S. 189 / Nr. 31 Obligationenrecht (d)

BGE 56 II 189

31. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. April 1930 i. S.
Wettstein gegen C. Bein-Sigg.


Seite: 189
Regeste:
Die Vereinbarung einer ewigen Miete ist ungültig, nicht aber diejenige einer
Miete auf die Lebensdauer einer der beiden Vertragsgegner. Ein Vertrag im
letztern Sinne liegt vor, wenn die Parteien bestimmen, dass dieser seitens des
Vermieters dem Mieter gegenüber nicht kündbar sei.
· Auslegung dieser Klausel bei der Miete von Bureauräumlichkeiten.
· Wann ist eine Miete im Sinne von Art. 269
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 269 - Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen.
OR «auf bestimmte Zeit
geschlossen»?
· Clausula rebus sie stantibus.
OR Art. 20. 21. 253. 269. 351. 546; ZGB Art. 2.

Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte mietete im Jahre 1909, mit Wirkung ab 1. Oktober 1911, vom Kläger
eine Wohnung zum Zwecke, sie als Bureauräumlichkeiten für die Ausübung seiner
Anwaltspraxis zu benützen. Im Vertrag wurde die Klausel aufgenommen, dass
dieser seitens des Vermieters dem Beklagten gegenüber nicht kündbar sei,
während der Beklagte berechtigt erklärt wurde, den Vertrag nach Ablauf der
ersten zehnjährigen Mietsperiode auf gesetzliche Fristen zu künden. Als
jährlicher Mietzins wurde ein Betrag von 1800 Fr. vereinbart, wobei der
Vermieter berechtigt erklärt wurde, diesen nach Ablauf von zehn Jahren auf
2000 Fr. zu erhöhen. Ferner wurde dem Beklagten bewilligt, zur Herrichtung der
Mieträumlichkeiten zu dem vorgesehenen Zwecke verschiedene bauliche
Veränderungen vorzunehmen, die er aber aus der eigenen Tasche zu bezahlen
hatte. In der Folge führte dann der Beklagte die vorgesehenen Bauten aus und
benützte die Mieträume für seine Anwaltspraxis, wofür er dem Kläger für die
ersten zehn Jahre 1800 Fr. und seither 2000 Fr. als jährlichen Mietzins
bezahlte.

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Mit der vorwürfigen Klage verlangt der Kläger die Nichtigerklärung des
fraglichen Mietvertrages, da der Ausschluss des Kündigungsrechtes des
Vermieters gegen die guten Sitten verstosse.
Die kantonalen Instanzen haben die Klage dahin teilweise gutgeheissen, dass
sie beide Kontrahenten als berechtigt erklärten, den Vertrag nach Ablauf der
ersten zehnjährigen Mietsperiode auf gesetzliche Fristen zu künden. Das
Bundesgericht hat die Klage im vollen Umfange abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
. . . Wie ist nun bei dieser Sachlage die von den Parteien in ihre
Vereinbarung aufgenommene Klausel, dass der Vertrag seitens des Vermieters dem
Beklagten gegenüber nicht kündbar sei, zu beurteilen? Die Vorinstanzen
erblicken darin eine auf unbeschränkte Zeit geschlossene, ewige Miete, welche
Vereinbarung als sittenwidrig aufgehoben werden müsse. Dieser Auffassung kann
nicht beigetreten werden. Das Recht des Vermieters zur Kündigung wurde nur dem
Beklagten, nicht aber auch seinem Rechtsnachfolger gegenüber ausgeschlossen.
Daraus ergibt sich notwendig, dass der Vertrag maximal auf die Lebensdauer des
Beklagten bezw., da es sich um die Miete von Bureauräumlichkeiten handelt, auf
die Zeit, da der Beklagte diese zur persönlichen Ausübung seiner Praxis
bedarf, beschränkt ist. Der Beklagte beansprucht denn auch ausdrücklich selber
keine längere Dauer. Bei dieser Sachlage kann aber von einer «ewigen» Miete
nicht die Rede sein; auch liegt kein auf «unbestimmte Dauer» abgeschlossener
Mietvertrag vor, der die Parteien berechtigen würde, das Mietverhältnis gemäss
Art. 267
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267 - 1 Der Mieter muss die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt.
1    Der Mieter muss die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt.
2    Vereinbarungen, in denen sich der Mieter im Voraus verpflichtet, bei Beendigung des Mietverhältnisses eine Entschädigung zu entrichten, die anderes als die Deckung des allfälligen Schadens einschliesst, sind nichtig.
OR zu kündigen; denn im Sinne der vorerwähnten Gesetzesvorschrift ist
eine Miete nicht nur in den Fällen als auf eine «bestimmte Dauer»
abgeschlossen zu erachten, wenn diese zum vornherein nach Zeiteinheiten
bemessen werden kann, sondern auch dann, wenn als Zeitpunkt ihrer

