S. 28 / Nr. 6 Obligationenrecht (d)

BGE 57 II 28

6. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Januar 1931 i. S. Herzog gegen Hauer &
Armeen.

Regeste:
Art. 53 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 53 - 1 Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
1    Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
2    Ebenso ist das strafgerichtliche Erkenntnis mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens für den Zivilrichter nicht verbindlich.
OR hat nicht die Bedeutung, dass der Zivilrichter mit Ausnahme
der Beurteilung der Schuld und der Bestimmung des Schadens in der betr.
Streitsache an ein ergangenes strafgerichtliches Erkenntnis gebunden sei (Erw.
1)..
Haftung auf Grund von Art. 41 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
. OR für Bewucherung einer in
Geldangelegenheiten unerfahrenen Frauensperson durch Annahme übermässiger
Vermittlerprovisionen. -

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Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes, wenn der kantonale Richter eine nach
kantonalem Strafrecht strafbare Handlung festgestellt hat (Erw. 2).
Solidarhaft bei einem im Komplott begangenen Delikt (Art. 50
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
OR) (Erw. 3).

A. - Die Erstklägerin, Regina Herzog, ist die Nichte der 1845 geborenen Wwe.
Maria Clementine Mattmann in Luzern. Sie besorgte während Jahren deren
Haushalt, weshalb Frau Mattmann sie in ihrem Testament mit 4000 Fr. und einer
Zimmerausstattung bedachte. Im Sommer 1926 lernte die Erstklägerin den
Beklagten Amrein kennen, mit dem sie auf diese testamentarische Verfügung zu
sprechen kam. Amrein äusserte die Ansicht, die Klägerin sei zu wenig bedacht,
sie müsse darnach trachten, von Frau Mattmann eine Schenkung zu erhalten.
Hiefür nannte er ihr den 25 Mal vorbestraften Beklagten Hauert als Vermittler.
Letzterer trat dann mit Frau Mattmann in Verbindung, und es gelang ihm, sie zu
bewegen, dass sie durch einen vom 27. August 1926 datierten, von Fürsprech Dr.
Arnold verurkundeten Schenkungsvertrag der Erstklägerin Vermögenswerte im
Gesamtbetrag von 26000 Fr. zukommen liess. Am 28. August 1926, also am Tage
nach der Errichtung des Schenkungsvertrages, liess sich Amrein, der damals von
dem bereits erfolgten Vertragsabschluss noch keine Kenntnis gehabt zu haben
scheint, von der Erstklägerin eine schriftliche Verpflichtung ausstellen,
wonach sie jedem der beiden Beklagten für den Fall, dass ihr Frau Mattmann
rechtsgültig den Betrag von 10000 Fr. zuwenden werde, je 2000 Fr. zu bezahlen
versprach. In der Folge verstand es Hauert, von der Erstklägerin Beträge von
3000 Fr. und 5000 Fr., sowie einen Schuldschein von 1000 Fr.- - der von ihr
ebenfalls eingelöst wurde - zu erhalten. Hievon gab er dem Amrein 1000 Fr.
Weitere 1000 Fr. händigte die Erstklägerin direkt an Amrein aus.
Am 2. April 1927 wurde Frau Mattmann wegen physischer

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Altersschwäche verbunden mit seniler Demenz bevormundet. Daraufhin nahm der
Vormund eine Prüfung des erwähnten Schenkungsvertrages und der damit
zusammenhängenden Geschehnisse vor, und es wurde in der Folge durch Vertrag
vom 20. Juli 1927 die Schenkung wieder aufgehoben, wobei sich die Erstklägerin
verpflichtete, die empfangenen Schenkungswerte wieder an die Schenkgeberin,
bezw. deren Vormund, zurückzuerstatten.
Inzwischen war gegen die beiden Beklagten eine Strafuntersuchung wegen
Erpressung und Wuchers eingeleitet worden. Am 4. Juli 1928 erklärte das
Obergericht des Kantons Luzern Hauert und Amrein gestützt auf § 110 des
luzern. PStG des Wuchers schuldig und verurteilte ersteren zu drei Monaten
Arbeitshaus und 1000 Fr. Busse und letzteren zu einer Woche Gefängnis und 100
Fr. Busse. Nach der genannten kantonalen Strafbestimmung begeht derjenige
Wucher, der unter Ausbeutung der Unerfahrenheit, des Leichtsinnes usw. einer
Person sich oder einem andern inbezug auf ein zweiseitiges Rechtsgeschäft
Vermögensvorteile ausbedingt oder solche annimmt, die die eigene Leistung
derart übersteigen, dass sich ein auffälliges Missverhältnis ergibt. Beide
Voraussetzungen erachtete das Obergericht als gegeben. Wenn die Angeklagten
betonten, es sei auf Frl. Herzog kein Druck ausgeübt worden, vielmehr habe
diese die Summen freiwillig angeboten, so sei dies kein Entschuldigungsgrund,
da die Angeklagten einen solchen Vermögensvorteil jedenfalls angenommen
hätten.
B. - Am 24. Januar 1929 starb Frau Mattmann, worauf die Herzog, sowie die
übrigen Erben der Frau Mattmann gegen Hauert und Amrein Klage einreichten mit
dem Begehren: «Haben die Beklagten anzuerkennen und an die Erstklägerin,
eventuell an die Erben der Frau Wwe. Mattmann, zu bezahlen 10000 Fr. samt Zins
zu 5% seit 12. April 1927, und zwar unter solidarischer Haftbarkeit?»

