S. 220 / Nr. 34 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 57 I 220

34. Urteil vom 17. September 1931 i. S. Walder gegen Zürich.


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Regeste:
Militärpflichtersatz. Wurde der Einkommenszuschlag nach dem mutmasslichen
Einkommen des Ersatzjahres bemessen, so müssen wesentliche
Einkommensverminderungen und Einkommensausfälle, die nach Vornahme der
Einschätzung eintreten, bei der Einschätzung für das nächste Ersatzjahr
angemessen berücksichtigt werden.

A. - Der Beschwerdeführer hatte gegenüber der Ersatzveranlagung für das Jahr
1931, die auf 3300 Fr. Einkommen (wovon 2700 Fr. steuerbar) lautete, in einem
Rekurse an die Militärdirektion des Kantons Zürich geltend gemacht, er habe im
Jahre 1930 nur 1800 Fr. verdient, da er im Frühjahr 4 Wochen krank gewesen
sei, im Sommer wegen Arbeitsmangel wiederholt aussetzen musste und vom 6.
September bis Anfang Dezember arbeitslos gewesen sei. Er verlangte
Berücksichtigung dieser Verhältnisse und Herabsetzung der Ersatzleistung des
Jahres 1931.
Die Militärdirektion des Kantons Zürich hat in einer Verfügung vom 13. Juni
1931 das steuerbare Reineinkommen

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auf 2400 Fr. (netto) herabgesetzt. Sie ging dabei davon aus, dass für die
Militärsteuer auf das mutmassliche Einkommen des laufenden Jahres abzustellen
sei, und rechnete mit einem durchschnittlichen Einkommen von 250 Fr. pro
Monat, wobei einer zeitweisen Arbeitslosigkeit des Rekurrenten im Jahre 1931
Rechnung getragen wurde. Diese Einschätzung stützt sich, wie aus der
vorliegenden Beschwerdeschrift hervorgeht, auf eine nachträglich, nach Eingang
des Rekurses, beim Beschwerdeführer eingeholte Selbstdeklaration, in welcher
auf ausdrückliches Verlangen nur auf die Einkommensverhältnisse des laufenden
Jahres abgestellt war.
Daraufhin wandte sich der Beschwerdeführer mit einer neuen Eingabe an die
Militärdirektion. Er erhob gegen die neue Veranlagung keine Einwendungen,
machte aber geltend, wenn sich die Einschätzung nach dem Einkommen des
laufenden Jahres richte, so müsse die im vorhergehenden Jahre zu viel bezahlte
Steuer in Abzug gebracht werden. Er sei im Vorjahr für 3300 Fr. Einkommen
eingeschätzt worden, habe aber infolge Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte
des Jahres (September, Oktober, November) einen Einkommensausfall von 825 Fr.
gehabt.
Die Militärdirektion trat auf das Begehren nicht ein mit der Begründung, die
Veranlagung für 1930 sei nicht angefochten, die Steuer sei anstandslos bezahlt
worden, die Einschätzung sei demnach in Rechtskraft erwachsen. (Entscheid vom
16. Juni 1931.)
B. - In einer Eingabe vom 22. Juni 1931 legt der Beschwerdeführer unter
Berufung auf die geschilderten Vorkommnisse dem Bundesgericht die Fragen vor,
ob eine Pflicht zur Angabe des Einkommens des laufenden Jahres bestehe; man
wisse ja nicht, wie sich die Verhältnisse in der Folge gestalten werden; und
ob die Verwaltung nicht verpflichtet sei, zuviel bezahlte Ersatzleistungen
zurückzuerstatten. Er ersucht um Aufschluss hierüber und um Regelung der
Angelegenheit.
Die Militärdirektion des Kantons Zürich und die

