S. 233 / Nr. 37 Registersachen (d)

BGE 57 I 233

37. Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. September 1931 i. S. Andres &
Bangerter gegen Regierungsrat Bern.

Regeste:
Die Wiedereintragung einer vor Beendigung der Liquidation im Handelsregister
gelöschten Handelsgesellschaft setzt voraus, dass noch irgendwelche
verwertbare Gesellschaftsaktiven vorhanden sind.

A. - Mit Eingabe vom 5. Juni 1930 ersuchte der ehemalige Vorstand des als
Genossenschaft im Handelsregister eingetragenen Metzgermeisterverbandes der
Stadt Biel das Handelsregisteramt von Biel um Löschung des Eintrages, da die
Genossenschaft schon im Frühling 1922 vollständig liquidiert worden sei. Das
Handelsregisteramt gab diesem Begehren Folge und nahm die Löschung am 13. Juni
1930 vor, nachdem die kantonale Kriegssteuerverwaltung von Bern ihm auf eine
bezügliche Anfrage am 6. Juni 1930 die Erklärung ausgestellt hatte, dass ihr
die genannte Genossenschaft zwar noch einen beträchtlichen Steuerbetrag
schulde, für den sie einen Verlustschein erhalten habe, dass sie aber an der
Weiterexistenz einer insolventen Firma kein Interesse habe und daher die
Ermächtigung zur Löschung erteile.

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Trotz dieser Einwilligung stellte der Staat Bern am 30: März 1931 beim
Handelsregisteramt Biel das Begehren um Wiedereintragung der fraglichen
Genossenschaft, da ihm noch Steuerforderungen gegen diese zustehen. Er berief
sich hiebei auf zwei leere Pfandscheine, die ihm für Kriegs- und andere
Steuern am 22. April 1926 für eine Forderung von 1600 Fr. 65 Rp. bezw. am 11.
September 1930 für eine Forderung von 214 Fr. 55 Rp. ausgestellt worden waren.
Die kantonale Kriegssteuerverwaltung habe, als sie die fragliche Erklärung vom
6. Juni 1930 ausgestellt, nicht gewusst, dass der Metzgermeisterverband erst
zahlungsunfähig geworden sei, nachdem er seinen Mitgliedern ihre Anteilscheine
zurückbezahlt habe. Die Liquidation dieses Verbandes sei somit noch nicht
durchgeführt.
B. - Gestützt auf dieses Begehren forderte das Handelsregisteramt Biel den
ehemaligen Präsidenten des fraglichen Verbandes, H. Andres in Biel, auf, die
gelöschte Genossenschaft wieder eintragen zu lassen.
Andres weigerte sich jedoch, dieser Aufforderung nachzukommen, worauf das
Handelsregisteramt Biel die Akten gemäss Art, 26 Abs. 2 HRegV der kantonalen
Aufsichtsbehörde, dem Regierungsrat des Kantons Bern, zur Entscheidung
überwies, welche mit Entscheid vom 26. Mai 1931 die Wiedereintragung verfügte.
C. - Hiegegen haben H. Andres, sowie der ehemalige Sekretär des fraglichen
Verbandes, E. Bangerter in Biel, am 12. Juni 1931 die verwaltungsgerichtliche
Beschwerde an das Bundesgericht erhoben mit dem Begehren um Abweisung des
Wiedereintragungsgesuches des Staates Bern und Aufhebung der angefochtenen
Verfügung.
Der Regierungsrat des Kantons Bern hat die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat in seiner Vernehmlassung
keinen positiven Antrag gestellt. wohl aber auf die praktische
Unzweckmässigkeit einer Wiedereintragung hingewiesen.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes darf eine
Handelsgesellschaft, wozu auch die Genossenschaften zählen, vor Beendigung der
Liquidation im Handelsregister nicht gelöscht werden (vgl. statt vieler BGE 57
I S. 42
f., E. 1). Die Liquidation ist aber nicht abgeschlossen, solange noch
Ansprüche oder Verpflichtungen auf den Namen der Gesellschaft bestehen. Zeigt
es sich, dass eine Löschung zu Unrecht erfolgt ist, so kann der Berechtigte
die Wiedereintragung verlangen. Das setzt indessen, wenn das Begehren von
einem noch nicht oder nicht völlig befriedigten Gesellschaftsgläubiger
gestellt wird, immerhin voraus, dass noch irgendwelche verwertbare
Gesellschaftsaktiven vorhanden sind, da sonst jedes schutzwürdige Interesse an
der Wiedereintragung für den Gesuchsteller entfällt. Diese letztere
Voraussetzung ist aber im vorliegenden Falle nicht gegeben. Es steht fest,
dass dem Staate Bern für die beiden von ihm geltend gemachten
Steuerforderungen leere Pfandscheine ausgestellt worden sind; auch hat die
kantonale Kriegssteuerverwaltung in ihrer dem Handelsregisteramt am 6. Juni
1930 abgegebenen Erklärung selber ausdrücklich auf die Zahlungsunfähigkeit der
fraglichen Genossenschaft hingewiesen. Der Staat Bern macht allerdings
geltend, es sei damals übersehen worden, dass der Genossenschaft zufolge
vorzeitiger Rückleistung der Genossenschaftsanteile an die Genossenschafter
Rückforderungsansprüche gegen diese zustünden; die Beschwerdeführer bestreiten
nicht, dass eine solche Rückleistung tatsächlich erfolgte. Allein diese liegt
zeitlich derart weit zurück (die Beschwerdeführer behaupten, sie sei im Jahre
1922 erfolgt, während der Staat Bern das Jahr 1923 angibt), dass - zumal im
Hinblick auf die Frage der Verjährung, sowie insbesondere auf die
Schwierigkeit, die sich nach so langer Zeit für die Erbringung des Nachweises
der mangelnden Gutgläubigkeit der bezüglichen Genossenschafter ergeben würde -

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aus der Geltendmachung dieser Ansprüche ein positives Resultat kaum erwartet
werden dürfte. Zudem hätte es der Staat Bern ja in der Hand, wenn wirklich die
Rückleistung der Anteile zu Unrecht erfolgt sein sollte, durch eine gegen die
ehemaligen Vorstandsmitglieder gerichtete Verantwortlichkeitsklage gemäss Art.
714
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 714 - Für die Beschlüsse des Verwaltungsrates gelten sinngemäss die gleichen Nichtigkeitsgründe wie für die Beschlüsse der Generalversammlung.
OR auf einfacherem und sichererem Wege zu seinem Gelde zu gelangen.
Angesichts dieser Umstände kann von einem schutzwürdigen Interesse des Staates
Bern an der Wiedereintragung der fraglichen Genossenschaft nicht die Rede
sein; es ist daher von einer solchen Umgang zu nehmen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und demgemäss die Verfügung des
Regierungsrates des Kantons Bern vom 26. Mai 1931 aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 I 233
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 08. September 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 I 233
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Die Wiedereintragung einer vor Beendigung der Liquidation im Handelsregister gelöschten...


Gesetzesregister
OR: 714
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 714 - Für die Beschlüsse des Verwaltungsrates gelten sinngemäss die gleichen Nichtigkeitsgründe wie für die Beschlüsse der Generalversammlung.
BGE Register
57-I-233 • 57-I-39
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
genossenschaft • biel • wiedereintragung • regierungsrat • bundesgericht • pfandschein • handelsgesellschaft • entscheid • genossenschaftsanteil • bewilligung oder genehmigung • angabe • geld • frage • gesuchsteller • vorstand • verlustschein • verantwortlichkeitsklage