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C. - Mit Urteil vom 28. Oktober 1930 hat das Obergericht des Kantons Luzern
erkannt: «1. Der Erstbeklagte hat an die Erstklägerin 7700 Fr. nebst Zins zu
5% seit Rechtskraftbeschreitung des Urteils zu bezahlen und haftet ausserdem
für den vom Zweitbeklagten zu bezahlenden Betrag von 1900 Fr. solidarisch. 2.
Der Zweitbeklagte hat an die Erstklägerin 1900 Fr. nebst Zins zu 5% seit
Rechtskraftbeschreitung des Urteils zu bezahlen und haftet ausserdem für die
Schuld des Erstbeklagten bis zu 1700 Fr. solidarisch.» Die rechtlichen und
ausserrechtlichen Kosten wurden zu 2/3 dem Erstbeklagten und zu 1/3 dem
Zweitbeklagten auferlegt (Dispositiv 3). Das Obergericht erachtete sich im
Hinblick auf Art. 53
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 53 - 1 Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
1    Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
2    Ebenso ist das strafgerichtliche Erkenntnis mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens für den Zivilrichter nicht verbindlich.
OR mit Bezug auf die Feststellung der Tat und die Frage
der Widerrechtlichkeit an das vorangegangene Strafurteil gebunden. Doch hielt
es dafür, dass dem Hauert für «Lauf, Gäng und Mühewalt» bei Abschluss des von
ihm vermittelten Schenkungsvertrages ein Anspruch von 300 Fr. und dem Amrein
ein solcher von 100 Fr. zuerkannt werden müsse, so dass bezüglich dieser
Beträge kein Wucher und damit auch keine Rückgabepflicht angenommen werden
könne. Die Solidarität des Amrein für die Schuld beschränkte es auf 1700 Fr.,
da Amrein nicht gewusst, dass Hauert bedeutend höhere Beträge für sich erwirkt
habe.
D. - Hiegegen haben die Kläger und die Beklagten die Berufung an das
Bundesgericht erklärt. Die erstern beantragen: «1. Dispositiv 1 und 2 des
angefochtenen Urteils seien im Sinne des Klagebegehrens dahin umzuändern, dass
die Beklagten anzuerkennen und an Erstklägerin, eventuell an die Erben der
Frau Wwe. Mattmann zu bezahlen haben 9600 Fr., samt Zins zu 5% seit
Rechtskraftbeschreitung des Urteils und zwar unter solidarischer Haftbarkeit.
2. Dispositiv 3 des angefochtenen Urteils sei zu bestätigen.»
Die Beklagten beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und
gänzliche Abweisung der Klage.

