S. 361 / Nr. 55 Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 57 I 361

55. Urteil vom 10. Oktober 1931 i. S. Kaufmann gegen Rekursrichter des
Kantonsgerichtes St. Gallen.

Regeste:
SchKG Art. 166 ff., 36. Entscheid des kantonalen Konkursrichters zweiter
Instanz, wodurch die Berücksichtigung eines erst nach dem erstinstanzlichen
Konkurserkenntnis, im Berufungsverfahren gegen dasselbe erklärten Rückzuges
des Konkursbegehrens

Seite: 362
durch den antragstellenden Gläubiger oder einer erst nach diesem Zeitpunkte
erfolgten Tilgung seiner Forderung, trotz der Berufung zuerkannter
aufschiebender Wirkung, als nach Bundesrecht unzulässig abgelehnt wird.
Abweisung der hierüber erhobenen Beschwerde aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV, weil die Frage in
der Tat nicht nach kantonalem Prozessrecht, sondern nach eidgenössischem
Gesetzesrecht zu beurteilen und die dem letzteren (SchKG) gegebene Auslegung
nicht willkürlich sei.

A. - Auf Begehren des Johannes Huber, Advokaten in St. Gallen, hat der
Bezirksgerichtspräsident von St. Gallen durch Erkenntnis vom 17. April 1931
über den heutigen Rekurrenten Max Kaufmann in St. Gallen auf Grund
vorangegangener Konkursbetreibung den Konkurs eröffnet. Kaufmann zog dieses
Erkenntnis innert der gesetzlichen Frist an den Rekursrichter des
Kantonsgerichtes von St. Gallen weiter, der dem Rekurse (wie es im Kanton St.
Gallen regelmässig zu geschehen scheint) im Sinne von Art. 36, 174 II SchKG
aufschiebende Wirkung erteilte. In der Rekursbeantwortung erklärte der
Gläubiger J. Huber, es sei richtig, dass die in Frage stehende
Konkursbetreibung eine Anwaltsrechnung für einen Prozess betreffe, den er für
die Firma Kaufmann & Cie und nicht für deren Teilhaber Max Kaufmann persönlich
geführt habe: aus einem nicht mehr erkennbaren Grunde sei dann Max Kaufmann
persönlich betrieben worden. Da er, Huber, sich um die Zeit der
Konkursverhandlung im Auslande befunden habe und sein Personal für ihn keine
Erklärungen habe abgeben können, sei es zur Konkurseröffnung gekommen, was im
Falle seiner Anwesenheit nicht der Fall gewesen wäre. Er unterstütze daher den
Rekurs und ersuche um Aufhebung des Konkurserkenntnisses.
Durch Entscheid vom 4. Mai 1931 wies der Rekursrichter den Rekurs ab und
«bestätigte das Konkursdekret der Vorinstanz», mit der Begründung: die
Einwendung, dass der Rekurrent dem Rekursbeklagten nichts schulde, hätte durch
Rechtsvorschlag gegen den Zahlungsbefehl geltend gemacht werden sollen und
könne in diesem Verfahren

