S. 413 / Nr. 71 Urheberrecht (d)

BGE 56 II 413

71. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. November 1930 i. S. Berli gegen
Schneider's Erben.

Regeste:
Urheberrecht an Werken der Baukunst.
Die Bestellung eines Projektes bei einem Architekten für einen bestimmten Bau
berechtigt den Besteller nur zur einmaligen Ausführung des betr. Baues (Erw.
1).
Auslegung des Begriffes eines Werkes der Baukunst (Art. 1 Abs. 4
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 1 - 1 Dieses Gesetz regelt:
1    Dieses Gesetz regelt:
a  den Schutz der Urheber und Urheberinnen von Werken der Literatur und Kunst;
b  den Schutz der ausübenden Künstler und Künstlerinnen, der Hersteller und Herstellerinnen von Ton- und Tonbildträgern sowie der Sendeunternehmen;
c  die Bundesaufsicht über die Verwertungsgesellschaften.
2    Völkerrechtliche Verträge bleiben vorbehalten.
URG) und der
erneuten Wiedergabe eines solchen (Art. 14
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 14 Zutritts- und Ausstellungsrecht des Urhebers oder der Urheberin - 1 Wer ein Werkexemplar zu Eigentum hat oder besitzt, muss es dem Urheber oder der Urheberin so weit zugänglich machen, als dies zur Ausübung des Urheberrechts erforderlich ist und kein berechtigtes eigenes Interesse entgegensteht.
1    Wer ein Werkexemplar zu Eigentum hat oder besitzt, muss es dem Urheber oder der Urheberin so weit zugänglich machen, als dies zur Ausübung des Urheberrechts erforderlich ist und kein berechtigtes eigenes Interesse entgegensteht.
2    Der Urheber oder die Urheberin kann die Überlassung eines Werkexemplars zur Ausstellung im Inland verlangen, sofern ein überwiegendes Interesse nachgewiesen wird.
3    Die Herausgabe kann von der Leistung einer Sicherheit für die unversehrte Rückgabe des Werkexemplars abhängig gemacht werden. Kann das Werkexemplar nicht unversehrt zurückgegeben werden, so haftet der Urheber oder die Urheberin auch ohne Verschulden.
URG) (Erw. 2 ff.).

A. - Im Jahre 1927 übertrug der heutige Beklagte Eugen Berli, Baumeister in
Basel, den Architekten Gottfried Schneider und H. Hindermann, die unter der
Firma Schneider und Hindermann in Bern gemeinsam ein Architekturbureau
betrieben, die Schaffung eines

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Bauprojektes für einen Häuserblock von zwei Doppelhäusern mit 3- und
2-Zimmerwohnungen und zwei Doppelhäusern mit 2-Zimmerwohnungen an der
Elsässerstrasse (Nr. 59, 61, 63, 65) in Basel. Für die Ausarbeitung «der
Skizze 1: 100, des Bauprojektes 1: 50 und der Ausführungs- und Detailpläne 1:
20 und soweit nötig 1:1 für den oben erwähnten Block» wurde ein Pauschalpreis
von 7500 Fr. vereinbart. Der Bau wurde noch im gleichen Jahre ausgeführt, ohne
dass jedoch die Firma Schneider und Hindermann mit der Bauleitung betraut war.
Im Jahre 1928 erstellte sodann der Beklagte, der inzwischen sein Geschäft
vergrössert und diesem ein Architekturbureau angegliedert haben soll, an der
Murbacherstrasse 3, Landskronstrasse 4 und Wattstrasse 2 und 8 vier weitere
Häuser, die mit den erwähnten Bauten an der Elsässerstrasse einen Häuserblock
bilden. Daraufhin stellte Hindermann - der inzwischen, nachdem er sein
Gesellschaftsverhältnis mit Schneider am 1. Dezember 1927 gelöst und diesem
Aktiven und Passiven der Gesellschaft überlassen hatte, nach Basel gezogen war
- in einem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 14. Juni 1928 fest, dass
die letzterwähnten Häuser im Anschluss an die nach dem Plane Hindermanns
ausgeführten Häuser an der Elsässerstrasse und unter Benützung der
Fassadenpläne und Details dieser letztern erstellt worden seien. Nach den
Normen des SIA dürften jedoch die Pläne jeweilen nur für eine Bauausführung
benützt werden und blieben im übrigen Eigentum des Architekten. Er verlangte
daher vom Beklagten für die Benützung dieses Projektes einen Betrag von 800
Fr., den er in der Folge auf 700 Fr. herabsetzte.
B. - Da der Beklagte auf dieses Begehren nicht einging, reichte Schneider als
Übernehmer der Aktiven und Passiven der frühern Gesellschaft wegen Verletzung
seines Urheberrechtes Klage gegen den Beklagten ein auf Bezahlung der
verlangten Summe von 700 Fr. nebst 5% Zins seit 1. Juli 1928.