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Beendigung der Eintritt eines bestimmten Ereignisses vereinbart wurde, sofern
dieses nur mit Sicherheit und nicht erst in völlig unabsehbarer Zeit erwartet
werden kann. Das trifft aber hier zweifelsohne zu.
Es bleibt nun aber zu untersuchen, ob nicht auch schon eine derartige das
Kündigungsrecht des Vermieters zwar nicht ewig, wohl aber auf voraussichtlich
lange Dauer ausschliessende Vereinbarung als unzulässig erachtet werden muss.
Das Gesetz enthält keine Bestimmung darüber, auf wie lange Zeit ein
Mietvertrag eingegangen bezw. das Kündigungsrecht einer oder beider Parteien
ausgeschlossen werden kann. Nun liegt es zwar im Wesen des Mietvertrages als
eines obligatorischen Vertrages auf Gebrauchsüberlassung, dass er nicht auf
ewige Zeiten vereinbart werden kann; denn nur dingliche Rechte sind geeignet
und bestimmt, dauernd den Gebrauch einer Sache zu verschaffen (vgl. auch
MITTELSTEIN, Die Miete nach dem Rechte des deutschen Reiches S. 10). Haben
aber die Parteien eine - wenn auch hohe - Maximaldauer vereinbart, dann kann
grundsätzlich von einer Widerrechtlichkeit nicht die Rede sein. Es fragt sich
jedoch, ob eine solche Vereinbarung nicht allenfalls gegen die guten Sitten
verstosse und deshalb für nichtig zu erklären sei. Das ist mit Bezug auf
Mietverträge, die auf Lebzeiten eines der beiden Vertragsgegner abgeschlossen
werden sind, zu verneinen. Allerdings ist nach Art. 351
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 351 - Durch den Heimarbeitsvertrag verpflichtet sich der Heimarbeitnehmer218, in seiner Wohnung oder in einem andern, von ihm bestimmten Arbeitsraum allein oder mit Familienangehörigen Arbeiten im Lohn für den Arbeitgeber auszuführen.
OR der
Dienstpflichtige berechtigt, einen Dienstvertrag, der auf Lebenszeit einer
Partei oder für länger als zehn Jahre eingegangen worden ist, nach Ablauf von
zehn Jahren jederzeit und ohne Entschädigung unter Beobachtung einer
sechsmonatlichen Kündigungsfrist aufzulösen; auch kann ein Gesellschafter nach
Art. 546
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 546 - 1 Ist die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossen worden, so kann jeder Gesellschafter den Vertrag auf sechs Monate kündigen.
1    Ist die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossen worden, so kann jeder Gesellschafter den Vertrag auf sechs Monate kündigen.
2    Die Kündigung soll jedoch in guten Treuen und nicht zur Unzeit geschehen und darf, wenn jährliche Rechnungsabschlüsse vorgesehen sind, nur auf das Ende eines Geschäftsjahres erfolgen.
3    Wird eine Gesellschaft nach Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen worden ist, stillschweigend fortgesetzt, so gilt sie als auf unbestimmte Zeit erneuert.
OR einen auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit abgeschlossenen
Gesellschaftsvertrag jederzeit unter Beobachtung der in diesem Artikel
genannten Vorschriften auf sechs Monate kündigen. Daraus darf indessen nicht
der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber eine vertragliche Bindung