Seite: 363
nicht gehört werden. Ebenso sei das Einverständnis des Gläubigers mit der
Aufhebung des Konkurserkenntnisses unerheblich, da nach dem Urteil der
staatsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes in Sachen Schlumpf BGE 46 I
366
(bestätigt in dem späteren Falle 47 I 210) nach einmal von der ersten
Instanz ausgefälltem Konkurserkenntnis das Konkursbegehren nicht mehr
zurückgezogen, noch die Schuld durch Zahlung mit der Wirkung der
Rückgängigmachung der Konkurseröffnung getilgt werden könne (der Schuldner
hatte bei der Rekursverhandlung die Betreibungssumme mit Zinsen und Kosten dem
Rekursrichter übergeben wollen). Damit stimmten allerdings die Urteile der II.
Zivilabteilung und der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts
in BGE 53 III No. 51, 54 III No. 4 in der Begründung nicht überein. Doch
bestehe deshalb für den Rekursrichter keine Veranlassung, von der im Anschluss
an das Urteil Schlumpf seit dem Jahre 1920 stets festgehaltenen Praxis
abzugehen.
B. - Mit der vorliegenden, auf Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV gestützten staatsrechtlichen
Beschwerde verlangt Max Kaufmann die Aufhebung dieses Entscheides des
Rekursrichters und «demgemäss auch des über den Beschwerdeführer eröffneten
Konkurses». Es wird ausgeführt: Die Annahme des Rekursrichters, dass das
erstinstanzliche Konkurserkenntnis immer, auch im Falle, wo die
Berufungsinstanz, wie hier, der dagegen ergriffenen Berufung Suspensivwirkung
zuerkannt habe, schon mit der Ausfällung rechtswirksam werde und daher durch
einen Rückzug des Konkursbegehrens erst in zweiter Instanz nicht mehr
beseitigt werden könne, sei willkürlich. Sie stehe im Widerspruch zu den im
angefochtenen Entscheide selbst angeführten neueren Urteilen des
Bundesgerichtes und enthalte eine Rechtsverweigerung. Eine solche liege auch
deshalb vor, weil der Rekursrichter sich damit willkürlich über die
Bestimmungen der kantonalen Prozessgesetzgebung, insbes. Art. 31 III des st.
gallischen EG z. SchKG

Seite: 364
hinweggesetzt habe, die die Geltendmachung neuer Tatsachen auch noch im
Rekursverfahren ausdrücklich zuliessen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Die durch die Beschwerde aufgeworfene Frage, ob eine erst nach dem
erstinstanzlichen Konkurserkenntnis, im Berufungsverfahren gegen dasselbe
erfolgte Zurücknahme des Konkursbegehrens durch den Gläubiger oder Tilgung im
Sinne von Art. 172 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 172 - Das Gericht weist das Konkursbegehren ab:
1  wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist;
2  wenn dem Schuldner die Wiederherstellung einer Frist (Art. 33 Abs. 4) oder ein nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77) bewilligt worden ist;
3  wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, dass die Schuld, Zinsen und Kosten inbegriffen, getilgt ist oder dass der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat.
SchKG seiner Forderung noch beachtet werden und zur
Aufhebung der Konkurseröffnung durch die Berufungsinstanz führen könne, ist
nicht eine solche des kantonalen Prozessrechtes, sondern des Bundesrechtes.
Sie hängt zusammen mit der Bedeutung des eidgenössischen Rechtsinstitutes des
Konkurses, den rechtlichen Folgen, welche sich an die Eröffnung des
Konkursverfahrens knüpfen, einerseits, der Wirkung, welcher der in Art. 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.

SchKG vorgesehenen Berufung auf den Bestand des erstinstanzlichen
Konkurskenntnisses zukommt, andererseits. Der kantonale Rekursrichter hat sich
denn auch für die Verneinung der Frage im vorliegenden Falle nicht etwa auf
Vorschriften der st. gallischen Prozessgesetzgebung, sondern, wie die
Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtes in Sachen Schlumpf zeigt, auf
die Erwägung gestützt, dass das SchKG, also das Bundesrecht die
Berücksichtigung solcher erst nachträglich eingetretener, an sich
konkurshindernder Tatsachen im Berufungsverfahren gegen das Konkurserkenntnis
ausschliesse. In der staatsrechtlichen Beschwerde verweist der Rekurrent u. a.
allerdings auch darauf, dass das st. gallische Prozessrecht die Geltendmachung
neuer Tatsachen im Rekursverfahren allgemein gestatte. Doch sollte damit nach
dem ganzen Inhalt der Beschwerdeschrift offenbar nur gesagt werden, dass der
auf einer angeblich unrichtigen (willkürlichen) Auslegung des SchKG beruhende
Entscheid des Rekursrichters auch nicht mit Bestimmungen der kantonalen

