S. 183 / Nr. 47 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 57 III 183

47. Entscheid vom 18. November 1931 i. S. Liquidationsmasse A. Vicari.


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Regeste:
Geltendmachung einer Steuerforderung als Masseschuld gegenüber einer
Liquidationsmasse (Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung) und Bestreitung der
Masse, dass sie Steuerschuldnerin sei:
Unzuständigkeit der Aufsichtsbehörden zum Entscheid über die Zahlungspflicht
der Masse.
Impôt réclamé par le fisc à titre de dette de la masse (concordat par abandon
d'actif). - Contestation par la masse de sa qualité de débitrice.
Incompétence des autorités de surveillance pour décider si la masse doit payer
cet impôt.
Imposta il cui pagamento è chiesto dal fisco, quale debito della massa, in un
concordato mediante cessione degli attivi. La massa contesta di dover
l'imposta.
Non compete alle autorità di vigilanza di decidere se l'imposta sia dovuta
dalla massa.

A. - Am 25. November 1926 wurde der Nachlassvertrag gerichtlich bestätigt,
durch welchen A. Vicari seinen Gläubigern seine Aktiven abtrat, u. a. eine
Anzahl grundpfandgesicherter Forderungen. Für die Jahre 1927, 1928 und 1929
meldete Vicari diese Forderungen beim Steuerregister der Gemeinde Köniz an.
Der Staat Bern

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beanspruchte hiefür in der Folge Kapital- und Zuschlagssteuern für die
genannten drei Jahre in Höhe von insgesamt 698 Fr. 75 Cts. und zwar von der
Liquidationsmasse. Der Sachwalter bezahlte einen Betrag von 81 Fr. 35 Cts. und
bestritt die Mehrforderung. Als der Staat für die letztere Betreibung gegen
die Masse anhob, schlug diese Recht vor. Ein Rechtsöffnungsbegehren des
Staates wurde vom Richter wie folgt erledigt:
«1. Es wird dem Staat Bern Akt gegeben von der Erklärung der Beklagten, dass
sie die Kapitalsteuerforderung des Rechtsöffnungsklägers anerkenne, nie
bestritten habe und sie am Liquidationsergebnis teilnehmen lasse wie andere
Kurrentforderungen.
2. Soweit das Rechtsöffnungsbegehren die definitive Rechtsöffnung für diese
Forderungen im Sinne der Beanspruchung einer Masseschuld oder eines
Pfandprivilegs verlangt, wird es abgewiesen.»
Dieser Entscheid wurde rechtskräftig. Der Staat Bern beschritt weder den Weg
einer gerichtlichen Klage noch eines Verwaltungsverfahrens, um den
Rechtsvorschlag zu beseitigen. Dagegen wandte er sich von neuem an den
Liquidator mit dem Begehren, die Steuerforderung als Masseschuld anzuerkennen,
und führte, als dieses Begehren abgewiesen wurde, bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde Beschwerde mit dem Antrag, den Sachwalter zu verhalten, die
Forderung als Masseverbindlichkeit aufzunehmen.
B. - Mit Entscheid vom 27. August 1931 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die
Beschwerde gutgeheissen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Masse
bestreite nicht, dass die Steuerforderung des Staates in dem durch die
Steuerregister ausgewiesenen Umfang bestehe. Streitig sei einzig, ob sie als
Masseschuld zu behandeln sei oder nicht. Hiebei handle es sich um eine blosse
Frage der Verteilung, zu deren Beantwortung. die Aufsichtsbehörde zuständig
sei. Da nun die geforderte Kapital-Steuer eine Objektsteuer sei und sich die
von ihr betroffenen Objekte während der Jahre 1927-1929 im