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Der Beklagte bestritt jede Schadenersatzpflicht, indem er in Abrede stellte,
die Pläne der ehemaligen Architekturfirma Schneider und Hindermann verwendet
zu haben, auch handle es sich hiebei gar nicht um ein dem Urheberrecht
unterstehendes Werk «der Baukunst». Und eventuell wäre er überhaupt berechtigt
gewesen, die ihm seinerzeit verkauften Pläne mehrfach zu benützen.
Mit Urteil vom 11. September 1930 hat das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt
als zur Beurteilung von Urheberrechtsverletzungen zuständige einzige kantonale
Instanz die Klage im Betrage von 400 Fr. nebst 5% Zins seit 1. Juli 1928
gutgeheissen, nachdem die Frage, ob eine wiederholte Ausführung des Projektes
des Klägers vorliege und ob dieses als Werk der Baukunst zu erachten sei, von
zwei Experten (Arch. Christ und Schmidt) bejaht worden war. Über den Umfang
der Wiederholungen war vom Experten Christ ausgeführt worden: Diese bezögen
sich auf die allgemeine Disposition der Hausfronten, abgesehen von bestehenden
Massverschiedenheiten, auf den das architektonische Aussehen bestimmenden
Treppenausbau, sowie auf die formbildenden Bauteile, die Vorbauten, Dach- und
Gurtgesimse. Von den Detailsplänen seien wiederverwendet worden die
Steinhauerarbeiten für Hausteine, Fenstereinfassungen, Gurtgesimse und
Verdachungen, die Zimmermann-Arbeiten für Dachgesimse und Lukarnen, die
Spenglerarbeiten für Lukarnen und Rinnenkasten und die kleinen Lukarnen neben
dem Treppenhaus.
D. - Hiegegen hat der Beklagte am 1. Oktober 1930 die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Begehren um gänzliche Abweisung der Klage.
Die Erben des inzwischen verstorbenen Klägers beantragen Abweisung der
Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides, eventuell sei die
Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Beurteilung der Frage, ob
die Forderung nicht auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung bezw. wegen
unerlaubter Handlung gutzuheissen wäre.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der Beklagte wendet in erster Linie ein, er habe durch den Ankauf und die
Bezahlung der fraglichen Pläne das Recht zu deren unbeschränkten Ausführung
erhalten, sodass eine Urheberrechtsverletzung hier schon aus diesem Grunde gar
nicht in Frage kommen könne. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Wenn ein
Architekt für einen Besteller ein Projekt für einen bestimmten Bau erstellt
und diesem die Pläne aushändigt, so wird der Besteller dadurch in der Regel -
und zwar unbekümmert darum, ob die Bestellung des Projektes mit oder ohne
gleichzeitigem Auftrag an den betreffenden Architekten zur Übernahme der
Bauleitung erfolgte - nur zur einmaligen Ausführung des in Frage stehenden
Baues berechtigt, während das Urheberrecht im übrigen beim Architekten als
Urheber des Projektes verbleibt, es wäre denn, dass besondere Umstände
vorlägen, die auf eine weitergehende Rechtsabtretung an den Besteller
schliessen liessen. Art. 6 des frühern Urheberrechtsgesetzes, das den Erwerber
von architektonischen Plänen mangels gegenteiliger Vereinbarung schlechthin
ermächtigte, diese ausführen zu lassen, also auch mehrmals, ist nicht mehr
geltendes Recht. Wenn daher der schweizerische Ingenieur- und
Architektenverein (SIA) in seiner Norm für die Honorierung architektonischer
Arbeiten (Nr. 102) in Art. 18 seiner speziellen Bestimmungen (S. 5) die
Vorschrift aufgestellt hat, dass ohne besondere Verständigung mit dem
Architekten die Pläne nur für eine Bauausführung benützt werden dürfen, so
handelt es sich hiebei nur um die ausdrückliche Normierung eines an sich schon
gemeinrechtlich gültigen Auslegungsgrundsatzes, der zur Anwendung zu gelangen
hat, auch wenn von den Parteien bei Vertragsabschluss nicht ausdrücklich auf
die Norm des SIA Bezug genommen worden ist. Unter diesen Umständen wäre es
daher Sache des Beklagten gewesen, darzutun, dass ihm seinerzeit bei

