S. 61 / Nr. 10 Prozessrecht (d)

BGE 56 II 61

10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Januar 1930 i. S.
Gebr. Rempfler gegen Schmidt.


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Regeste:
Streitwertberechnung, wenn mit einer Klage ein negativer Feststellungsanspruch
und ein Forderungsanspruch geltend gemacht werden.
OG Art. 60.

Prozessgegenstand bilden ausschliesslich die vom Kläger laut seinem Amtsbot
gestellten, von den Beklagten bestrittenen Rechtsbegehren, die dahin gehen, es
sei zu entscheiden: 1. dass der Kläger den Beklagten 3844 Fr. nicht schulde
und 2. dass die Beklagten umgekehrt dem Kläger 2891 Fr. 9 Cts. schulden. Es
liegt somit einerseits eine negative Feststellungsklage und andererseits eine
Forderungsklage vor. Mit dem ersten Begehren behauptet der Kläger den
Nichtbestand eines von seinen Gegnern gegen ihn erhobenen Anspruches, und mit
dem zweiten behauptet er einen eigenen Anspruch an die Gegner, den diese
leugnen. Die Klage beschlägt somit allerdings zwei Ansprüche, aber nicht zwei
Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten, sondern einerseits einen Anspruch
der Beklagten an den Kläger und andererseits einen Gegenanspruch des Klägers
an die Beklagten. Dürfen nun diese beiden einander entgegenstehenden Ansprüche
von hüben und drüben, die der Kläger beidseitig in seinem Amtsbot zum
Gegenstand der richterlichen Beurteilung macht, gemäss Art. 60 Abs. 1 OG
zusammen gerechnet werden g Man könnte zur Bejahung dieser Frage nur dann
gelangen, wenn es sich bei der nach Art. 60 Abs. 1 OG vorzunehmenden
Zusammenrechnung um die Addierung der Beträge der einzelnen Rechtsbegehren,
welche die Klage zum

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Gegenstand der richterlichen Beurteilung gemacht hat, handeln würde. Dann
natürlich wäre vorliegend der gesetzliche Streitwert gegeben, indem der
Betrag, welchen der Kläger den Beklagten nicht zahlen (und nicht schuldig
sein) will und der Betrag, den er seinerseits von diesen verlangt, zusammen
gerechnet mehr als 4000 Fr. beträgt. Es dürfte aber ohne weiteres klar sein,
dass es nicht angeht, den Begriff des Rechtsbegehrens als gleichbedeutend mit
dem Begriff des Anspruches, wie dieser in Art. 60 Abs. 1 OG gemeint ist,
aufzufassen. Bei der negativen Feststellungsklage auf Aberkennung einer vom
Gegner behaupteten Forderung handelt es sich nicht um einen Anspruch des
Klägers im Sinne des erwähnten Artikels, sondern um einen Anspruch des
Gegners, der mit dem klägerischen Anspruch nicht zusammen gerechnet werden
darf. Das ergibt sich mit voller Deutlichkeit aus Abs. 2 dieser Vorschrift,
wonach für die Streitwertbemessung der Betrag einer Widerklage nicht mit
demjenigen der Hauptklage zusammengerechnet wird. Darnach muss eine
Zusammenrechnung von Anspruch und Gegenanspruch schlechthin als ausgeschlossen
erachtet werden; denn sonst hätte es ja der jeweilige Kläger, dem der Gegner
mit einem Gegenanspruch droht, in der Hand, die Zuständigkeit des
Bundesgerichtes trotz Art. 60 Abs. 2 OG dadurch zu erzwingen, dass er zum
vorneherein die ihm drohende Widerklage in Form einer negativen
Feststellungsklage mit zum Gegenstand seiner Hauptklage macht.
Die Berufungskläger scheinen nach der Bemerkung, welche sie in ihrer
Berufungsschrift über den Streitwert angebracht haben, argumentieren zu
wollen, das Interesse am Ausgang des Prozesses sei doch sowohl für den Kläger,
als die Beklagten, gleich der Summe der beiden einander gegenübergestellten
Forderungen. Allein dieses Interesse ist eben für die Bemessung des
Streitwertes nach Art. 60 OG nicht massgebend. Das erhellt wiederum deutlich
aus Absatz 2 dieser Vorschrift. Überall, wo Haupt- und

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Widerklage einander gegenüberstehen, geht das Interesse der Parteien auf die
Summe der Forderung und Gegenforderung; dieses kann mithin in einem gegebenen
Fall nahezu den Betrag von 8000 Fr. erreichen, während gleichwohl nicht einmal
der Streitwert für das schriftliche Verfahren gegeben ist, nämlich dann, wenn
keine der beiden einander gegenübergestellten Forderungen für sich allein den
Betrag von 4000 Fr. erreicht.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 56 II 61
Datum : 01. Januar 1930
Publiziert : 29. Januar 1930
Quelle : Bundesgericht
Status : 56 II 61
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Streitwertberechnung, wenn mit einer Klage ein negativer Feststellungsanspruch und ein...


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OG: 60
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