BGE 56 II 261
43. Urteil der II. Zivilabteilung vom 10, Juli 1930 i. S. Niederhauser gegen
Dubak und Fluri,
Regeste:
Abweisung der Klage auf Löschung eines Grundbucheintrages, der auf Anmeldung
eines nicht verfügungsberechtigten Dritten hin trotz Fehlen einer
Vollmachtsurkunde, jedoch in Wahrheit mit Ermächtigung des Eigentümers erfolgt
war. ZGB Art. 963, 965, 974, 975; OR Art. 32; Grundbuchverordnung Art. 16, 17,
18.
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A. - In mehreren gegen B. Rehmann geführten Betreibungen pfändete das
Betreibungsamt des Kantons Basel-Stadt den «Liquidationsanteil des Schuldners
an folgenden zu gesamter Hand gefertigten Liegenschaften», nämlich dem
Wohnhaus Hackbergstrasse Nr. 35 in Riehen und dem umliegenden Boden, zusammen
vier Parzellen, von denen je ein Bruchteil von einem Drittel dem Ehepaar
Rehmann zu gesamter Hand gehörte, die übrigen zwei Drittel aber, wiederum zu
gesamter Hand, einer Tochter des Rehmann und deren Ehemann Beyeler, über
welch' letzteren der Konkurs eröffnet war und vom Konkursamt des Kantons
Basel-Stadt verwaltet wurde. Als pfändende Gläubiger das Verwertungsbegehren
stellten, verkaufte «das Konkursamt des Kantons Basel-Stadt, handelnd namens
der Konkursmasse Eduard Beyeler-Rehmann und Frau Martha Beyeler geb.
Rehmann... und das Betreibungsamt des Kantons Basel-Stadt, handelnd namens der
Pfändungsmasse Benjamin Rehmann-Winter und Frau Euphrosine Rehmann geb.
Winter...» die erwähnten Liegenschaften im Mai 1928 freihändig an die
Beklagten. Hierüber schrieb das Betreibungsamt am 10. Mai 1928 «an die
Ehegatten B. Rehmann-Winter», dass «eine Kaufofferte in Höhe von 90000 Fr.
vorliegt, wobei die Handänderungssteuer vom Käufer übernommen würde. Mangels
Gegenbericht bis Montag 14. Mai 1928 nehmen wir an, dass Sie uns zur Annahme
dieser Offerte ermächtigen». Rehmann liess während dieser Frist nichts von
sich hören. Nach der Feststellung der Vorinstanz «war Rehmann mit dem Verkauf
und dessen Bestimmungen einverstanden», und wie seine Ehefrau bezeugt,
veranlasste er sie, den Kaufvertrag auf dem Bureau des stipulierenden Notars
unterzeichnen zu gehen, was er selbst nicht tun konnte, da er bettlägerig war.
Mangels seiner Unterschrift wies das Grundbuchamt die Anmeldung der
Eigentumsübertragung zunächst ab. Inzwischen war Rehmann am 8. Juli 1928
gestorben. Seine Tochter Frau Niederhauser, die Klägerin, welche die Erbschaft
allein
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annahm, verweigerte die Unterzeichnung. Um dem Mangel abzuhelfen, stellte das
Betreibungsamt bei seiner Aufsichtsbehörde unter Hinweis auf Art. 73 litt. b
der Grundstücksverwertungsverordnung den Antrag, «den Kaufvertrag vom 18. Mai
1928 zu genehmigen resp. das Betreibungsamt namens der Pfändungsmasse Rehmann
(bezw. Niederhauser) zu dessen Abschluss zu ermächtigen». Die Aufsichtsbehörde
entsprach diesem Antrag, worauf dann das Grundbuchamt die Eintragung vornahm.
Auf Rekurs der Klägerin hin hob jedoch die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichtes am 11. Februar 1929 diesen Beschluss der
kantonalen Aufsichtsbehörde auf, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Weil
die Pfändung nicht auf Miteigentumsanteile an Grundstücken, sondern auf den
Anteil des Schuldners an Vermögen einer Gemeinschaft zu gesamter Hand
vollzogen wurde, so sei nicht die Grundstücksverwertungsverordnung, sondern
die Verordnung über Pfändung und Verwertung von Anteilen an
Gemeinschaftsvermögen, vom 17. Januar 1923, anwendbar. Diese sehe aber einen
derartigen Liegenschaftenverkauf nicht als Verwertungsmassnahme vor. Indessen
könne die danach zunächst zu erstrebende gütliche Einigung zwischen den
Beteiligten im Verkaufe der das Gemeinschaftsvermögen ausmachenden
Vermögensgegenstände selbst bestehen, wozu dann aber nicht etwa das
Betreibungsamt ohne weiteres befugt sei. «Kann also der streitige
Liegenschaftenverkauf nur auf eine gütliche Einigung der Beteiligten
zurückgeführt werden, so hat das Betreibungsamt nicht kraft Amtsgewalt,
sondern nur kraft gemeinsamer Ermächtigung der Beteiligten zu seinem
Abschlusse schreiten können. Somit fehlt dem Kaufvertrage der Charakter einer
einseitigen betreibungsamtlichen Verfügung (Freihandverkauf im Sinne des
SchKG)...»
