S. 272 / Nr. 59 Markenschutz (d)

BGE 55 II 272

59. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Oktober 1929 i. S. Firma Champagne
Strub Mathiss & Cie gegen Firma Richard Strub.

Regeste:
Markenschutzgesetz Art. 30: Der Gerichtsstand am Sitze des eidgenössischen
Amtes für geistiges Eigentum ist streng subsidiär.

A. - Mit der vorliegenden, gestützt auf Art. 30 des Markenschutzgesetzes beim
Handelsgericht des Kantons Bern angestrengten Klage hat die Firma Champagne
Strub Mathiss & Cie gegen die Firma Richard Strub in Epernay die Anträge
gestellt: 1. Es sei zu erkennen, dass die internationale Markeneintragung Nr.
60074 der beklagten Firma, vom 11. Oktober 1928, für das Gebiet der Schweiz
ohne Rechtsgültigkeit sei. 2. Es sei der beklagten Firma ... zu untersagen,
die den Gegenstand der internationalen Markeneintragung Nr. 60074 bildende
Marke «Champagne Strub» im Verkehr mit der Schweiz zu verwenden.

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Der Beklagte hat die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen
Gerichtes erhoben.
Für die Gerichtsstandsfrage sind folgende Tatsachen von Belang:
Der Beklagte, der bis Ende 1924 Prokurist der Klägerin gewesen ist, wohnt seit
Jahrzehnten ununterbrochen in Basel, gegenwärtig Sommergasse Nr. 42. In
Epernay hat er nur ein (leerstehendes) pied-à-terre und, wie der Klägerin
sofort mitgeteilt wurde, keinen Bevollmächtigten, dem die Klage dort hätte
zugestellt werden können, sodass die Zustellung an die (von der Polizeibehörde
von Epernay richtig angegebene) Basler Adresse stattfinden musste. Seit dem
26. Januar 1925 ist der Beklagte im Handelsregister von Epernay eingetragen
als Inhaber eines commerce de vins de champagne mit Hauptniederlassung in
Epernay, 28 rue des Archers (jetzt: 19 Place Léon Bourgeois), wozu wenig
später noch die Angabe einer Agence générale pour la Suisse: 42 rue d'Eté à
Bâle kam. Und seit dem 10. Februar 1925 ist im Handelsregister des Kantons
Basel-Stadt unter dem Namen des Beklagten eine Einzelfirma für «Handel in
französischen Champagner und Weinen. Verkaufsniederlage der Firma Richard
Strub in Epernay» eingetragen. Durch Zirkular d. d. «Epernay, den 29. Januar
1925» machte der Beklagte bekannt, dass er unter der Firma Richard Strub,
Epernay, ein Champagnergeschäft gegründet habe und, um den Verkehr mit der
Schweiz zu erleichtern, in Basel 12 (42, Rue d'Eté) eine Verkaufsniederlage
errichte. Im Kopf dieses Zirkulars, in Briefköpfen, Preislisten, Fakturen und
Reklamedrucksachen verschiedener Art wird als Domizil durchwegs Epernay
angegeben und der Niederlassung in Basel überhaupt nicht oder doch nur als
agence, dépôt, Verkaufsniederlage Erwähnung getan. Im amtlichen Verzeichnis
der Telephon-Teilnehmer in Basel ist dem Namen des Beklagten beigefügt:
«Verkaufsniederlage der Firma Richard Strub, Epernay.» Am 3. Januar 1927 liess
der Beklagte an die schweizerische Obertelegraphendirektion