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Der Beklagte Hauert verlangt sodann eventuell die Rückweisung der
Angelegenheit an die Vorinstanz zur Aktenvervollständigung und neuen
Entscheidung, «wobei von der kantonalen Instanz Dr. Thalmann, Luzern, und
Rechtsanwalt Dr. Arnold, Luzern, letzterer als Urkundsperson, einzuvernehmen
seien.»
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Der Auffassung der Vorinstanz, dass sie im Hinblick auf Art. 53 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 53 - 1 Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
1    Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
2    Ebenso ist das strafgerichtliche Erkenntnis mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens für den Zivilrichter nicht verbindlich.
OR
mit Bezug auf die Feststellung der Tat und die Frage der Widerrechtlichkeit an
das vorausgegangene Strafurteil gebunden sei, kann nicht beigetreten werden.
Denn, wie das Bundesgericht in seinem Entscheide vom 3. Dezember 1930 i. S.
Fässler gegen Rümbeli (BGE 56 II S. 438 f) ausgeführt hat, ist es eine Frage
des Prozessrechtes, ob und inwieweit ein Strafurteil für eine andere Instanz
bindend sei, so dass der eidg. Zivilgesetzgeber nur insoweit Veranlassung
hatte, hier eine Regelung vorzunehmen, als es dabei galt, die Interessen des
materiellen Rechtes zu wahren. Also hatte er auch nur zu bestimmen, inwieweit
der Zivilrichter unter allen Umständen frei sein solle, während darüber hinaus
die Frage der Geltung eines Strafurteiles nach wie vor dem kantonalen
Prozessrecht anheimgestellt blieb. Die Vorinstanz hat nun aber ihre Bindung an
das vorangegangene Strafurteil, wenigstens soweit dies aus den Erwägungen
ihres Entscheides ersichtlich ist, nur aus dem eidg. Recht - eben in
unrichtiger Auslegung des Art. 53 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 53 - 1 Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
1    Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
2    Ebenso ist das strafgerichtliche Erkenntnis mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens für den Zivilrichter nicht verbindlich.
OR - hergeleitet, ohne sich darüber
zu verbreiten, ob eine solche auch nach kantonalem Prozessrecht bestünde. Das
mag indessen dahingestellt bleiben, da die Haftbarkeit der Beklagten unter
allen Umständen gegeben erscheint.
2. - Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass die Vorinstanz, bei selbständiger
Überprüfung der Frage, ob die Beklagten sich des Wuchers im Sinne des kant.
PStG

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schuldig gemacht haben, zu einem andern Schlusse gekommen wäre, als dem, den
sie als Strafgericht aus den gegebenen Umständen gezogen hat. Muss aber der
Tatbestand des Wuchers im Sinne von § 110 Ziff. 2 des luzern. PStG demgemäss
als gegeben erachtet werden, so ist die Widerrechtlichkeit der beklagtischen
Handlungen erstellt. Damit ist aber auch über das Verschulden der Beklagten,
welche Frage sich nach dem eidgenössischen Rechte richtet und daher an sich
vom Bundesgericht überprüft werden kann, ohne weiteres entschieden; denn dass
sich die Beklagten der Unzulässigkeit ihrer Handlungsweise bewusst sein
mussten, kann im Ernste nicht bezweifelt werden angesichts der im Vergleich zu
ihren geringen Bemühungen gewaltigen Beträge, die sie sich von der in
Geldangelegenheiten offensichtlich unerfahrenen Erstklägerin ausbezahlen
liessen. Die Beklagten haben daher der Erstklägerin den ihr durch die
streitige Bewucherung entstandenen Schaden zu ersetzen, d. h. die ihr zu
Unrecht abgenommenen Beträge zurückzuerstatten. Die Vorinstanz hat den
Beklagten Provisionsansprüche im Betrag von 300 Fr. und 100 Fr. zuerkannt und
diese von den von ihnen zurückzuzahlenden Beträgen in Abzug gebracht. Die
Kläger haben hiegegen keine Berufung erklärt, so dass es hiebei sein Bewenden
hat; denn von einer Erhöhung dieser Ansprüche könnte ohnehin nicht die Rede
sein. Unbehelflich ist auch der Hinweis der Beklagten darauf, dass der
Schenkungsvertrag zu Unrecht nachträglich wieder aufgehoben worden sei. Die
Widerrechtlichkeit im Verhalten der Beklagten ist nicht darin zu erblicken,
dass sie den fraglichen Schenkungsvertrag veranlasst, sondern dass sie der
Beklagten für dessen Vermittlung 10000 Fr. abgenommen haben. Dass dieser
Vertrag nachträglich wieder rückgängig gemacht wurde, berührt daher die
Beklagten nicht. Wäre er aufrecht erhalten worden, so bestünde der Schaden
darin, dass die Erstklägerin nicht den vollen Schenkungsbetrag,