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auf Lebenszeit eines Vertragskontrahenten allgemein als unsittlich erachte;
denn sonst wäre nicht erfindlich, warum er dies nicht durch eine bezügliche
allgemeine Bestimmung zum Ausdruck brachte und warum er in Art. 351
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 351 - Durch den Heimarbeitsvertrag verpflichtet sich der Heimarbeitnehmer218, in seiner Wohnung oder in einem andern, von ihm bestimmten Arbeitsraum allein oder mit Familienangehörigen Arbeiten im Lohn für den Arbeitgeber auszuführen.
OR
ausdrücklich nur dem Dienstpflichtigen, nicht aber auch dem Dienstherrn ein
solches vorzeitiges Kündigungsrecht zuerkannte. Das beweist doch gerade, dass
er den Abschluss von Vorträgen auf Lebenszeit grundsätzlich für zulässig
erachtet und dass die Vorschriften der Art. 351
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 351 - Durch den Heimarbeitsvertrag verpflichtet sich der Heimarbeitnehmer218, in seiner Wohnung oder in einem andern, von ihm bestimmten Arbeitsraum allein oder mit Familienangehörigen Arbeiten im Lohn für den Arbeitgeber auszuführen.
und 546
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 546 - 1 Ist die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossen worden, so kann jeder Gesellschafter den Vertrag auf sechs Monate kündigen.
1    Ist die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossen worden, so kann jeder Gesellschafter den Vertrag auf sechs Monate kündigen.
2    Die Kündigung soll jedoch in guten Treuen und nicht zur Unzeit geschehen und darf, wenn jährliche Rechnungsabschlüsse vorgesehen sind, nur auf das Ende eines Geschäftsjahres erfolgen.
3    Wird eine Gesellschaft nach Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen worden ist, stillschweigend fortgesetzt, so gilt sie als auf unbestimmte Zeit erneuert.
OR
Ausnahmebestimmungen darstellen, die in der besondern Natur der zwischen
Gesellschaftern bezw. zwischen dem Dienstnehmer und dem Dienstherrn
bestehenden Rechtsverhältnisse begründet sind. In beiden Fällen liegt eine
Beschränkung der freien Lebensbetätigung der betreffenden Vertragskontrahenten
vor, deren Tragweite und Auswirkungen bei Vertragsabschluss in der Regel nicht
auf alle Zeiten hinaus voraussehbar sind und bei denen die (im Laufe der Zeit
wandelbaren) gegenseitigen persönlichen Beziehungen der Parteien eine grosse
Rolle spielen. Das trifft bei Mietverträgen nicht zu. Diese berühren nur die
Vermögenssphäre des Vermieters, seine wirtschaftliche Freiheit, deren
Beschränkung in der Regel erst dann zu einer unsittlichen wird, wenn sie die
Grundlage der wirtschaftlichen Existenz der betreffenden Vertragsparteien
gefährdet (vgl. auch BGE 40 II S. 224 ff.; 53 II S. 320). Hiefür genügt aber
die blosse Tatsache, dass ein Mietvertrag auf die Lebenszeit des Mieters
abgeschlossen wurde, noch nicht. So anerkennen denn auch alle umliegenden
Staaten die Zulässigkeit des Abschlusses solcher Mietverträge (vgl. für
Deutschland: BGB § 567; NIENDORF, Mietrecht nach BGB S. 280; für Frankreich:
PANDECTES FRANÇAISES Bd. 11 S. 722 Nr. 120; für Italien: Art. 1571 (C. c.;
VENZI, Manuale del diritto civile italiano S. 495; für Österreich: EHRENZWEIG,
System des österreichischen allgemeinen Privatrechts Bd. 2, 1. Hälfte S. 436
IV). Der eidgenössische Gesetzgeber hätte daher um so eher Anlass gehabt, eine

