S. 304 / Nr. 47 Obligationenrecht (d)

BGE 57 II 304

47. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Mai 1931 i. S. Dr. Meyer gegen
Terpena A.-G.

Regeste:
Erfindung des Dienstpflichtigen. Auslegung und Anwendung des Art. 343
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 343
OR.

A. - Auf Grund eines im Februar 1928 abgeschlossenen Dienstvertrages trat der
Kläger, Dr. P. Meyer, als Laboratoriums- und Betriebschemiker in die chemische
Fabrik der Beklagten, Terpena A.-G. in Niederglatt ein. Er erhielt ein
Monatssalair von 500 Fr., das im April 1928 auf 550 Fr. und am 1. Januar 1929
auf 1000 Fr. erhöht wurde.
Art. 4 des Vertrages bestimmt: «Alle Verbesserungen und Erfindungen
irgendwelcher Art, welche Herr Dr. Meyer

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während der Dauer dieses Vertrages macht, sowie überhaupt alle seine Arbeiten
und deren Resultate sind ausschliessliches Eigentum der Gesellschaft. Letztere
ist demnach berechtigt, Erfindungen und Verbesserungen, welche Herr Dr. Meyer
macht, auf ihren Namen patentieren zu lassen, und Herr Dr. Meyer hat alle
hiezu erforderlichen Formalitäten zu erfüllen und Unterschriften und
Vollmachten zu geben.»
Der Direktor des Unternehmens, Hoenicke, erlitt im April 1928 einen
Automobilunfall, an dessen Folgen er Ende Juni 1928 starb. Dem Kläger wurde
nun die Betriebsleitung übertragen. Er behielt sie bis im April 1929. Am 18.
dieses Monats schrieb ihm J. Heusser-Staub, der Verwaltungsratspräsident und
einzige Aktionär der Beklagten, er habe sich entschlossen, ihm in der Zukunft
nur noch den «chemischen und chemisch-wissenschaftlichen Teil» des
Fabrikationsgeschäftes zu unterstellen: «Wir, und gewiss auch Sie selbst,
haben sich davon überzeugen können, dass Ihre Fähigkeiten nicht in der Leitung
eines Betriebes bestehen, sondern in der wissenschaftlichen Chemie, in der Sie
berufen sind, unsere Kampferfabrikation besser auszubauen und Vorteile zu
suchen, welche ein ökonomischeres Arbeiten ermöglichen...»
Noch im gleichen Jahr, am 28. Dezember 1929, kündigte die Beklagte den
Dienstvertrag auf den 31. März 1930 mit der Begründung, es habe sich zwischen
dem Kläger und dem betriebsleitenden Personal ein gespanntes Verhältnis
gebildet.
B. - Laut Weisung des Friedensrichteramtes Niederglatt vom 27. Juli 1930 hat
Dr. Meyer gegen die Terpena A.-G. Klage über die Streitfrage erhoben:
«Ist die Beklagte verpflichtet, an den Kläger 100000 Fr. nebst 5% Zins seit
17. Juli 1930 zu bezahlen?»
Zur Begründung ist geltend gemacht worden, die Hebung der Produktion aus ihrem
betrübenden Zustand habe zur Zeit des Ausscheidens des Betriebsleiters
Hoenicke aufopfernde und intensive Arbeit erfordert. In der Abteilung

