S. 305 / Nr. 50 Spielbanken und Lotterien (d)

BGE 56 I 305

50. Auszug aus dem Urteil vom 9. Juli 1930 i. S. Lütolf gegen eidg. Justiz-
und Polizeidepartement,

Regeste:
1. Dem Bundesgesetz über Spielbanken unterliegen nicht nur
Glücksspielautomaten, sondern Glücksspielapparate überhaupt.
2. Das Aufstellen derartiger Apparate ist nur erlaubt, wenn bei ihnen der
Spielausgang in unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf Geschicklichkeit
beruht.

Aus dem Tatbestand,:
A. ­ Josef Lütolf in Luzern beschwert sich darüber, dass das eidgenössische
Justiz- und Polizeidepartement den Spielapparat «Lumina» durch Entscheid vom
24. März 1930 als unzulässig erklärt hat.

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Der Apparat und der Spielvorgang werden im angefochtenen Entscheid zutreffend
wie folgt beschrieben: «Der Spielapparat «Lumina» stellt einen ziemlich
grossen länglich-ovalen Tisch dar. In dessen Mitte befindet sich eine
kreisrunde, gleichmässig gegen den Mittelpunkt abfallende Vertiefung. Um den
Mittelpunkt herum sind darin 12 kleinere, mit den Nummern 1­12 versehene
Vertiefungen angebracht. Die erste Phase des Spieles besteht darin, dass ein
Ball von einem Croupier tangential in dieses Becken geworfen wird. Zufolge von
dessen Anlage bleibt dieser Ball nach einigem Herumrollen in einer der
Ziffernvertiefungen (1­12) liegen. Bei welcher Ziffer der Ball landet, ist
ausschliesslich Sache des Zufalles und soll es auch sein. Die auf diese Weise
festgestellte Ziffer spielt nun in der zweiten Phase des Spieles eine
bestimmte Rolle. Bei dieser zweiten Phase haben auch die Spieler mitzuwirken.
Für diese sind rund um den Tisch herum, mit Ausnahme der Mitte auf beiden
Längseiten, wo die Croupiers sich befinden, 14 unter Glas befindliche
Spieleinrichtungen angebracht. Jede dieser Einrichtungen besteht aus einer
Bahn, welche die Form einer länglichen Schleife hat, deren Enden dem Spieler
zugekehrt sind. Im «Stiel» dieser birnförmigen, in sich selbst zurücklaufenden
Bahn befindet sich eine kleine Metallkugel. Diese kann durch einen über die
Tischplatte hervorragenden Hebel vom Spieler in Bewegung gesetzt werden. Der
Hebel ist nicht mit einer Feder versehen, der Bewegungsimpuls wird der Kugel
daher lediglich durch den Hebeldruck der spielenden Hand erteilt. ­ Die Kugel
rollt auf einer Metalleiste. Stark angetrieben durchläuft sie die ganze
Spielbahn und kehrt an die Ausgangsstelle zurück. Die Metalleiste, auf welcher
die Kugel rollt, ist aber nicht durchgehend eben, sie enthält vielmehr in der
Rundung der Schleife 15 geringe Vertiefungen. Die Kugel rollt also zunächst
auf dem kurzen, geraden Teil (im Stiel) der Bahn auf ebener Fläche, sodann von
einer in die andere der 15 Vertiefungen und

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endlich zurück zum Ausgangspunkt. Wird die Kugel weniger stark angetrieben,
dann kann sie in einer der Vertiefungen liegen bleiben. Die erste und zweite
Vertiefung sind nicht mit einer Nummer versehen, die dritte mit 1, die vierte
mit 2 und so weiter bis 12, während die fünfzehnte Vertiefung wieder ohne
Nummer ist. ­ Das Prinzip des Spieles besteht nun darin, dass der Spieler
bewirken soll, dass die Kugel auf einer bestimmten der zwölf Nummern zur Ruhe
kommt. Welche Nummer das sein soll, entscheidet sich nach der ersten
Spielphase. Gewonnen hat also der Spieler, dessen Kugel bei der Nummer stehen
geblieben ist, die vom Croupier als für den Spielgang massgebend in der ersten
Spielphase festgestellt worden ist. So lange die Kugel Dicht in einer der
obenerwähnten 15 Vertiefungen der Bahn stehen geblieben ist, kehrt sie immer
wieder zur Anfangsstellung zurück und der Spieler kann sie nochmals in
Bewegung setzen .... Die Nummern 1, 2 und 3; 5, 6 und 7; 9, 10 und 11 sind je
zu einer Farbe zusammengefasst. Bei diesen kann der Spieler auch auf «Couleur»
setzen. Tut er dies, dann erhält er einen allerdings geringeren Gewinn auch
dann, wenn seine Kugel auf einer andern der drei Nummern der gleichen Gruppe
stillsteht. Bei den Nummern 4, 8 und 12 kann nur auf «numéro» gesetzt werden
und es kann nur damit gewonnen werden, dass die Kugel auf dieser Nummer zum
Stillstand kommt. ­ Zusammengefasst ist der Spielvorgang folgender: Der
Croupier stellt zunächst durch den Ball im Mittelbecken die massgebende Nummer
fest. Diese leuchtet allen Spielern sichtbar auf in einer in der Mitte des
Tisches angebrachten Säule. Ist es eine der Nummern 4, 8 oder 12, dann weiss
der Spieler, dass er nur auf Numéro setzen und nur mit dieser Nummer gewinnen
kann. Je nach Spielreglement gewinnt er dabei das Vier- oder Fünffache des
Einsatzes. Ist die massgebende Nummer eine solche der Gruppen 1­3, ó­7 oder
9­11, dann kann der Spieler auf Numéro oder auf Couleur oder auf beides
setzen.