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ausdrückliche Vorschrift zu erlassen, wenn er derartige Verträge für das
eidgenössische Recht hätte ausschliessen wollen. Wenn er dies nicht getan, so
geschah dies somit zweifellos deshalb, weil er auch seinerseits keinen Anlass
zu einer derartigen Schranke sah und nicht, weil er eine solche, im Gegensatz
zum Rechtsempfinden aller umliegenden Staaten, als selbstverständlich erachtet
hätte (vgl. auch JANGGEN, Darstellung und Kritik der Bestimmungen des
schweizerischen Obligationenrechtes über die Sachmiete S. 148; OSER, Kommentar
zu Art. 267
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267 - 1 Der Mieter muss die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt.
1    Der Mieter muss die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt.
2    Vereinbarungen, in denen sich der Mieter im Voraus verpflichtet, bei Beendigung des Mietverhältnisses eine Entschädigung zu entrichten, die anderes als die Deckung des allfälligen Schadens einschliesst, sind nichtig.
OR Note 1 Abs. 3 am Ende S. 588). Träfe letzteres zu, so wäre auch
nicht einzusehen, wie der Gesetzgeber dazu gelangte, die Begründung eines
Wohnrechtes bezw. einer Nutzniessung auf die Lebenszeit des betreffenden
Berechtigten ausdrücklich für zulässig zu erklären; denn wenn es sich hiebei
auch wohl um die Schaffung dinglicher Rechtsverhältnisse handelt, so wird
dadurch doch der betreffende Eigentümer in der Verfügungsmacht über sein
Eigentum faktisch in gleicher Weise beschränkt, wie beim Abschluss eines
Mietvertrages.
Es könnte sich nur noch fragen, ob hier allenfalls spezielle, in den konkreten
Umständen des gegebenen Falles liegende Gründe die streitige Klausel als
unsittlich erscheinen lassen. Auch das trifft jedoch nicht zu. Gegenteils
hatte der Beklagte vorliegend besondern Anlass, den Mietvertrag auf möglichst
lange Zeit zu vereinbaren, weil die Herrichtung der fraglichen Räumlichkeiten
zu dem von ihm in Aussicht genommenen Zweck teure bauliche Veränderungen
erforderte, die er aus der eigenen Tasche zu bezahlen hatte. Auch der Umstand,
dass er diese Räume nicht zum wohnen, sondern zur Ausübung seines
Anwaltsberufes, d. h. als Bureaux, benützt, schloss den Abschluss des
Vertrages auf Lebenszeit nicht aus. Allerdings ist nach dem italienischen
Recht (Art. 1571 Abs. 2 C. c.) ein derartiger Vertrag nur mit Bezug auf die
Miete von Wohnhäusern möglich. Eine solche Einschränkung erscheint jedoch
nicht gerechtfertigt; denn