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Vertragsabschluss weitergehende Rechte eingeräumt worden seien. Hiezu war er
jedoch nicht in der Lage, und es enthalten auch die Akten keinerlei
Anhaltspunkte, die hierauf schliessen liessen. Insbesondere ist nicht richtig,
dass es sich hier, wie der Beklagte in seiner Berufungsbegründung behauptet
hat, um «typenmässig fabrizierte Pläne» handelt. Gegenteils wurde das Projekt
ausdrücklich im Hinblick auf den geplanten konkreten Häuserbau an der
Elsässerstrasse bestellt und ausgeführt.
2.- Die Haftbarkeit des Beklagten ist daher im Hinblick auf Art. 14
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 14 Zutritts- und Ausstellungsrecht des Urhebers oder der Urheberin - 1 Wer ein Werkexemplar zu Eigentum hat oder besitzt, muss es dem Urheber oder der Urheberin so weit zugänglich machen, als dies zur Ausübung des Urheberrechts erforderlich ist und kein berechtigtes eigenes Interesse entgegensteht.
1    Wer ein Werkexemplar zu Eigentum hat oder besitzt, muss es dem Urheber oder der Urheberin so weit zugänglich machen, als dies zur Ausübung des Urheberrechts erforderlich ist und kein berechtigtes eigenes Interesse entgegensteht.
2    Der Urheber oder die Urheberin kann die Überlassung eines Werkexemplars zur Ausstellung im Inland verlangen, sofern ein überwiegendes Interesse nachgewiesen wird.
3    Die Herausgabe kann von der Leistung einer Sicherheit für die unversehrte Rückgabe des Werkexemplars abhängig gemacht werden. Kann das Werkexemplar nicht unversehrt zurückgegeben werden, so haftet der Urheber oder die Urheberin auch ohne Verschulden.
in
Verbindung mit Art. 42 lit. b
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 42 Voraussetzungen - 1 Bewilligungen erhalten nur Verwertungsgesellschaften, die:
1    Bewilligungen erhalten nur Verwertungsgesellschaften, die:
a  nach schweizerischem Recht gegründet wurden, ihren Sitz in der Schweiz haben und ihre Geschäfte von der Schweiz aus führen;
b  die Verwertung von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten zum Hauptzweck haben;
c  allen Rechtsinhabern und -inhaberinnen offen stehen;
d  den Urhebern und Urheberinnen und den ausübenden Künstlern und Künstlerinnen ein angemessenes Mitbestimmungsrecht einräumen;
e  für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere aufgrund ihrer Statuten, Gewähr bieten;
f  eine wirksame und wirtschaftliche Verwertung erwarten lassen.
2    In der Regel wird pro Werkkategorie und für die verwandten Schutzrechte je nur einer Gesellschaft eine Bewilligung erteilt.
und 44
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 44 Verwertungspflicht - Die Verwertungsgesellschaften sind gegenüber den Rechtsinhabern und -inhaberinnen verpflichtet, die zu ihrem Tätigkeitsgebiet gehörenden Rechte wahrzunehmen.
URG und Art. 41 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
. OR grundsätzlich
gegeben, sofern die in Frage stehenden, von der Architekturfirma Schneider und
Hindermann projektierten Häuser an der Elsässerstrasse als Werke «der
Baukunst» im Sinne von Art. 1 Abs. 4
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 1 - 1 Dieses Gesetz regelt:
1    Dieses Gesetz regelt:
a  den Schutz der Urheber und Urheberinnen von Werken der Literatur und Kunst;
b  den Schutz der ausübenden Künstler und Künstlerinnen, der Hersteller und Herstellerinnen von Ton- und Tonbildträgern sowie der Sendeunternehmen;
c  die Bundesaufsicht über die Verwertungsgesellschaften.
2    Völkerrechtliche Verträge bleiben vorbehalten.
URG anzusprechen und die Ausführung der
streitigen vom Beklagten an der Landskron-Murbacher- und Wattstrasse
erstellten Bauten als eine erneute Wiedergabe derselben zu erachten sind.
Während das URG vom 23. April 1883 die architektonischen Pläne und Zeichnungen
sowie die bereits erstellten Gebäude oder Teile derselben nur schützte «soweit
letztere einen spezifisch künstlerischen Charakter haben» - Art. 11 Ziff. 8
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 11 Werkintegrität - 1 Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen;
1    Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen;
a  ob, wann und wie das Werk geändert werden darf;
b  ob, wann und wie das Werk zur Schaffung eines Werks zweiter Hand verwendet oder in ein Sammelwerk aufgenommen werden darf.
2    Selbst wenn eine Drittperson vertraglich oder gesetzlich befugt ist, das Werk zu ändern oder es zur Schaffung eines Werkes zweiter Hand zu verwenden, kann sich der Urheber oder die Urheberin jeder Entstellung des Werks widersetzen, die ihn oder sie in der Persönlichkeit verletzt.
3    Zulässig ist die Verwendung bestehender Werke zur Schaffung von Parodien oder mit ihnen vergleichbaren Abwandlungen des Werks.