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Bleibt seine Kugel auf der massgebenden Nummer stehen, dann gewinnt er wieder
das Vier- oder Fünffache des Einsatzes auf Numéro, bleibt sie auf einer andern
Nummer der gleichen Gruppe stehen, dann gewinnt er je nach Spielreglement das
Ein- oder Zweifache des Einsatzes auf Couleur. Die Höhe der möglichen Einsätze
bestimmt das Spielreglement. Die Zahl der Einzelspieleinrichtungen ist
verschieden. Es gibt auch halbe Tische, die nur für 7 Mitspieler eingerichtet
sind. Für das Wesen des Spieles ist dies ohne Bedeutung.» Beizufügen ist, dass
jedes einzelne Spielfeld mit einer elektrischen Leuchteinrichtung versehen
ist, die die Gewinnfälle nach «Nummer» und «Farbe» anzeigt.
Im angefochtenen Entscheide der Vorinstanz wird dargelegt, dass sowohl das
Spiel auf «Nummer» als auch dasjenige auf «Farbe» für den Durchschnittsspieler
vorwiegend Glücksspiel sei.
B. ­ In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird Aufhebung des angefochtenen
Entscheides beantragt, unter Kostenfolge. Zur Begründung wird ausgeführt, der
Spielausgang beim Spielapparat «Lumina» hänge nur von der Geschicklichkeit des
Spielers und keineswegs vom Glückszufall ab. Nach einiger Einübung sei es
möglich, die vom Croupier gefundenen Nummern derart zu treffen, dass
verhältnismässig leicht Gewinne zu erzielen seien. Die Untersuchung des
Apparates durch die Beamten der Vorinstanz habe unter ungünstigen
Verhältnissen stattgefunden, was das Prüfungsergebnis beeinflusst habe.
Aus den Motiven:
1. (Die nämlichen grundsätzlichen Ausführungen wie im Falle Schiess, Erwägung
2, S. 296 ff. hievor.)
2. ­ Ob es sich beim Spielapparat «Lumina» um einen «Automaten» im Sinne von
Art. 3 des Bundesgesetzes handelt, kann dahingestellt bleiben. Der
Spielapparat

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«Lumina» unterscheidet sich insofern von andern Spielautomaten, als nicht der
ganze Spielverlauf bis zur Gewinnausschüttung mechanisch vollzogen wird.
Sowohl die Einleitung des Spieles, das Aufsuchen der Gewinnummer, als auch die
Verteilung des Spielgewinnes erfolgt nicht durch den Mechanismus des
Apparates, sondern durch eine mit der Spielaufsicht betraute Person
(Croupier). Nur der Gewinnfall wird durch die Einrichtungen des Apparates
«automatisch» nachgewiesen. Es erscheint als fraglich, ob dies für die
Charakterisierung des Apparates als «Automaten» im Sinne des Gesetzes genügt.
Für die Entscheidung ist indessen diese Unterscheidung ohne Bedeutung, da der
Apparat «Lumina» auf jeden Fall als «ähnlicher Apparat» im Sinne des Gesetzes
zu gelten hat.
Die Prüfung des Apparates im Beweisverfahren vor Bundesgericht hat ergeben,
dass beim Spielapparat «Lumina» der Spielausgang jedenfalls nicht vorwiegend
auf Geschicklichkeit beruht. Die Geschicklichkeit des Spielers spielt gewiss
bei der Bemessung der Schlagstärke, die im einzelnen Falle erforderlich ist,
mit. Der Spieler kann bei genauerem Studium eines einzelnen Spielfeldes mit
einiger Übung dahin kommen, dass er die Laufstrecke der Kugel durch
sorgfältige Bemessung der Bewegung des Spielhebels wenigstens annähernd
beeinflussen kann. Aber für einen erfolgreichen Spielausgang wird nach der
Einrichtung des Apparates beim Durchschnittspieler stets der Zufall den
Ausschlag geben. Dies liegt an der Einrichtung des Apparates. Die Widerstände
zwischen den einzelnen Nummernfeldern sind sehr gering und der Anschlaghebel
ist kurz, sodass die für die Erreichung eines bestimmten Spielfeldes
erforderliche Abstufung des Schlages als nahezu ausgeschlossen erscheint. Dazu
kommt weiterhin, dass die Spielfelder nicht identisch wirken, sodass das Spiel
an jedem einzelnen Feld unter besondern Voraussetzungen vor sich geht. Der
Spieler wird daher bei genügender Übung an einem

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einzelnen Spielfeld wohl dahin kommen können, dass er bei mehreren verbundenen
Feldern, also beim Spiel auf «Farbe», einen gewissen Erfolg erzielt. Immerhin
bleibt es hier auch bei sorgfältiger Bemessung des Schlages Zufall, ob die
Kugel gerade auf einem der verbundenen Gewinnfelder anhält. Ausschliesslich
als Glücksspiel muss, selbst für den geübten Spieler, das Spiel auf «Nummer»
angesehen werden. In keinem der beiden Fälle kann angenommen werden, dass die
Geschicklichkeit ganz oder vorwiegend den Spielausgang bestimmt. Noch weniger
gilt dies im Hinblick auf das Durchschnittspublikum, dem die besondere
Erfahrung der geübten Spieler fehlt. Die Vorinstanz hat deshalb den
Spielapparat «Lumina» mit Recht als unzulässig erklärt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 56 I 305
Datum : 01. Januar 1930
Publiziert : 09. Juli 1930
Quelle : Bundesgericht
Status : 56 I 305
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : 1. Dem Bundesgesetz über Spielbanken unterliegen nicht nur Glücksspielautomaten, sondern...


BGE Register
56-I-305
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