Seite: 365
Prozessgesetzgebung begründet werden könne. Die Behauptung, dass es sich um
eine Frage handle, deren Regelung trotz der Vereinheitlichung des Betreibungs-
und Konkursrechtes grundsätzlich den Kantonen verblieben sei und durch die
einschlägige Bundesgesetzgebung nicht berührt werde, wird - nach dem Gesagten
mit Recht - nicht aufgestellt. War der Entscheid auf Grund eidgenössischen
Gesetzesrechtes zu fällen und ist er auch ausschliesslich in Anwendung solchen
gefällt worden, so kann er aber - mangels eines besonderen eidgenössischen
Rechtsmittels gegen Konkurserkenntnisse - vom Bundesgericht im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, wie die Anwendung einfachen kantonalen
oder eidgenössischen Gesetzrechtes überhaupt, nur aus dem beschränkten
Gesichtspunkte des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV, der Willkür und Rechtsverweigerung nachgeprüft
werden. Zur Gutheissung der Beschwerde vermag demnach ein blosser Irrtum des
kantonalen Richters in der Auslegung jener Gesetzesvorschriften noch nicht zu
genügen. Es müsste eine Missachtung durchaus klaren Rechtes vorliegen. In dem
früheren Falle Schlumpf verhielt es sich in dieser Beziehung deshalb anders,
weil der kantonale Rekursrichter damals die Berücksichtigung des
nachträglichen Rückzuges des Konkursbegehrens nicht unter Berufung auf das
Bundesrecht, sondern auf die Bestimmungen von Art. 31 III des kantonalen EG z.
SchKG abgelehnt hatte (weil die Rückzugserklärung erst nach Ablauf der
Berufungs- (Rekurs-) frist gegen das erstinstanzliche Konkurserkenntnis
erfolgt sei), während andererseits der Rekurrent behauptete, nach Bundesrecht
einen Anspruch auf die Berücksichtigung dieser neuen Tatsache zu haben. Da,
wenn diese Behauptung zugetroffen hätte, eine Verletzung des
verfassungsmässigen Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes
gegenüber dem kantonalen Recht vorgelegen haben würde (Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
Üb. best. z.
BV), dessen Beachtung das Bundesgericht in freier Kognition zu wahren hat,
musste daher zur Beurteilung dieses Beschwerdegrundes frei untersucht werden,
ob sich

Seite: 366
aus dem SchKG wirklich ein der angewendeten kantonalen Gesetzesvorschrift
derogierender Rechtssatz des vom Rekurrenten geltend gemachten Inhalts
herleiten lasse. Für den heutigen Fall, wo der Rekursrichter den Streit auf
Grund des massgebenden eidgenössischen Rechtes beurteilt hat und
ausschliesslich dessen Auslegung, nicht das Verhältnis desselben zu kantonalem
Gesetzesrecht in Frage steht, lässt sich daraus eine gleiche unbeschränkte
Kognition des Staatsgerichtshofes nicht herleiten (vgl. für die Unterscheidung
auch BGE 36 I 383 ff., insbes. 386 Erw. 1, 389 Erw. 3).
2. - In der Sache selbst entspricht der angefochtene Entscheid
unbestrittenermassen der in dem erwähnten früheren Urteil BGE 46 I 366
vertretenen Rechtsauffassung. Der Staatsgerichtshof ist damals von der nicht
anfechtbaren und auch nicht angefochtenen Feststellung ausgegangen, dass durch
die Konkurseröffnung ein über die Beziehungen der Parteien des
Konkurseröffnungsprozesses hinausgehendes Rechtsverhältnis, das
konkursrechtliche Beschlagsrecht der Gesamtheit der Gläubiger an den Aktiven
des Gemeinschuldners, zur Entstehung gebracht werde und dass demnach auch,
weil nicht nur der die Konkurseröffnung beantragende Gläubiger Rechte aus ihr
erwerbe, das Konkursverfahren, sobald einmal rechtskräftig eröffnet, der
Verfügung der Parteien jenes Prozesses entrückt sei. Rechtskräftig - so wurde
weiter ausgeführt und hiegegen richtet sich die Anfechtung der vorliegenden
Beschwerde - sei aber das Konkurseröffnungserkenntnis schon mit der Ausfällung
durch den Konkursrichter erster Instanz. Denn der durch Art. 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
SchKG
vorgesehenen Berufung komme gemäss Art. 36 ebenda nicht schon von Gesetzes
wegen in allen Fällen aufschiebende Wirkung zu, sondern nur auf Grund einer
besonderen Verfügung des Berufungsrichters. Auch wo eine solche ergehe, sei
darin infolgedessen richtigerweise nicht sowohl eine Hemmung der Rechtskraft
des Konkurserkenntnisses zu erblicken, als nur die Verschiebung

