S. 176 / Nr. 45 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 57 III 176

45. Entscheid vom 27. Oktober 1931 i. S. Kanton Bern.

Regeste:
Im Konkurs ist nur dann vom Kollokationsverfahren über öffentlichrechtliche
Forderungen (und Akzessorien solcher) abzusehen, wenn feststeht, dass andere
Behörden als die Zivilgerichte zur Entscheidung darüber zuständig sind.
Dans la faillite il n'y a lieu de supprimer la procédure de collocation pour
les créances de droit public (et leurs accessoires) que s'il est établi que
les constatations y relatives ressortissent à d'autres autorités qu'aux
tribunaux civils.
Nel fallimento è lecito sopprimere il procedimento di collocazione per i
crediti di diritto pubblico (e loro accessori)solo ove risulti, che le
contestazioni, che li concernono, non sono di competenza dei tribunali civili.

In den Konkursen über Johann Kocher, Gottfried Kocher und Emil Grimm liess das
Konkursamt Bern-Stadt die von den Rekurrenten angemeldeten Grundsteuern in den
Kollokationsplänen bezw. Lastenverzeichnissen als Grundpfandversicherte
Forderungen zu,

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dagegen die Steuerzuschläge nur als unversicherte Forderungen fünfter Klasse.
Hiegegen führten die Rekurrenten Beschwerden unter Hinweis auf BGE 48 III S.
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ff. und nach Abweisung durch die kantonale Aufsichtsbehörde Rekurs an das
Bundesgericht mit den Anträgen, es seien die das Grundpfandrecht für die
Steuerzuschläge abweisenden Kollokationsverfügungen aufzuheben und das
Konkursamt anzuweisen, die Grundsteuerzuschläge in den Lastenverzeichnissen
pro memoria vorzumerken, sowie die erforderlichen Vorkehren für die definitive
Anerkennung oder Ablehnung der Grundpfandsicherung der in Rede stehenden
Grundsteuerzuschläge zu treffen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Nach dem angerufenen Präjudiz sollen öffentlichrechtliche Forderungen nicht
zum Gegenstand einer Kollokationsverfügung gemacht werden, die dann durch
Klage beim Konkursgericht angefochten werden müsste - das doch nicht zur
Entscheidung über den Bestand solcher Forderungen berufen wäre, sondern sich
darauf zu beschränken hätte, sein Urteil bis zur Entscheidung der zuständigen
Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichtsbehörde auszusetzen und schliesslich
dementsprechend auszufällen -, sondern zunächst lediglich pro memoria im
Kollokationsplan vorgemerkt und erst nach Massgabe des Entscheides der
zuständigen Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichtsbehörde definitiv eingestellt
werden. Dass diese Rechtsprechung durch Art. 119 Abs. 3 des seither erlassenen
Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 1. Oktober 1925 erschüttert worden sei,
wie die Vorinstanz anschliessend an BLUMENSTEIN, Steuerrecht S. 659 und 674,
sowie Berner Festgabe für das Bundesgericht S. 228 und 258, meint, kann nicht
zugegeben werden. Denn die Vorschrift, dass «die rechtskräftige Feststellung
zollrechtlicher Ansprüche auf Grund des vorliegenden Gesetzes

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für den Richter auch bei Bestreitung im Schuldbetreibungs- und
Konkursverfahren verbindlich ist», ist von den gesetzgebenden Behörden
zweifellos nicht zum Zweck aufgestellt worden, eine bei der Anwendung des
SchKG aufgetauchte Frage zu ordnen, sondern um zu verhindern, dass die im
Betreibungs- oder Konkursverfahren zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen
sich über die bereits von den Zollbehörden getroffenen Entscheidungen
hinwegsetzen. Dann kann aber aus ihr nicht durch Gegenschluss gefolgert
werden, dass sie geradezu anordne, zollrechtliche Ansprüche, über die noch
keine rechtskräftige Feststellung der Zollbehörden vorliegt, seien
gegebenenfalls im Kollokationsprozesse vor dem Konkursgericht auszutragen.
Dagegen wird jene Rechtsprechung bloss durch Zweckmässigkeitserwägungen
gestützt und müsste daher aufgegeben werden, sobald sich herausstellen sollte
dass sie weniger Vorteile als Nachteile bietet, was jedoch bis anhin nicht
dargetan ist. Indessen glauben die Rekurrenten zu Unrecht, aus ihr etwas
herleiten zu können. Die Ausschaltung des Konkursgerichtes von der
Entscheidung über Konkurseingaben lässt sich natürlich nur insoweit
rechtfertigen, als bezüglich der zu beurteilenden Streitfragen die
Zuständigkeit der Zivilgerichte unzweifelhaft zugunsten der Zuständigkeit von
Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten ausgeschlossen ist, wie dies im
Falle des Präjudizes zutraf Freilich wird auch die vorliegend streitige Frage,
ob der Steuerzuschlag gleich wie die Grundsteuer, an die er anschliesst,
grundpfandversichert sei, zweifellos vom kantonalen öffentlichen
(Verwaltungs-) Rechte beherrscht. Allein was für eine Behörde zur Entscheidung
darüber berufen sei, ob Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte oder aber
die Zivilgerichte, ist nach den Ausführungen der Vorinstanz weder durch die
kantonale Gesetzgebung geordnet noch durch die bisherige Rechtsprechung
abgeklärt worden. Angesichts dieser Unsicherheit bezüglich der
Entscheidungskompetenz liegt kein

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zureichender Grund dafür vor, von Kollokationsverfügungen über das
Grundpfandrecht für die streitigen Steuerzuschläge abzusehen, und können sich
die Rekurrenten nicht mit Fug dagegen beschweren, auf den Weg der
gerichtlichen Kollokationsklage gedrängt zu werden.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 III 176
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 27. Oktober 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 III 176
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Im Konkurs ist nur dann vom Kollokationsverfahren über öffentlichrechtliche Forderungen (und...


BGE Register
48-III-228 • 57-III-176
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