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ein Mieter hat gerade bei der Miete von Räumlichkeiten, deren er zur Ausübung
seines Berufes bedarf, in der Regel ein besonders grosses Interesse an einer
möglichst langen Dauer des Mietvertrages, weil die Verlegung eines Geschäftes
fast immer nachteilige Folgen hat und für den betreffenden Geschäftsinhaber
meist viel schwerer wiegt als eine blosse Wohnungsänderung. Sodann ist
hervorzuheben, dass, wie ein Vergleich mit den bei den Akten liegenden
Verträgen über ähnliche Mietobjekte zeigt, der hier vereinbarte Mietzins nach
den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (1909) bestehenden Verhältnissen
bemessen eher als hoch bezeichnet werden muss. Es kann also auch nicht von
einer geschäftlichen Übervorteilung durch den Beklagten, die übrigens unter
die Sonderbestimmung des Art. 21
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
1    Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
2    Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages.
OR fallen würde (vgl. BGE 53 II S. 319 und
die daselbst angeführten früheren Entscheide), die Rede sein. Erst die infolge
des Weltkrieges eingetretene, seinerzeit von niemandem voraussehebare
allgemeine Geldentwertung bewirkte, dass der Vertrag heute nicht mehr als für
den Kläger günstig bezeichnet werden kann. Das genügt jedoch nicht, um ihn
nunmehr als unsittlich aufzuheben. Hätte die Geldentwertung derart nachhaltig
auf das vorwürfige Vertragsverhältnis eingewirkt, dass dessen Fortsetzung für
den Kläger eine ruinöse Last bedeuten würde, dann hätte dieser allenfalls
unter Anrufung der clausula rebus sic stantibus die Auflösung des Vertrages
anbegehren können (vgl. BGE 50 II S. 264 und die daselbst angeführten früheren
Entscheide). Das hat er jedoch nicht getan, und es kann hier auch von einer so
einschneidenden Wirkung nicht die Rede sein.
Aus all diesen Gründen ist somit die Klage abzuweisen, wobei aber ausdrücklich
davon ausgegangen wird, dass es sich vorliegend um ein auf bestimmte Dauer
abgeschlossenes Mietverhältnis handelt, das in dem Zeitpunkt sein Ende nimmt,
wo der Beklagte die Mieträume nicht mehr persönlich zur Ausübung seines
Berufes benötigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 56 II 189
Datum : 01. Januar 1930
Publiziert : 08. April 1930
Quelle : Bundesgericht
Status : 56 II 189
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Die Vereinbarung einer ewigen Miete ist ungültig, nicht aber diejenige einer Miete auf die...


Gesetzesregister
OR: 21 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
1    Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
2    Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages.
267 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267 - 1 Der Mieter muss die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt.
1    Der Mieter muss die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt.
2    Vereinbarungen, in denen sich der Mieter im Voraus verpflichtet, bei Beendigung des Mietverhältnisses eine Entschädigung zu entrichten, die anderes als die Deckung des allfälligen Schadens einschliesst, sind nichtig.
269 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 269 - Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen.
351 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 351 - Durch den Heimarbeitsvertrag verpflichtet sich der Heimarbeitnehmer218, in seiner Wohnung oder in einem andern, von ihm bestimmten Arbeitsraum allein oder mit Familienangehörigen Arbeiten im Lohn für den Arbeitgeber auszuführen.
546
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 546 - 1 Ist die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossen worden, so kann jeder Gesellschafter den Vertrag auf sechs Monate kündigen.
1    Ist die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossen worden, so kann jeder Gesellschafter den Vertrag auf sechs Monate kündigen.
2    Die Kündigung soll jedoch in guten Treuen und nicht zur Unzeit geschehen und darf, wenn jährliche Rechnungsabschlüsse vorgesehen sind, nur auf das Ende eines Geschäftsjahres erfolgen.
3    Wird eine Gesellschaft nach Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen worden ist, stillschweigend fortgesetzt, so gilt sie als auf unbestimmte Zeit erneuert.
BGE Register
40-II-224 • 50-II-256 • 53-II-317 • 56-II-189
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
auf lebenszeit • bedürfnis • beendigung • begründung des entscheids • beklagter • bundesgericht • clausula rebus sic stantibus • dauer • deutschland • eigentum • entscheid • erfinder • frage • frankreich • gesellschaft • gesetzliche frist • italienisch • miete • monat • nichtigkeit • not • sachlicher geltungsbereich • sitte • umfang • unbestimmte dauer • vertrag • vertragsabschluss • vertragspartei • vorinstanz • weiler • wohnrecht