Seite: 367
der Vollstreckung des an sich bereits rechtskräftigen Erkenntnisses (d. h. der
Massnahmen zur Durchführung der Konkursliquidation). Sei die Konkurseröffnung
schon mit dem Erkenntnis des erstinstanzlichen Konkursrichters rechtskräftig
ausgesprochen und unterstehe sie von dann an der Verfügung der Parteien des
Konkurseröffnungsprozesses nicht mehr, so könne aber auch, nachdem der
Konkursrichter erster Instanz den Konkurs erkannt habe, das Konkursbegehren
vom antragstellenden Gläubiger nicht mehr mit der Wirkung der
Rückgängigmachung der Konkurseröffnung zurückgezogen werden. Die Berufung
gemäss Art. 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
SchKG solle lediglich eine Nachprüfung des
Konkurserkenntnisses auf seine Rechtmässigkeit ermöglichen, nicht dem
Schuldner noch eine neue letzte Frist verschaffen. Andernfalls würde die
Konkurseröffnung durch den erstinstanzlichen Richter in zahlreichen Fällen zu
einer leeren Form herabsinken und der Schuldner sich erst nachher während der
Hängigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens ernstlich bemühen, die Schuld zu
tilgen oder Stundung zu erwirken.
Während im Falle Schlumpf eine Verfügung des Berufungsrichters, wodurch der
Berufung aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre, nicht vorlag und der
Einfluss einer solchen auf die Lösung der streitigen Frage daher, obwohl in
den Erwägungen ebenfalls erörtert, doch nicht unmittelbar zur Entscheidung
stand, verhielt es sich anders in dem späteren Falle Baumann (BGE 47 I 205),
wo der Rekurrent die Verweigerung jener Suspensivwirkung durch die
Berufungsinstanz als willkürlich anfocht, weil die letztere sich nicht auf
diesem Wege bewusst in die Unmöglichkeit habe versetzen dürfen, eine mit der
Berufung geltend gemachte, zwar nach dem erstinstanzlichen Konkurserkenntnis,
aber noch während der Berufungsfrist dagegen eingetretene konkurshindernde
Tatsache - wie den Rückzug des Konkursbegehrens durch den antragstellenden
Gläubiger - zu berücksichtigen. Der Staatsgerichtshof führte demgegenüber aus,
dass die Gewährung

Seite: 368
oder Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung durch Art. 36
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 36 - Eine Beschwerde, Weiterziehung oder Berufung hat nur auf besondere Anordnung der Behörde, an welche sie gerichtet ist, oder ihres Präsidenten aufschiebende Wirkung. Von einer solchen Anordnung ist den Parteien sofort Kenntnis zu geben.
, 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
SchKG
unzweideutig in das Ermessen der Berufungsinstanz gestellt sei, dass aber auch
abgesehen davon die Abweisung eines dahingehenden Antrages den
zweitinstanzlichen Entscheid über die Konkurseröffnung selbst nur dann
anfechtbar machen könnte, wenn derselbe bei Bewilligung der Suspensivwirkung
anders hätte ausfallen müssen. Dies treffe aber nicht zu, weil auch nach
Erlass einer solchen Verfügung der bernische Appellationshof die
Berücksichtigung des nachträglichen Rückzuges des Konkursantrags aus den in
seinem Entscheide angeführten, mit den Erwägungen des Urteils in Sachen
Schlumpf sich deckenden Gründen hätte ablehnen können.
Richtig ist freilich, dass seither die 2. Zivilabteilung und die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichtes in zwei Fällen, wo es
sich um den Beginn des Eintrittes gewisser mit dem Konkurs verbundener
materieller Einwirkungen auf das Vermögen des Gemeinschuldners und die Rechte
der Gläubiger handelte, als massgebenden Zeitpunkt hiefür, wenn der Berufung
gegen das erstinstanzliche Konkurserkenntnis im Sinne von Art. 174 II und 36
SchKG aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, nicht das Datum des
erstinstanzlichen Konkurserkenntnisses, sondern erst des die Berufung des
Schuldners abweisenden Entscheides der zweiten Instanz betrachtet hat (BGE 53
III S. 206
, 54 III S. 11 Erw. 2). Wenn dadurch die Frage, inwiefern im
Berufungsverfahren gegen das erstinstanzliche Konkurserkenntnis noch nach
demselben eingetretene, an sich konkurshindernde Tatsachen geltend gemacht
werden können, unmittelbar nicht berührt wurde, wie das zweite dieser Urteile
ausdrücklich feststellt, so ist doch nicht zu verkennen, dass die beiden
Entscheidungen auf einer Auffassung über die Bedeutung der Verfügung nach Art.
174 II, 36 SchKG und den Einfluss derselben auf das erstinstanzliche
Konkurserkenntnis beruhen, die von derjenigen des Staatsgerichtshofes in den
Fällen Schlumpf