Mit der vorliegenden, gegen die Käufer gerichteten Klage verlangt Frau
Niederhauser-Rehmann die Löschung des zugunsten jener vorgenommenen
Grundbucheintrages.
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Die Beklagten haben dem Kanton Basel-Stadt den Streit verkündet und tragen mit
ihm auf Abweisung der Klage an.
B. - Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat am 4. April 1930 die
Klage abgewiesen.
C. - Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
eingelegt, mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Voraussetzung der Eintragung der Beklagten als Eigentümer der ihnen verkauften
Liegenschaften war einerseits die Anmeldung seitens der Eigentümer der
betreffenden Liegenschaften oder ihres bevollmächtigten Stellvertreters (Art.
963 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 963 - 1 Die Eintragungen erfolgen auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers des Grundstückes, auf das sich die Verfügung bezieht. |
|
1 | Die Eintragungen erfolgen auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers des Grundstückes, auf das sich die Verfügung bezieht. |
2 | Keiner Erklärung des Eigentümers bedarf es, wenn der Erwerber sich auf eine Gesetzesvorschrift, auf ein rechtskräftiges Urteil oder eine dem Urteil gleichwertige Urkunde zu berufen vermag. |
3 | Die mit der öffentlichen Beurkundung beauftragten Beamten können durch die Kantone angewiesen werden, die von ihnen beurkundeten Geschäfte zur Eintragung anzumelden. |
über das Verfügungsrecht des Gesuchstellers oder Vollmachtgebers und über den
Rechtsgrund (Art. 965
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 965 - 1 Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung, Löschung dürfen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden. |
|
1 | Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung, Löschung dürfen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden. |
2 | Der Ausweis über das Verfügungsrecht liegt in dem Nachweise, dass der Gesuchsteller die nach Massgabe des Grundbuches verfügungsberechtigte Person ist oder von dieser eine Vollmacht erhalten hat. |
3 | Der Ausweis über den Rechtsgrund liegt in dem Nachweise, dass die für dessen Gültigkeit erforderliche Form erfüllt ist. |
Ermächtigung des stipulierenden Notars zur Anmeldung ohne Beiziehung eines der
mehreren Eigentümer, nämlich des B. Rehmann, stattgefunden hatte, lehnte das
Grundbuchamt die Eintragung zunächst ab. Um ohne die durch den Tod des B.
Rehmann unmöglich gewordene und von seiner Erbin verweigerte (nachträgliche)
Mitwirkung auszukommen, versuchte das Betreibungsamt nun, den Verkauf als
Zwangsvollstreckungsmassnahme gegenüber dem B. Rehmann erscheinen zu lassen,
und holte zu diesem Zwecke die Genehmigung der Aufsichtsbehörde ein. Die
Befugnis zur Verfügung auf dem Wege der betreibungsrechtlichen
Zwangsverwertung steht nämlich dem Betreibungsamte zu, ohne dass es
irgendwelcher Mitwirkung des Eigentümers bedürfte, und das Grundbuchamt hat
sich auf die Prüfung der Zuständigkeit des Betreibungsamtes zur Vornahme der
Anmeldung zu beschränken (Art. 17 und 18 Grundbuchverordnung). Vorliegend
erachtete das Grundbuchamt gestützt auf den Genehmigungsbeschluss der
Aufsichtsbehörde
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die Zuständigkeit des Betreibungsamtes als gegeben, jedoch, wie sich
nachträglich herausstellte, zu Unrecht, weil nicht die Voraussetzungen für die
zwangsweise Verwertung der Liegenschaften als solcher durch das Betreibungsamt
erfüllt waren.
