S. 342 / Nr. 58 Familienrecht (d)

BGE 56 II 342

58. Auszug aus dem Entscheid der II. Zivilabteilung vom 16. Oktober 1930 i. S.
Schäfer gegen Kühne.


Seite: 342
Regeste:
Anwendbarkeit von Art. 316
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 316 - 1 Wer Pflegekinder aufnimmt, bedarf einer Bewilligung der Kindesschutzbehörde oder einer andern vom kantonalen Recht bezeichneten Stelle seines Wohnsitzes und steht unter deren Aufsicht.
1    Wer Pflegekinder aufnimmt, bedarf einer Bewilligung der Kindesschutzbehörde oder einer andern vom kantonalen Recht bezeichneten Stelle seines Wohnsitzes und steht unter deren Aufsicht.
1bis    Wird ein Pflegekind zum Zweck der späteren Adoption aufgenommen, so ist eine einzige kantonale Behörde zuständig.445
2    Der Bundesrat erlässt Ausführungsvorschriften.
ZGB auf alle Fälle, in denen der Einleitung einer
Vaterschaftsklage zunächst eine Ehelichkeitsvermutung entgegenstand.

Aus dem Tatbestand:
Der in Riehen wohnhafte Beklagte unterhielt vom Spätherbst 1926 bis zum Sommer
1927 intime Beziehungen zur Mutter des Klägers, mit der er verlobt war. Das
Verhältnis löste sich indessen auf und die Kindsmutter heiratete kurz vor
ihrer Niederkunft einen gewissen Schwarzbauer. Am 9. September 1927 gebar sie
den heutigen Kläger. In der Folge focht Schwarzbauer die Ehelichkeit des
Kindes an und dieses wurde durch Urteil des badischen Landgerichtes in
Freiburg i. Br. vom 9. Oktober 1928 als unehelich erklärt. Am 19. März 1929
wurden sodann die Eheleute Schwarzbauer durch Urteil der nämlichen Instanz
geschieden.
Am 10. September 1929 hat der gesetzliche Vertreter des Klägers die
vorliegende Klage anhängig gemacht, mit welcher der Beklagte auf Bezahlung von
Unterhaltsbeiträgen von 50 Fr. pro Monat belangt wird.
Der Beklagte hielt der Klage in erster Linie entgegen, sie sei nicht innert
der Frist des Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
ZGB eingereicht worden.
Alle drei Instanzen haben diesen Einwand verworfen, das Bundesgericht aus
folgenden
Erwägungen:
... In der Sache selbst ist einzig noch streitig, ob die Klage rechtzeitig
eingeleitet worden sei oder nicht. Richtig ist nun, dass im Moment der
Anhängigmachung der Klage die Frist des Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
ZGB längst verstrichen war.
Mit Recht haben aber die Vorinstanzen im