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eidgenössische Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde, da die
Veranlagung für 1930 in Rechtskraft erwachsen sei und nicht abgeändert werden
könne, auch wenn sie sich materiell als unrichtig erweise.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Die Eingabe des Beschwerdeführers an das Bundesgericht beschränkt sich
nicht auf die Bitte um Auskunft über die darin gestellten Fragen; es wird
ausserdem die Regelung, also die Beurteilung der Angelegenheit verlangt. Die
Eingabe ist demnach nach Inhalt und Formulierung eine Beschwerde. Die
Beschwerdefrist ist sowohl hinsichtlich der Entscheidung der Vorinstanz vom
16. Juni, als auch in Bezug auf die Entscheidung vom 13. Juni eingehalten. Auf
die Beschwerde ist demnach einzutreten.
2.- Formell ist die Beschwerde zwar gegen den zweiten Entscheid der Vorinstanz
vom 16. Juni gerichtet. Sachlich wird aber auch die Grundlage der ersten
Entscheidung, die Veranlagung des Einkommens auf Grund der Verhältnisse des
laufenden Jahres, beanstandet. Im weiteren wendet sich die Eingabe auch gegen
den zweiten Entscheid, auf den sie sich direkt bezieht.
a) Der Beschwerdeführer hatte Anrechnung der 1930 angeblich zu viel bezahlten
Steuer auf seine Ersatzleistung 1931 verlangt. Soweit damit ein Zurückkommen
auf die Einschätzung des Vorjahres beantragt wurde, stand allerdings die
Rechtskraft der früheren Veranlagung der materiellen Untersuchung des
Begehrens entgegen, wenn nicht eine Revision dieser Veranlagung in Frage kam.
Aber in erster Linie hatte er doch die Änderung der Taxation für 1931
verlangt, wobei es ihm um die Anpassung dieser Taxation an seine wirklichen
Verhältnisse zu tun war. Erst nachdem ihm wiederholt gesagt worden war, die
Taxation pro 1931 müsse auf Grund der Verhältnisse des laufenden Jahres
vorgenommen werden, der Verdienstausfall 1930 könne bei der Ersatzanlage 1931
nicht

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berücksichtigt werden, und unter der Voraussetzung, dass diese Besteuerung
richtig sei, verlangte er die Korrektur der Veranlagung für das vorhergehende
Jahr. Es handelt sich demnach in erster Linie darum, ob Verdienstausfälle, die
nach Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung für ein bestimmtes Jahr
eingetreten sind, bei der Veranlagung des folgenden Jahres berücksichtigt
werden müssen. Diese Frage wurde im ersten Entscheide der Vorinstanz vom 13.
Juni beurteilt und verneint.
Wenn nun der Beschwerdeführer in seiner Eingabe an das Bundesgericht die
Veranlagung auf Grund der Verhältnisse des laufenden Jahres anficht mit der
Begründung, man habe im Zeitpunkt der Abgabe der Selbstdeklaration und der
Veranlagung für das vorhergehende Jahr nicht wissen können, wie sich die
Verhältnisse gestalten werden, so wendet er sich gegen den ersten Entscheid,
der sich auf die Veranlagung für 1931 bezieht. Diese Veranlagung ist nicht
rechtskräftig.
b) Sodann wird eventuell die nachträgliche Berichtigung der Veranlagung des
früheren Jahres (1930) angestrebt. Diese Veranlagung ist allerdings
rechtskräftig. Mit dem Hinweis auf die Rechtskraft der Veranlagung allein ist
indessen das Begehren des Beschwerdeführers nicht erledigt. Denn die
Verhältnisse, auf die er sich beruft, sind erst in einem Zeitpunkt
eingetreten, in welchem die Einschätzung für 1930 rechtskräftig und die Steuer
bezahlt war. Sie konnten deshalb der Veranlagung gegenüber gar nicht geltend
gemacht werden, weshalb die Begründung des Nichteintretensbeschlusses der
Vorinstanz vom 16. Juni («Nichteinreichung eines Rekurses und anstandslose
Bezahlung») nicht genügen konnte, um die Berücksichtigung des Begehrens
abzulehnen. Zu prüfen war vielmehr, ob es bei der getroffenen Veranlagung sein
Bewenden hat, trotzdem sie infolge nachträglicher Ereignisse unrichtig
geworden ist, oder ob in solchen Fällen eine Revision der Veranlagung
einzutreten hat. Diese Frage ist von der Vorinstanz nicht geprüft worden.

