der Zinsenlauf für alle nicht pfandgesicherten Forderungen auf, sofern der Nachlassvertrag nichts anderes bestimmt.
8    Für die Verrechnung gelten die Artikel 213 und 214. An die Stelle der Konkurseröffnung tritt die Bewilligung der Stundung.
9    Artikel 211 Absatz 1 gilt sinngemäss, sofern und sobald der Sachwalter der Vertragspartei die Umwandlung der Forderung mitteilt.
SchKG
der verlangten Neuansetzung der Steigerung im Wege. Erst wenn die Stundung
nach allfälliger Verwerfung des Nachlassvertrages wieder dahinfällt, wird das
Amt dem Begehren der Rekurrentin Folge geben können.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 III 213
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 14. Dezember 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 III 213
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Nachlasstundung: entfaltet ihre Wirkungen erst vom Moment der Bewilligung an; keine Befugnis der...


Gesetzesregister
SchKG: 295 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 295 - 1 Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
1    Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
2    Dem Sachwalter stehen insbesondere folgende Aufgaben zu:
a  er entwirft den Nachlassvertrag, sofern dies erforderlich ist;
b  er überwacht die Handlungen des Schuldners;
c  er erfüllt die in den Artikeln 298-302 und 304 bezeichneten Aufgaben;
d  er erstattet auf Anordnung des Nachlassgerichts Zwischenberichte und orientiert die Gläubiger über den Verlauf der Stundung.
3    Das Nachlassgericht kann dem Sachwalter weitere Aufgaben zuweisen.
4    Auf die Geschäftsführung des Sachwalters sind die Artikel 8, 8a, 10, 11, 14, 17-19, 34 und 35 sinngemäss anwendbar.528
297
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 297 - 1 Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
1    Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ausgenommen ist die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen; die Verwertung des Grundpfandes bleibt dagegen ausgeschlossen.
2    Für gepfändete Vermögensstücke gilt Artikel 199 Absatz 2 sinngemäss.
3    Für Nachlassforderungen sind der Arrest und andere Sicherungsmassnahmen ausgeschlossen.
4    Wurde vor der Bewilligung der Nachlassstundung die Abtretung einer künftigen Forderung vereinbart, entfaltet diese Abtretung keine Wirkung, wenn die Forderung erst nach der Bewilligung der Nachlassstundung entsteht.
5    Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse und Verwaltungsverfahren über Nachlassforderungen sistiert.
6    Verjährungs- und Verwirkungsfristen stehen still.
7    Mit der Bewilligung der Stundung hört gegenüber dem Schuldner der Zinsenlauf für alle nicht pfandgesicherten Forderungen auf, sofern der Nachlassvertrag nichts anderes bestimmt.
8    Für die Verrechnung gelten die Artikel 213 und 214. An die Stelle der Konkurseröffnung tritt die Bewilligung der Stundung.
9    Artikel 211 Absatz 1 gilt sinngemäss, sofern und sobald der Sachwalter der Vertragspartei die Umwandlung der Forderung mitteilt.
BGE Register
54-II-115 • 57-III-213
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
thurgau • betreibungsamt • schuldner • betreibungshandlung • dauer • begründung des entscheids • gesuch an eine behörde • zahlungsaufschub • deckung • frist • schuldbetreibungs- und konkursrecht • wille • bundesgericht • wiederholung • termin • weisung • erste instanz