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Besitz der Masse befunden hätten, sei nicht der Gemeinschuldner, sondern die
Liquidationsmasse Schuldnerin der Steuerforderung.
C. - Diesen Entscheid zog die Rekurrentin rechtzeitig an das Bundesgericht
weiter mit dem Antrag, ihn aufzuheben und auf die Beschwerde nicht
einzutreten.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Gemäss ständiger Rechtsprechung (vgl. BGE 49 III 85) untersteht die
Liquidation eines durch Nachlassvertrag den Gläubigern abgetretenen Vermögens
der gleichen Aufsicht wie eine Konkursliquidation. Es gelten daher auch für
den vorliegenden Fall die nämlichen Grenzen der Zuständigkeit der
Aufsichtsbehörden, wie sie für das Konkursverfahren bestehen. Insbesondere ist
der in BGE 56 III 116 entwickelte Grundsatz massgebend, wonach der Entscheid
darüber, ob eine Forderung eine Masseverbindlichkeit sei, dann ausserhalb der
Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden liegt, wenn die betreffende Forderung
entweder überhaupt nicht oder dann nur gegenüber der Masse bestehen kann, die
Qualifikation der Forderung als Masseverbindlichkeit somit zusammenfällt mit
dem Entscheid über den Bestand der Forderung überhaupt. Nur dann können die
Aufsichtsbehörden entscheiden, wenn bezüglich der Forderung an sich überhaupt
kein Streit besteht und nur noch die Frage offen ist, ob es sich um eine
Masseschuld handelt oder nicht (vgl. BGE 56 III 186). Im Gegensatz zum
letzterwähnten Fall, wo es sich um ein durch rechtskräftiges Zivilurteil
gegenüber der Masse festgestelltes Guthaben handelte, kann im vorliegenden
Fall keine Rede davon sein, dass die Forderung des Staates Bern unbestritten
sei: Allerdings hat der Liquidator anerkannt, dass dem Staat Bern eine
Steuerforderung von 517 Fr. 40 Cts. zustehe; dagegen hat er gleichzeitig
bestritten, dass die Masse Schuldnerin dieser Forderung sei: Die Erklärung, er
wolle diese

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Steuerforderung «wie andere Kurrentforderungen am Liquidationsergebnis
teilnehmen lassen», bringt eindeutig zum Ausdruck, dass der Liquidator diese
Forderung nur als Forderung gegenüber dem Kridaren, nicht aber gegenüber der
Masse anerkennt. Das genügt, um den Anspruch des Staates Bern überhaupt als
bestrittenen zu behandeln, sodass zunächst einmal die Zahlungspflicht der
Masse festgestellt werden muss. Hiefür sind aber die Aufsichtsbehörden nicht
zuständig. Ob es sich im vorliegenden Fall um eine sogenannte Objektsteuer
handelt und ob dieser Umstand in Verbindung mit der Tatsache, dass das
besteuerte Objekt sich während der in Frage stehenden Periode im Besitz der
Masse befand, zur Folge hat, dass die Masse für die Steuer aufzukommen hat und
nicht der Gemeinschuldner, alles das sind Fragen nicht des Betreibungs-,
sondern des Steuerrechtes und infolgedessen nicht von den Aufsichtsbehörden im
Konkurswesen zu beantworten. Erst wenn die zuständigen Verwaltungsbehörden,
eventuell das Verwaltungsgericht in einem gegen die Masse gerichteten
Verfahren den Bestand der geltend gemachten Forderung rechtskräftig
festgestellt haben, hat man es mit einer «unbestrittenen» Forderung zu tun,
und erst dann können nötigenfalls die Aufsichtsbehörden angerufen werden zum
Entscheid darüber, ob eine Masseschuld vorliegt oder nicht. Gegenwärtig aber
enthalten die Akten weder einen Ausweis über eine solche rechtskräftige
Feststellung der Zahlungspflicht der Liquidationsmasse, noch ist seitens des
Staates Bern auch nur behauptet worden, ein solcher Entscheid liege bereits
vor; im Gegenteil wurde in der Beschwerdeschrift selbst ausgeführt, eine
«direkte Veranlagung der Liquidationsmasse» sei nicht erfolgt.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
In Gutheissung des Rekurses wird der angefochtene Entscheid aufgehoben und auf
die Beschwerde nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 III 183
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 18. November 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 III 183
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Geltendmachung einer Steuerforderung als Masseschuld gegenüber einer Liquidationsmasse...


BGE Register
49-III-83 • 56-III-116 • 56-III-181 • 57-III-183
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