Allein die Klage auf Löschung eines Grundbucheintrages kann nicht schon mit
der Mangelhaftigkeit der Anmeldung oder des Ausweises über das Verfügungsrecht
begründet werden. Damit die Klage auf Löschung durchdringe, muss vielmehr der
Eintrag ungerechtfertigt sein, was nur zutrifft, wenn er ohne Rechtsgrund
(oder aus einem unverbindlichen Rechtsgeschäft) oder auf Verfügung einer nicht
verfügungsberechtigten Person bezw. ohne Ermächtigung der
verfügungsberechtigten Person erfolgt ist (Art. 975 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 975 - 1 Ist der Eintrag eines dinglichen Rechtes ungerechtfertigt oder ein richtiger Eintrag in ungerechtfertigter Weise gelöscht oder verändert worden, so kann jedermann, der dadurch in seinen dinglichen Rechten verletzt ist, auf Löschung oder Abänderung des Eintrages klagen. |
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1 | Ist der Eintrag eines dinglichen Rechtes ungerechtfertigt oder ein richtiger Eintrag in ungerechtfertigter Weise gelöscht oder verändert worden, so kann jedermann, der dadurch in seinen dinglichen Rechten verletzt ist, auf Löschung oder Abänderung des Eintrages klagen. |
2 | Vorbehalten bleiben die von gutgläubigen Dritten durch Eintragung erworbenen dinglichen Rechte und die Ansprüche auf Schadenersatz. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 974 - 1 Ist der Eintrag eines dinglichen Rechtes ungerechtfertigt, so kann sich der Dritte, der den Mangel kennt oder kennen sollte, auf den Eintrag nicht berufen. |
|
1 | Ist der Eintrag eines dinglichen Rechtes ungerechtfertigt, so kann sich der Dritte, der den Mangel kennt oder kennen sollte, auf den Eintrag nicht berufen. |
2 | Ungerechtfertigt ist der Eintrag, der ohne Rechtsgrund oder aus einem unverbindlichen Rechtsgeschäft erfolgt ist. |
3 | Wer durch einen solchen Eintrag in einem dinglichen Recht verletzt ist, kann sich unmittelbar gegenüber dem bösgläubigen Dritten auf die Mangelhaftigkeit des Eintrages berufen. |
An einem solchen Mangel leidet jedoch der angefochtene Eintrag nicht. Zunächst
ist am «Rechtsgrund» nichts auszusetzen, da der öffentlich beurkundete
Kaufvertrag genügt, auch wenn das Betreibungsamt schon beim Abschlusse gemeint
haben sollte, der Mitwirkung des B. Rehmann gänzlich entraten zu können (und
nicht etwa erst nachträglich, als diese Mitwirkung wegen Krankheit und
nachherigem Tode des B. Rehmann auf Schwierigkeiten stiess, ja unmöglich
wurde, den Versuch machte, um die Mitwirkung herumzukommen). Beim
Vertragsabschluss ist das Betreibungsamt ja nicht etwa selbst als
Vertragspartei (Veräusserer) aufgetreten, wie z. B. bei einer
Zwangsversteigerurg und der anschliessenden Anmeldung des Zuschlages, wo es
die Verfügungsbefugnis aus seiner Amtsgewalt herzuleiten vermag. Vielmehr hat
es sich als Vertreter ausgegeben, zwar nicht ausdrücklich des B. Rehmann,
sondern es hat namens seiner Pfändungsmasse gehandelt, was jedenfalls auch die
Vertretung des B. Rehmann als des betriebenen Schuldners umfasste. Hiefür
wurde es von B. Rehmann ermächtigt. Nicht nur hat die Vorinstanz für das
Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass B. Rehmann mit dem Verkauf um
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90000 Fr. einverstanden war, sondern im Stillschweigen auf das Schreiben des
Betreibungsamtes vom 10. Mai 1928 hin lag auch die unerlässliche
Ermächtigungserklärung an das Betreibungsamt, die, obwohl sie die Veräusserung
von Grundeigentum betraf, formlos gültig war und daher auch nicht eine
ausdrückliche zu sein brauchte (vgl. OSER, Note 25 zu OR 32 mit Anführung
nicht veröffentlichter Urteile des Bundesgerichts; BECKER, Note 5 zu OR 32;
VON TUHR, Obligationenrecht, S. 289). Dass das Einverständnis bezw. die
Ermächtigung sämtliche Vertragsbestimmungen umfasste, wie die Vorinstanz
festgestellt hat, was die Klägerin aber als aktenwidrig rügt, war keineswegs
erforderlich; somit ist die Aktenwidrigkeitsrüge belanglos, und zudem ist sie
auch unbegründet, da sich aus den Akten nicht der direkte Beweis für das
Gegenteil ergibt; höchstenfalls hätte es der Gültigkeit des Vertrages schaden
können, wenn das Betreibungsamt erheblich von den üblichen
Vertragsbestimmungen abgewichen wäre, was aber die Klägerin selbst nicht
behauptet.
Zuzugeben ist also zwar, dass das Grundbuchamt mangels Ausweises über das
Verfügungsrecht des Betreibungsamtes, m. a. W. mangels Beibringung einer von
Rehmann ausgestellten Vollmachtsurkunde die Eintragung der Beklagten als
Eigentümer der streitigen Liegenschaften hätte ablehnen sollen. Allein die
einmal erfolgte Eintragung kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, nachdem
sich herausstellt, dass es dem Betreibungsamt trotz dem Fehlen einer solchen
Urkunde doch nicht an der Ermächtigung zur Veräusserung gefehlt hat.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichtes des
Kantons Basel-Stadt vom 4. April 1930 bestätigt.