(auch Art. 6
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 6 Begriff - Urheber oder Urheberin ist die natürliche Person, die das Werk geschaffen hat.
ib.), - hat nun das neue URG ausdrücklich die «Werke der
Baukunst» als Unterart der Werke der bildenden Künste dem Schutzbereich
unterstellt (Art. 1
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 1 - 1 Dieses Gesetz regelt:
1    Dieses Gesetz regelt:
a  den Schutz der Urheber und Urheberinnen von Werken der Literatur und Kunst;
b  den Schutz der ausübenden Künstler und Künstlerinnen, der Hersteller und Herstellerinnen von Ton- und Tonbildträgern sowie der Sendeunternehmen;
c  die Bundesaufsicht über die Verwertungsgesellschaften.
2    Völkerrechtliche Verträge bleiben vorbehalten.
URG). Unter Baukunst aber wird verstanden die Kunst,
Baulichkeiten - i. e. S. Hochbauten, als Aufgabe der Architektur - ihrem
Zwecke entsprechend und künstlerisch «schön» auszuführen. Ein Bauwerk soll
stets Nutzwerk und Kunstwerk zugleich sein; ob bald mehr der Nutzwert, bald
mehr der Kunstzweck, d. h. die Befriedigung des Geschmackes, überwiegt,
verschlägt nichts. Die Werke der Baukunst sind nach beiden Richtungen, der
Zweckmässigkeitsbestimmung und der Befriedigung des Geschmackes, der sog.
ästhetischen Bestimmung, nach, geschützt, sofern und soweit der Plan und die
Ausführung