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vorliegenden Falle Art. 316
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 316 - 1 Wer Pflegekinder aufnimmt, bedarf einer Bewilligung der Kindesschutzbehörde oder einer andern vom kantonalen Recht bezeichneten Stelle seines Wohnsitzes und steht unter deren Aufsicht.
1    Wer Pflegekinder aufnimmt, bedarf einer Bewilligung der Kindesschutzbehörde oder einer andern vom kantonalen Recht bezeichneten Stelle seines Wohnsitzes und steht unter deren Aufsicht.
1bis    Wird ein Pflegekind zum Zweck der späteren Adoption aufgenommen, so ist eine einzige kantonale Behörde zuständig.445
2    Der Bundesrat erlässt Ausführungsvorschriften.
ZGB zur Anwendung gebracht. Allerdings war die
Mutter des Klägers zur Zeit der Empfängnis noch nicht verheiratet. Allein der
Wortlaut der letztgenannten Bestimmung erweist sich als offensichtlich zu eng:
Gemäss Art. 252
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 252 - 1 Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt.
1    Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt.
2    Zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil wird es kraft der Ehe der Mutter begründet oder, soweit gesetzlich vorgesehen, durch Anerkennung oder durch das Gericht festgestellt.250
3    Ausserdem entsteht das Kindesverhältnis durch Adoption.
in Verbindung mit Art. 255
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 255 - 1 Ist ein Kind während der Ehe geboren, so gilt der Ehemann als Vater.
1    Ist ein Kind während der Ehe geboren, so gilt der Ehemann als Vater.
2    Stirbt der Ehemann, so gilt er als Vater, wenn das Kind innert 300 Tagen nach seinem Tod geboren wird oder bei späterer Geburt nachgewiesenermassen vor dem Tod des Ehemannes gezeugt worden ist.
3    Wird der Ehemann für verschollen erklärt, so gilt er als Vater, wenn das Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit dem Zeitpunkt der Todesgefahr oder der letzten Nachricht geboren worden ist.
ZGB gilt der Ehegatte einer Frau,
die während der Ehe ein Kind geboren hat, als Vater dieses Kindes, auch wenn
die Zeugung vor der Ehe erfolgt ist. Diese Vermutung der Ehelichkeit des
Kindes besteht, solange der Ehemann nicht ein gerichtliches Urteil erwirkt
hat, das das Kind als unehelich erklärt. Und solange diese Vermutung wirksam
ist, kann das Kind nicht einen Andern als Vater in Anspruch nehmen. Da aber
die in Art. 308 vorgesehene Klagefrist wohl meistens längst abgelaufen sein
wird, bis das Urteil im Anfechtungsprozess Rechtskraft erlangt hat, musste und
wollte der Gesetzgeber für solche Fälle die Klagefrist erst mit dem Tag
beginnen lassen, an dem das Kind als unehelich erklärt wurde. Dass nun das
Gesetz nach seinem Wortlaut diese Lösung nur dann Platz greifen lässt, wenn
die Mutter schon zur Zeit der Empfängnis verheiratet war, entspricht
keineswegs der Absicht, die vielleicht weniger häufigen Fälle, wo die Mutter
sich erst nach ihrer Schwängerung, aber noch vor der Niederkunft mit einem
Dritten verheiratet, anders zu behandeln, sondern ist wohl auf ein
Redaktionsversehen zurückzuführen. Beide Fälle liegen im wesentlichen Punkt,
der Verhinderung einer Vaterschaftsklage durch die Ehelichkeitsvermutung,
gleich. Ob diese Vermutung die Folge einer schon vor oder erst nach der
Schwängerung erfolgten Verheiratung der Kindsmutter ist, kann keine
entscheidende Rolle spielen. Dass dies wirklich auch die Auffassung der
gesetzgebenden Instanzen war, erhellt aus den Ausführungen der
Berichterstatter der nationalrätlichen und ständerätlichen Kommissionen,
wonach «mit Bezug auf das Kind einer verheirateten Frau» schlechtweg eine
Vaterschaftsklage nur möglich sein soll, wenn das Kind als unehelich erklärt

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worden sei (Sten. Bull. der B.-Vers. 1905 Seite 782 und 1199).
Was der Beklagte hiegegen einwendet, ist schon von der Vorinstanz zutreffend
zurückgewiesen worden: Allerdings hätte die Kindsmutter in einem Falle der
vorliegenden Art an sich die Möglichkeit, die Vaterschaftsklage noch vor ihrer
Verheiratung anzustrengen. Allein diese Klage darf ihr billigerweise nicht
zugemutet werden, solange sie damit rechnen kann, dass ihr künftiger Ehegatte
auf eine Anfechtung der Ehelichkeit verzichten werde.
Da die Unehelicherklärung des Klägers unbestrittenermassen erst am 9. Oktober
1928 erfolgte, ist mit der vorliegenden, am 10. September 1929 anhängig
gemachten Klage die Frist des Art. 316 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 316 - 1 Wer Pflegekinder aufnimmt, bedarf einer Bewilligung der Kindesschutzbehörde oder einer andern vom kantonalen Recht bezeichneten Stelle seines Wohnsitzes und steht unter deren Aufsicht.
1    Wer Pflegekinder aufnimmt, bedarf einer Bewilligung der Kindesschutzbehörde oder einer andern vom kantonalen Recht bezeichneten Stelle seines Wohnsitzes und steht unter deren Aufsicht.
1bis    Wird ein Pflegekind zum Zweck der späteren Adoption aufgenommen, so ist eine einzige kantonale Behörde zuständig.445
2    Der Bundesrat erlässt Ausführungsvorschriften.
ZGB gewahrt.
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Document : 56 II 342
Date : 01. Januar 1930
Published : 16. Oktober 1930
Source : Bundesgericht
Status : 56 II 342
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Anwendbarkeit von Art. 316 ZGB auf alle Fälle, in denen der Einleitung einer Vaterschaftsklage...


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ZGB: 252  255  308  316
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