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Saturation sei die Ausbeutung schlecht gewesen, in der Abteilung Autoklaven
seien nicht die möglichen Resultate erzielt worden, und die Regeneration habe
überhaupt nicht funktioniert. Die erstgenannten Mängel habe er dank seines
Wissens verhältnismässig rasch beheben können, die Regeneration dagegen habe
eines ganz neuen Verfahrens bedurft. Damit habe es folgende Bewandtnis: Bei
der Oxydation des Kamphens mittelst Chromsäure zu Kampfer entstehen
Chromsulfatlaugen. Für die wirtschaftliche Prosperität der Kampferfabrikation
sei es unerlässlich, diese Lösungen nicht wertlos liegen zu lassen. Sie
müssten elektrolytisch mit Bleianoden aufgearbeitet werden, wobei sich
Chromsäure bilde. Allein die Bleielektroden würden in kurzer Zeit zu
Bleichromat, Bleisulfat und Bleisuperoxyd aufgerieben und seien nicht mehr in
der Lage, die Laugen aufzuregenerieren. Die Ursache davon liege im Gehalt der
Chromsulfatlaugen an schädigenden organischen Säuren. Davon hätten die Laugen
befreit werden müssen, und zwar vor der Regeneration.
Um hiefür ein Verfahren zu finden, nach dem übrigens schon vielfach geforscht
worden sei, da von ihm die Wirtschaftlichkeit der synthetischen
Kampferfabrikation abhänge, habe sich die Beklagte mit bedeutenden Chemikern
in Verbindung gesetzt und hohe Belohnungen ausgesetzt, so mit Prof. Waser und
den Chemikern Delpy und Messer. Über diese Sachlage genau unterrichtet und vom
Willen beseelt, die den zugezogenen Chemikern ausgesetzten Entschädigungen
selbst zu verdienen, habe er sich, ohne von der Beklagten beauftragt zu sein,
in seiner Freizeit ans Werk gesetzt und die Beklagte über seine Arbeiten auch
stets auf dem Laufenden gehalten. Diese habe ihn aufgemuntert mit dem
Versprechen, er werde jene Belohnungen im Falle des Gelingens erhalten. Die
mühevolle und kräfteraubende Arbeit sei dann von Erfolg gekrönt worden. Das
erfundene Verfahren nenne sich Verfahren zur Reinigung der Chromlaugen von
organischen Säuren. Es wird in einer zur Klageschrift gehörenden Beilage
ausführlich

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erläutert. Die von den andern Chemikern mitgeteilten Verfahren hätten aus
verschiedenen Gründen nicht verwendet werden können.
Das Verfahren sei der Beklagten übergeben worden. Zur Konstruktion der
erforderlichen Apparate sei einer deutschen Firma ein Maschinenbauauftrag
gegeben worden. Anstatt seine berechtigten Forderungen auf Vergütung zu
anerkennen, habe die Beklagte dann nach Einheimsung der Erfindung versucht,
ihn auf alle möglichen Arten und durch Schikane unmöglich zu machen.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt.
C. - Durch Urteil vom 22. Januar 1931 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich die Klage abgewiesen.
D. - Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in der
vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen.
E. - ....
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Gegenstand der Klage bildet die Vergütung für eine angeblich vom Kläger
gemachte Erfindung. Die Parteien sind darüber einig, dass diese Erfindung zu
denjenigen gehören würde, welche in Art. 4 des Dienstvertrages gemeint sind.
Es muss demnach davon ausgegangen werden, dass die Erfindung, sobald sie
gemacht war, in das Eigentum der Beklagten fiel und dass in diesem Zeitpunkt
ein Anspruch auf Vergütung entstand, sofern eine solche überhaupt geschuldet
war. Diese Frage ist in erster Linie nach den Parteivereinbarungen zu
entscheiden. Lässt sich, wie hier, nichts Sicheres darüber feststellen, so ist
Art. 343
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 343
OR heranzuziehen. Darnach werden die Erfindungen, die ein
Dienstpflichtiger in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit macht, in zwei
Gruppen eingeteilt, nämlich in diejenigen, bei welchen die Erfindertätigkeit
zu den dienstlichen Obliegenheiten des Dienstpflichtigen gehört, und in
diejenigen, bei denen dies nicht zutrifft. Die Erfindungen der ersten Gruppe
gehören ohne Weiteres