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als Ausfluss einer geistigen Idee, eines Urhebergedankens erscheinen. In
bewusstem Gegensatz zum früheren Rechtszustand soll nun nicht das damals
allein als «künstlerisch» betrachtete Ornamentale oder das ästhetische
Monumentale geschützt sein, sondern die der Baukunst als Hauptaufgabe
obliegende Raumgestaltung als solche nach ihrer sachlichen und nach ihrer
ästhetischen Seite. Nur soweit ein Bauwerk und die ihm unterliegenden Pläne
lediglich handwerksmässige Arbeit ohne originellen Nutz- und Geschmackswert
darstellen, können sie, weil nicht Werke der Baukunst und weil der Idee des
Urheberrechtsschutzes nicht entsprechend, dem Schutze nicht unterstellt sein.
Ebenso kann natürlich die sklavische Wiedergabe von schon Bekanntem nicht als
ein urheberrechtlich geschütztes Werk der Baukunst angesehen werden.
Die Frage, ob und in welcher Hinsicht ein Bauwerk von bereits bestehenden
Bauten abweiche, ist eine reine Tatfrage, deren Oberprüfung dem Bundesgericht
entzogen ist. Dagegen ist es eine Rechtsfrage, ob in den festgestellten
Abweichungen eine ein Urheberrecht begründende Neuschöpfung, oder aber
lediglich eine rein handwerksmässige Umformung, die keinen Anspruch auf einen
besondern Schutz begründet, zu erblicken sei. Dies zu entscheiden, stellt den
Richter vor nicht geringe Schwierigkeiten, da nach der Natur der Sache
(entgegen den Verhältnissen in verwandten Rechtsgebieten, z. B. dem
Patentrecht) den Experten meist nicht möglich ist, die Abweichungen von
bereits bestehenden Bauformen im einzelnen klarzulegen und so dem Richter die
nötigen Unterlagen für eine selbständige Würdigung und Bewertung der in Frage
stehenden Neugestaltung zu verschaffen. Der Richter ist daher hier in hohem
Masse auch mit Bezug auf das Werturteil - obwohl es sich hiebei um eine
Rechtsfrage handelt - auf die Auffassung der fachkundigen Experten angewiesen.
Im vorliegenden Falle sind nun aber keine Anhaltspunkte gegeben, die die von
den

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Experten vorgenommene Bewertung, wonach die im Streite liegenden Bauten eine
originelle Kombination überlieferter Bauformen aufweisen, als unzutreffend
erscheinen liessen. In diesem Zusammenhang kommt dem vom Experten Schmidt
ausgeführten Umstande, dass das streitige Projekt «von einem Fachmanne, also
einem Baukünstler» stamme, insofern eine gewisse Bedeutung zu, als damit
gesagt werden will, der Fachmann schaffe eben seiner ganzen Berufsstellung
nach in der Regel etwas, was über das Handwerksmässige hinausgehe, und dem
wird wohl beizustimmen sein. Es ist übrigens, wie die Vorinstanz anhand der
bei den Akten liegenden Photographien mit Recht ausgeführt hat, auch für den
Nichtfachmann erkennbar, dass der Fassade der fraglichen Bauten in einer neuen
Weise, nach originalen ästhetischen Gesichtspunkten (durch Gruppierung der
Fenster- und Haustüren, durch plastisches Hervortretenlassen des Mittelteiles
und durch Unterteilung der Baumasse mittelst Gurtgesimsen mit Verkröpfungen)
eine neue baukünstlerische Wirkung verliehen worden ist.
3.- Muss somit den fraglichen Bauten der Charakter eines Werkes der Baukunst,
das den urheberrechtlichen Schutz geniesst, zuerkannt werden, so bleibt noch
zu untersuchen, ob in der Errichtung der vom Beklagten hergestellten Häuser
eine erneute Wiedergabe des klägerischen Projektes, die gemäss Art. 14
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz
URG Art. 14 Zutritts- und Ausstellungsrecht des Urhebers oder der Urheberin - 1 Wer ein Werkexemplar zu Eigentum hat oder besitzt, muss es dem Urheber oder der Urheberin so weit zugänglich machen, als dies zur Ausübung des Urheberrechts erforderlich ist und kein berechtigtes eigenes Interesse entgegensteht.
1    Wer ein Werkexemplar zu Eigentum hat oder besitzt, muss es dem Urheber oder der Urheberin so weit zugänglich machen, als dies zur Ausübung des Urheberrechts erforderlich ist und kein berechtigtes eigenes Interesse entgegensteht.
2    Der Urheber oder die Urheberin kann die Überlassung eines Werkexemplars zur Ausstellung im Inland verlangen, sofern ein überwiegendes Interesse nachgewiesen wird.
3    Die Herausgabe kann von der Leistung einer Sicherheit für die unversehrte Rückgabe des Werkexemplars abhängig gemacht werden. Kann das Werkexemplar nicht unversehrt zurückgegeben werden, so haftet der Urheber oder die Urheberin auch ohne Verschulden.
URG
ohne Zustimmung des Klägers nicht erfolgen dürfte, zu erblicken sei. Eine
Nachahmung des gesamten Projektes liegt nicht vor. Das ist aber auch nicht
notwendig. Selbst die Wiedergabe einzelner Partien eines Werkes der Baukunst
ist unzulässig, sofern es sich um Teile handelt, die ihrerseits als
schöpferische Neugestaltungen den Schutz des URG geniessen. Auch ist nicht
erforderlich, dass eine Nachahmung, um unerlaubt zu sein, sich bis in alle
Einzelheiten hinein mit dem geschützten Bauwerk decke, diese ist vielmehr
schon dann nicht zulässig, wenn der Grundgedanke, wie er in dem geschützten
Werk zum