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abzüglich eine angemessene Provision, für sich behalten konnte, während bei
der gegebenen Sachlage die Erstklägerin insofern geschädigt ist, als sie nun,
wozu sie sich ausdrücklich verpflichtet hat, den Erben der Frau Mattmann den
vollen Schenkungsbetrag, d. h. also auch soweit sie diesen an die Beklagten
abgeführt hat, zurückerstatten muss. Allerdings hat der Vormund der Frau
Mattmann in seinem Bericht an die Vormundschaftsbehörde hierüber ausgeführt,
bei diesem Aufhebungsvertrag habe es billigerweise die Meinung, dass die
Erstklägerin nur insoweit Rückleistungen zu machen habe, als sie bereichert
sei, d. h. dass sie für die an die Beklagten ausbezahlten Provisionen nicht
persönlich haftbar gemacht werden solle. Diese Haftentlassung kann nun aber
nicht dahin verstanden werden, dass die Erstklägerin, von ihrer
Erstattungspflicht auch bezüglich derjenigen Beträge, die sie gütlich oder im
Wege eines Prozesses von den Beklagten zurückerlangen kann, entbunden werden
wollte. Selbst wenn dies aber auch angenommen werden müsste, so wäre der in
Frage stehende Verzicht jedenfalls zu Gunsten der Erstklägerin ausgesprochen
worden und nicht, um die Beklagten dadurch von ihrer Ersatzpflicht zu
befreien.
3. - Es bleibt somit nur noch zu untersuchen, ob beide Beklagten für den
vollen Betrag, um den die Erstklägerin bewuchert wurde, solidarisch haftbar
seien, oder ob eine solche Solidarität für den Beklagten Amrein - wie die
Vorinstanz glaubt - nur in beschränktem Umfange besteht. Die Vorinstanz nimmt
an, Amrein habe nicht gewusst, dass Hauert ausser den 4000 Fr., die sich
Amrein selber für sich und Hauert von der Erstklägerin hatte versprechen
lassen, dieser noch weitere Beträge abgenommen habe. Dieses Argument ist nicht
schlüssig, Amrein hat im Strafverfahren zugegeben, dass er mit der
Erstklägerin eine Provision von 40% der Schenkungssumme vereinbart habe, und
er hat sich denn auch die 4000 Fr. versprechen lassen, für den

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Fall, dass Frau Mattmann der Erstklägerin einen Betrag von 10000 Fr. zuwenden
werde. Hierüber war zweifellos auch Hauert orientiert, und es hat dieser daher
völlig im Sinne Amreins gehandelt, wenn er, nachdem die Schenkung 26000 Fr.
betrug, sich 10000 Fr. hat bezahlen lassen. Auch hat sich die Erstklägerin
hiezu wohl nur deswegen so leicht bewegen lassen, weil sie sich schon vorher
dem Amrein gegenüber auf 40% festgelegt hatte. Bei dieser Sachlage geht es
aber nicht an, jenes Vorgehen Hauerts als selbständige, vom Verhalten des
Amrein unabhängige Tat zu bewerten. Vielmehr muss die gesamte Bewucherung der
Erstklägerin als ein von beiden Beklagten im Komplott begangenes, gemeinsames
Delikt erachtet werden. Das ergibt sich auch unzweifelhaft daraus, dass sich
Amrein hintergangen fühlte und im Strafverfahren den Hauert sogar der
Unterschlagung bezichtigte, weil dieser ihm von den über die fraglichen 4000
Fr. hinaus von der Erstklägerin bezahlten 6000 Fr. nicht die Hälfte hatte
zukommen lassen. Es sind daher beide Beklagten solidarisch zur Bezahlung des
gesamten Wucherbetrages, d. h. 9600 Fr., nebst dem von der Vorinstanz
zugesprochenen Zins, zu verhalten, ohne dass das Mass ihres beidseitigen
Verschuldens gegeneinander abgewogen werden müsste. Denn gemäss Art. 50
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
OR
haften diejenigen, die gemeinsam und bewusst einen Schaden verschuldet haben -
sofern nicht bei einem Teil blosse Begünstigung in Frage steht (Art. 50 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.

OR) - schlechtweg solidarisch, und es besteht in solchen Fällen für eine
Anwendung des Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1    Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1bis    Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27
2    Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten.
OR kein Raum (vgl. auch OSER, Kommentar II. Aufl. zu
Art. 50
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
OR Note I 1 und 2 S. 352/4).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufungen der Beklagten werden abgewiesen. Diejenige der Klägerin wird
gutgeheissen und demgemäss das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern

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vom 28. Oktober 1930 dahin abgeändert, dass die Beklagten solidarisch
verpflichtet werden, der Erstklägerin 9600 Fr. nebst 5% Zins vom Datum der
Rechtskraftbeschreitung des Urteils an zu bezahlen.
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Document : 57 II 28
Date : 01. Januar 1931
Published : 20. Januar 1931
Source : Bundesgericht
Status : 57 II 28
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Art. 53 Abs. 2 OR hat nicht die Bedeutung, dass der Zivilrichter mit Ausnahme der Beurteilung der...


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OR: 41  43  50  53
BGE-register
56-II-438 • 57-II-28
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