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Sie ist auch nicht durch das Urteil des BG i. S. Hablützel (BGE 56 I S. 113
ff.), auf das sich die eidgenössische Steuerverwaltung beruft, präjudiziert.
Denn dort war die Besteuerung von Anfang an unrichtig; der Pflichtige hätte
demnach die Veranlagung auf dem Rekurswege bestreiten können und müssen, was
hier nicht der Fall war.
3. - Nach der bestehenden Praxis wird der Veranlagung zum Militärpflichtersatz
der Inlandschweizer grundsätzlich das Einkommen des Ersatzjahres zu Grunde
gelegt. Diese Praxis stützt sich auf die bundesrätliche Verordnung über die
Militärsteuer. Das Gesetz ordnet die Erhebung eines Zuschlages auf dem
Einkommen an, ohne die Bemessungsgrundlage in zeitlicher Beziehung zu
bestimmen. Die Verordnung (Art. 2) setzt als gleichzeitiges Datum der
Ersatzanlage den 1. Mai fest und bestimmt, dass sich nach diesem Datum die
«Berechnung der Steuerfaktoren (Art. 5 des Gesetzes)» richte. Das
Bundesgericht hat festgestellt, dass diese Regelung der Einkommensberechnung
unklar ist (BGE 55 I S. 185 f.). Das Einkommen umfasst begrifflich die einem
Subjekte während eines Zeitraumes zugeflossenen Einkünfte. Wenn nun die
Verordnung den 1. Mai für die Einkommensveranlagung massgebend erklärt, so
muss der damit umschriebene Zeitraum durch Auslegung ermittelt werden. Es kann
darunter das laufende Jahr verstanden werden, wobei, da die Ersatzanlage im
ersten Halbjahr vorzunehmen ist, nicht das wirkliche, sondern nur das
mutmassliche Einkommen in Betracht fallen könnte. Andere Lösungen wären
Veranlagungen auf Grund von Feststellungen über den wirklichen Erwerb in einer
mit dem 1. Mai auslaufenden Periode, z. B. der Zeit vom 1. Januar bis 1. Mai
des Ersatzjahres, oder einer mit dem 1. Mai abschliessenden vollen
Jahresperiode. Für die Besteuerung der Auslandschweizer hat eine andere
Verordnung des Bundesrates grundsätzlich das tatsächliche Einkommen des
Vorjahres als massgebend bezeichnet. Es wird angeordnet, dass als