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Ausdruck gelangte, sofern dieser selber schöpferisch war, nachgeahmt worden
ist. An Hand dieses Grundsatzes kann aber nicht daran gezweifelt werden, dass
die vom Beklagten an der Landskron-Murbacher- und Wattstrasse errichteten
Häuser wenigstens zum Teil eine unzulässige erneute Wiedergabe des
klägerischen Projektes darstellen. Im tatsächlichen Teil ist ausgeführt
worden, worin der Experte Christ eine Übereinstimmung dieser Bauten mit dem
klägerischen Projekt erblickt. Diese Angaben sind von der Vorinstanz als
zuverlässig erachtet worden und daher, da es sich hiebei um tatsächliche
Feststellungen handelt, für das Bundesgericht verbindlich. Nun mag ja richtig
sein, dass sie sich zum Teil auf Partien des klägerischen Projektes beziehen,
die an sich wohl kaum einen Anspruch auf urheberrechtlichen Schutz erheben
können (z. B. die Wiederverwendung der Detailpläne für die Steinhauerarbeiten
für Hausteine, Fenstereinfassungen, Gurtgesimse und Verdachungen, der
Zimmermannsarbeiten für Dachgesimse und Lukarnen, der Spenglerarbeiten für
Lukarnen und anderes). Allein darauf braucht im einzelnen nicht eingetreten zu
werden; denn unzulässig war auf alle Fälle die Wiederholung der allgemeinen
Dispositionen der Hauptfronten, die Nachahmung der Kombination des das
architektonische Aussehen bestimmenden Treppenhauses, sowie der andern
formbildenden Bauteile, da darin zweifellos das bezw. eines der schöpferischen
Elemente des klägerischen Projektes zu erblicken ist. Die geringen
Massabweichungen spielen hiebei keine Rolle, da das klägerische Projekt nicht
wegen seiner Details, sondern wegen der durch die originelle Kombination
erzeugten Gesamtwirkung (auf die unwesentliche Massverschiedenheiten ohne
Einfluss sind) urheberrechtlichen Schutz geniesst.
4.- Die Höhe des von der Vorinstanz zugesprochenen Schadensbetrages von 400
Fr. ist von den Parteien beidseitig nicht mehr angefochten worden; sie dürfte
auch den gegebenen Umständen angemessen sein.

Seite: 421
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und demgemäss das Urteil des Zivilgerichtes des
Kantons Basel-Stadt vom 1. September 1930 bestätigt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 56 II 413
Date : 01. Januar 1930
Published : 11. November 1930
Source : Bundesgericht
Status : 56 II 413
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Urheberrecht an Werken der Baukunst.Die Bestellung eines Projektes bei einem Architekten für einen...


Legislation register
OR: 41
URG: 1  6  11  14  42  44
BGE-register
56-II-413
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
[noenglish] • architect • architecture • authorization • balance sheet • basel-stadt • character • civil court • company • construction and facility • construction supervision • contract • contract conclusion • correctness • decision • defendant • dismissal • document • drawee • drawing • effect • elaboration • engineer • existing building • expert • facade • federal court • formation of real right • hamlet • heir • intention • interest • lower instance • measure • obligation • orderer • original • originator • parental • photography • property • question • question of fact • repetition • roof • standard • statement of reasons for the adjudication • tailor • tortuous act • unjustified enrichment • value judgment • window • work of art