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dem Dienstherrn, und er schuldet für ihren Erwerb keine Vergütung, es wäre
denn, dass er sie gleichwohl versprochen hätte. Die Erfindungen der zweiten
Kategorie gehören grundsätzlich dem Autor, also dem Dienstpflichtigen. Der
Dienstherr kann sich jedoch bei dieser Gruppe im Vertrag das Eigentum an den
Erfindungen ausbedingen. Sofern er dies getan hat, hat er dem
Dienstpflichtigen eine angemessene Vergütung neben dem Salär zu bezahlen, wenn
die Erfindung von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist.
Selbstverständlich bedarf diese Ausbedingung des Eigentums der Zustimmung
beider Vertragsparteien, und daher kann auch dabei der Erwerb des Eigentums
durch den Dienstherrn an die Leistung einer Vergütung geknüpft werden; dann
gilt auch hiefür das Vereinbarte. Der Sinn des Art. 343 Abs. 2 läuft demnach
darauf hinaus, dass sich der Dienstherr das Eigentum an wirtschaftlich
erheblichen Erfindungen, die der Dienstpflichtige ausserhalb des Rahmens
seiner Obliegenheiten macht, nur gegen Gewährung einer besonderen Vergütung
ausbedingen kann. Verspricht er eine solche, und ist sie angemessen, so gilt
das Vereinbarte kraft Vertrages, verspricht er sie nicht, so schuldet er sie
gleichwohl kraft Gesetzes. In diesem Sinn sind die Ausführungen des
Handelsgerichtes zu korrigieren, das aus Art. 4 des Vertrages, wo von einer
Vergütung keine Rede ist, den Schluss gezogen hat, es sei auch keine
geschuldet, da die Parteien eine abschliessende Regelung hätten treffen
wollen.
Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger allerdings ausser auf den Vertrag
auch auf eine angebliche Erklärung des Verwaltungsratspräsidenten
Heusser-Staub berufen, wonach ihm dieser eine Vergütung für den Fall des
Gelingens versprochen hätte, und zwar in der Höhe des den aussenstehenden
Chemikern versprochenen Honorars. Die Vorinstanz hat diese von der Beklagten
bestrittene Behauptung jedoch nicht als erwiesen erachtet, und das
Bundesgericht ist an die tatsächliche Annahme des Handelsgerichtes gebunden
(OG Art. 81).

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2. - Nach dem Gesagten hängt der eingeklagte Vergütungsanspruch davon ab, ob
die in Rede stehende Erfindertätigkeit zu den dienstlichen Obliegenheiten des
Klägers gehörte. Wenn diese Frage bejaht werden muss, entfällt Abs. 2 des Art.
343
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 343
OR, obschon sich der Dienstherr in casu das Eigentum an den Erfindungen
ausbedungen hat, denn darüber ist jeder Zweifel ausgeschlossen, dass die
Zusprechung einer Vergütung auch in Ermangelung einer Vereinbarung darüber,
jedoch bei Vorbehalt des Eigentums zugunsten des Dienstherrn, nach Art. 343
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 343
OR
nur statthaft ist, wenn die Erfindertätigkeit nicht zu den dienstlichen
Aufgaben gehört. Gehört die Erfindertätigkeit nämlich zu den dienstlichen
Verrichtungen, so braucht sich der Dienstherr das Eigentum gar nicht
vorzubehalten, da diese Wirkung kraft Gesetzes eintritt. Tut er es dennoch, so
tritt die Wirkung trotzdem kraft Gesetzes, nicht kraft Vertrages ein. Die an
sich überflüssige Aufnahme einer schon durch das Gesetz statuierten
Rechtsfolge in den Vertrag kann also nicht dahin ausgelegt werden, dass damit
auf sie verzichtet und lediglich die vertragliche Grundlage als geltend
angesehen werde, m. a. W., wenn Art. 343
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 343
OR sagt: «Im letztern Falle» (d.h.
wenn sich der Dienstherr das Eigentum im Vertrag vorbehalten hat) habe der
Dienstpflichtige Anspruch auf eine besondere Vergütung, so kann das
vernünftigerweise nur mit dem Vorbehalt gemeint sein, dass nicht der erste
Fall zutreffe, wo die Erfindungen dem Dienstherrn überhaupt gehören, da sie in
Ausübung einer dienstlichen Obliegenheit gemacht worden sind.
Die in Art. 343 Abs. 1 enthaltenen Worte «abgesehen von dieser Voraussetzung»
beziehen sich grammatikalisch freilich darauf, ob die Erfindertätigkeit zu den
dienstlichen Obliegenheiten gehöre, und der zweite Satz des Art. 343 Abs. 1
besagt demnach, wörtlich genommen: «Oder wenn der Dienstherr sich einen
solchen Anspruch ausbedungen hat, abgesehen davon, d. h. gleichgültig, ob die
Erfindertätigkeit zu den dienstlichen Obliegenheiten gehöre