Seite: 369
und Baumann abweicht und folgerichtig wohl dazu führen müsste, auch jene Frage
im Gegensatz zu den früheren Urteilen grundsätzlich zu bejahen (s. in diesem
Sinne JÄGER Supplement III zu Art. 174 No. 7).
Doch ergibt sich daraus lediglich, dass es sich um einen Auslegungsstreit
handelt, der so oder anders gelöst werden kann. Der Vorwurf der willkürlichen
Missachtung klaren Rechtes durch den kantonalen Rekursrichter kann damit nicht
begründet werden. Nur wenn eine solche vorläge, könnte aber das Bundesgericht
nach dem in Erw. 1 Gesagten den angefochtenen Entscheid aufheben. Es könnte
von einer Rechtsverweigerung in diesem Sinne selbst dann nicht die Rede sein,
wenn die beiden vorstehend erwähnten Urteile des Staatsgerichtshofes nicht
vorlägen, weil die vom Rekursrichter dem SchKG gegebene Auslegung sich auf
alle Fälle ebenfalls durch ernsthafte, mit der Fassung des Gesetzestextes
nicht in Widerspruch geratende Gründe stützen lässt, wie sie denn auch der
schon vor dem Jahre 1920 von der kantonalen Rechtsprechung und der Literatur
mehrheitlich vertretenen Meinung entspricht (vgl. die Zitate im Urteil
Schlumpf S. 367 Erw. 2 und für Bern noch den Plenarentscheid des bernischen
Appellationshofes vom 27. März 1919 Zeitschrift des bern. Juristenvereins 55.
S. 117). Da durch die Abweisung des Rekurses lediglich erklärt wird, dass der
angefochtene Entscheid nicht willkürlich, nicht dass die Gesetzesauslegung,
auf der er beruht, im Gegensatz zu BGE 53 III 206, 54 III 11 die richtige sei,
ist auch der Fall des Art. 23 II OG nicht gegeben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 I 361
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 10. Oktober 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 I 361
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : SchKG Art. 166 ff., 36. Entscheid des kantonalen Konkursrichters zweiter Instanz, wodurch die...


Gesetzesregister
BV: 2 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
SchKG: 36 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 36 - Eine Beschwerde, Weiterziehung oder Berufung hat nur auf besondere Anordnung der Behörde, an welche sie gerichtet ist, oder ihres Präsidenten aufschiebende Wirkung. Von einer solchen Anordnung ist den Parteien sofort Kenntnis zu geben.
172 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 172 - Das Gericht weist das Konkursbegehren ab:
1  wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist;
2  wenn dem Schuldner die Wiederherstellung einer Frist (Art. 33 Abs. 4) oder ein nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77) bewilligt worden ist;
3  wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, dass die Schuld, Zinsen und Kosten inbegriffen, getilgt ist oder dass der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat.
174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
BGE Register
36-I-383 • 46-I-365 • 47-I-205 • 53-III-204 • 54-III-9 • 57-I-361
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • frage • weiler • konkursbegehren • kaufmann • aufschiebende wirkung • schuldner • richtigkeit • erste instanz • bewilligung oder genehmigung • kantonsgericht • staatsrechtliche beschwerde • stichtag • konkursverfahren • frist • entscheid • konkurseröffnung • rechtsmittel • beginn • verfahren
... Alle anzeigen