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mutmassliches Einkommen des Ersatzjahres das wirkliche Einkommen des
Ersatzpflichtigen in dem der Einschätzung vorangehenden Kalenderjahr,
beziehungsweise Geschäftsjahr zu gelten habe, was mit der unbestimmten
Vorschrift in Art. 2 MStV nicht schlechtweg unvereinbar ist (BGE 55 I S. 186).
Das Bundesgericht hat davon abgesehen, eine dieser oder weiterer an sich
denkbarer Modalitäten als massgebend zu erklären (BGE l. c.). Es lässt damit
der Praxis die Freiheit, im Rahmen der bestehenden Vorschriften diejenige
Lösung zu wählen, die den Verhältnissen des einzelnen Falles am besten
angepasst erscheint.
Festzuhalten ist dabei, dass die Belastung mit einer Ersatzleistung nach
Massgabe des Einkommens der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
Pflichtigen Rechnung tragen soll. Wird nun bei der Ersatzberechnung nicht auf
das wirkliche Einkommen, sondern auf die mutmassliche Gestaltung der
Verhältnisse im weiteren Verlauf des Ersatzjahres abgestellt, so kann es
vorkommen, dass die Mutmassungen nicht eintreffen und die Einschätzung infolge
der unvorhergesehenen Ereignisse unrichtig wird Eine nachträgliche
Berichtigung der Veranlagung für das laufende Jahr ist nicht ausdrücklich
vorgesehen. Sie ist in der Regel auch nicht notwendig.
Wenn nämlich das Einkommen des Pflichtigen im Laufe des Jahres höher wird, als
bei der Veranlagung angenommen wurde, kann es bei der getroffenen Einschätzung
sein Bewenden haben. Die Verwaltung nimmt mit der Wahl der
Einschätzungsgrundlage diese Möglichkeit in Kauf.
In einer andern Lage befindet sich allerdings der Ersatzpflichtige. Er muss
sich der Einschätzung auf Grund des mutmasslichen Einkommens unterziehen und
erbringt, wenn sich sein wirkliches Einkommen im Laufe des Jahres wesentlich
vermindert oder überhaupt wegfällt, eine Ersatzleistung, die seine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigt. Die Anpassung der Besteuerung
an seine wirklichen Verhältnisse darf ihm nicht versagt werden, soweit sie im
Rahmen der bestehenden

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Vorschriften möglich ist. Es braucht dabei aber nicht an eine nachträgliche
Abänderung der Einschätzung für das laufende Jahr und die Rückerstattung eines
Teils der meist schon bezahlten Ersatzleistung gedacht zu werden. Es genügt,
wenn bei der Einschätzung für das folgende Jahr auf die nachträglich
eingetretenen Einkommensverminderungen und Ausfälle des vorhergehenden Jahres
Rücksicht genommen wird, was nach den bestehenden Vorschriften als zulässig
erscheint und deshalb geboten ist. Denn da die Militärsteuerverordnung,
besonders Art. 2 MStV, nicht dazu zwingt, nach dem mutmasslichen Einkommen des
Ersatzjahres zu veranlagen, sondern auch Lösungen zulässt, die das
tatsächliche Einkommen in der zurückliegenden Periode berücksichtigen, besteht
kein Grund, ausschliesslich auf die Einkommensverhältnisse im Ersatzjahr
selbst abzustellen. Der Gedanke einer Belastung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit, auf der die Ordnung des Gesetzes beruht, verlangt, dass
wenigstens bei vollständigem Wegfall und bei wesentlichen Verminderungen des
Einkommens in der Zeit nach Vornahme der Einschätzung, bei der Veranlagung für
das nächste Ersatzjahr ein gewisser Ausgleich geschaffen wird. Es erscheint
demnach als unrichtig, in solchen Fällen bei der Einkommensfestsetzung für das
neue Ersatzjahr ausschliesslich auf die Verhältnisse im neuen Jahr
abzustellen. Vielmehr ist auch die Einkommensgestaltung im verflossenen Jahre
in Betracht zu ziehen in der Weise, dass bei der Ersatzbelastung im Verlauf
der beiden Perioden eine Anpassung an die wirklichen Verhältnisse erreicht
wird.
Der Entscheid der Vorinstanz vom 13. Juni, der ausschliesslich die
Verhältnisse im Jahre 1931 berücksichtigt und die Arbeitslosigkeit des
Beschwerdeführers im zweiten Halbjahr 1930 ausser Betracht lässt, muss demnach
aufgehoben werden. Die Akten sind an die Vorinstanz zurückzuweisen zu neuer
Prüfung und Festsetzung des ersatzpflichtigen Einkommens pro 1931 im

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Sinne der Erwägungen. - Das Begehren um Revision der Veranlagung für 1930 wird
dadurch gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 I 220
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 17. September 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 I 220
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Militärpflichtersatz. Wurde der Einkommenszuschlag nach dem mutmasslichen Einkommen des...


Gesetzesregister
MStV: 2
BGE Register
55-I-183 • 56-I-113 • 57-I-220
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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