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oder nicht». Allein das kann nicht der Sinn der Bestimmung sein, sondern es
handelt sich um ein redaktionelles Versehen der Gesetzesrevision. Art. 343
Abs. 1 ist so zu interpretieren: Abgesehen vom ersten Fall, wo die Erfindung
zum Vornherein dem Dienstherrn gehört, steht sie ihm auch zu in einem zweiten
Fall, nämlich wenn die Erfindertätigkeit zwar nicht zu den dienstlichen
Aufgaben zählt, aber der Dienstherr sich das Eigentum im Vertrag ausbedungen
hat (so lautet auch der französische Gesetzestext). Daran schliesst dann Abs.
2 des Art. 343 an.
Nun ist richtig, dass im Vertrag des Klägers die Erfindertätigkeit nicht
ausdrücklich als seine Aufgabe genannt ist. Allein das ist nicht entscheidend,
wenn der Vertrag nach den Umständen doch nicht in einem andern Sinn ausgelegt
werden kann. Die Ausführungen der Vorinstanz, eines Fachgerichtes, wirken auch
für den nicht in der Branche kundigen Richter überzeugend, und es kann im
allgemeinen einfach darauf verwiesen werden, während die Behauptung des
Berufungsklägers, es habe sich um eine typische sogenannte
Gelegenheitserfindung gehandelt, mit den Tatsachen in offenem Widerspruch
steht.
Die Fabrik der Beklagten war eine erst vor kurzer Zeit gegründete Unternehmung
zum Zwecke einer Fabrikation (der synthetischen Gewinnung von Kampfer), welche
noch keineswegs in den Besitz einer rationellen Methode gelangt war. Die
Gestaltung eines wesentlichen Zweiges in der Fabrikation (das sogenannte
Regenerationsverfahren) war noch in den Anfängen, und eine befriedigende
Lösung des darin enthaltenen Problems musste erst gesucht (studiert) werden;
inzwischen arbeitete die Beklagte noch Jahr für Jahr mit ganz bedeutenden
Verlusten. Es liegt daher auf der Hand, dass es die Beklagte bei der
Anstellung von Organen, wie es der Kläger war, in aller erster Linie darauf
ankommen lassen musste, einen zweckmässigen Ausbau dieses Verfahrens
anzustreben, d. h. eben auf Verbesserungen und Erfindungen in dieser Branche
bedacht zu sein, und zwar vom Anfang der Anstellung des Klägers an.

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Daher auch die Bestimmung des § 4. In eingehender Weise hat die Vorinstanz
dargelegt, dass gerade in dieser Beziehung mannigfaltige Besprechungen und
Verhandlungen zwischen dem Präsidenten des Verwaltungsrates und dem Kläger
stattfanden. Der Inhalt der vom Kläger behaupteten Erfindung beschlägt denn
auch eben gerade den Teil der Fabrikation, unter welchem das beklagtische
Unternehmen am meisten Not litt. Nach all dem kann kein Zweifel darüber
bestehen, dass die Erfindertätigkeit, für welche der Kläger die eingeklagte
Vergütung verlangt, zu dessen dienstlichen Obliegenheiten gehörte.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons
Zürich vom 22. Januar 1931 wird bestätigt.
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Document : 57 II 304
Date : 01. Januar 1931
Published : 26. Mai 1931
Source : Bundesgericht
Status : 57 II 304
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Erfindung des Dienstpflichtigen. Auslegung und Anwendung des Art. 343 OR.


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