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schreiben: «Mein Mandant hat ihrem Herrn ... an Hand folgender Originalbelege
nachgewiesen, dass er Inhaber der Firma Strub in Epernay und Inhaber der
gleichnamigen Einzelfirma in Basel ist, dass erstere Firma ein eigenes
Etablissement (Bureau und Kellereien) in Epernay, dem Zentrum der
Champagnerfabrikation, besitzt und offiziell zur Fabrikation und zum Handel in
«Champagne d'origine» zugelassen ist (Licence du 6. VI. 1925), dass die Firma
Richard Strub in Basel eine Verkaufsniederlage des Hauses in Epernay darstellt
und den Vertrieb des Champagne «Richard Strub» in der Schweiz besorgt und dass
endlich Herr Richard Strub Inhaber der sowohl international wie national
geschützten Champagnermarke «Richard Strub» ist.»
Auf Grund eines Eintrages des Handelsgerichtes von Epernay vom 4. April 1928
registrierte am 11. Oktober 1928 auch das internationale Bureau zum Schutze
des gewerblichen Eigentums unter Nr. 60074 zugunsten des «Richard Strub,
négociant en vins de Champagne, 19, place Léon Bourgeois, Epernay (Marne,
France)» die Wortmarke «Champagne Strub», welche nun von der Klägerin
angefochten wird.
Vor dem Handelsgericht hat der Beklagte erklärt, den Gerichtsstand Basel
anerkennen zu wollen.
B. - Das Handelsgericht des Kantons Bern ist am 28. Juni 1929 auf die Klage
mangels örtlicher Zuständigkeit nicht eingetreten.
C. - Hiegegen richtet sich die vorliegende, auf OG Art. 87 Ziffer 3 (Zusatz
vom 11. Juni 1928) gestützte zivilrechtliche Beschwerde (vom 18. Juli, mit
Ergänzung vom 15.,August 1929).
D. - Der Beschwerdegegner trägt, auf Abweisung der Beschwerde an. Er hält
daran fest, dass er seinen Wohnsitz in Basel habe.
Das Handelsgericht Bern verweist in seiner ebenfalls auf Abweisung der
Beschwerde schliessenden Antwort auf die Motivierung des angefochtenen
Urteils.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. -
2.- Der von der Klägerin angerufene Art. 30 des Markenschutzgesetzes bestimmt:
«Die Klage gegen einen ausserhalb der Schweiz wohnenden Hinterleger einer
Marke kann vor das Gericht, in dessen Bezirk das eidgenössische Amt seinen
Sitz hat, gebracht werden, es sei denn, dass der betreffende Hinterleger
diesem Amt ein von ihm in der Schweiz gewähltes Domizil angegeben hätte.»
Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar, weil der Träger der beklagten Firma
seinen Wohnsitz in Basel hat, wie sich aus den aktenmässigen Feststellungen
der Vorinstanz unzweifelhaft ergibt und eigentlich auch gar nicht bestritten
wird. Demgegenüber kommt darauf nichts an, dass der Beklagte im
Geschäftsverkehr den Schein erweckt, die Hauptniederlassung seines Geschäftes
befinde sich in Epernay, und dass er dies namentlich auch bei der Hinterlegung
der angefochtenen Marke getan hat, indem damals als Domizil des Hinterlegers
ausschliesslich Epernay angegeben und dementsprechend auch eingetragen wurde.
Denn es lässt sich kein anderer Zweck der in Rede stehenden Vorschrift
ersehen, als dass damit ein schweizerischer Gerichtsstand geschaffen werden
wollte für Klagen gegenüber Hinterlegern, welche sonst in der Schweiz nicht
belangt werden könnten. Eine solche Vorsorge brauchte nicht getroffen zu
werden gegenüber den (ausserhalb der Schweiz wohnenden) Hinterlegern, die dem
eidgenössischen - oder auch dem internationalen - Amt ein von ihnen in der
Schweiz gewähltes Domizil verzeigt haben, weil sie dann eben an diesem Domizil
belangt werden können, und darum kann sich die erwähnte Vorschrift auf sie
nicht beziehen. Bei einem derartigen Zwiespalt zwischen der formellen
Eintragung und den wirklichen Verhältnissen, ist auf die letztern abzustellen.
Umsoweniger lässt sich die erwähnte Vorschrift anwenden gegenüber einem
Hinterleger, der seinen Wohnsitz in der

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Schweiz hat und daher dort, an seinem allgemeinen Gerichtsstand, ohnehin
belangt werden kann, was der Beklagte für die vorliegende Klage zudem noch
ausdrücklich anerkannt hat. Die Beschwerde könnte daher sogar dann kaum
gutgeheissen werden, wenn sich die geschäftliche Hauptniederlassung des
Beklagten wirklich in Epernay befände, was jedoch, wie bemerkt, nach den
aktenmässigen Feststellungen der Vorinstanz nicht zutrifft, wie spätestens
unmittelbar nach der Klageerhebung zur Kenntnis der Klägerin kam. Anderseits
hat der Beklagte seine Basler Geschäftsniederlassung nie geradezu
abgestritten, wie aus seiner von der Klägerin vorgelegten Eingabe an die
Telegraphenverwaltung hervorgeht. Endlich wird die Klägerin nicht behaupten
wollen, sie sei nicht jederzeit über den Basler Wohnsitz des Beklagten
orientiert gewesen.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 II 272
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 01. Oktober 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 II 272
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Markenschutzgesetz Art. 30: Der Gerichtsstand am Sitze des eidgenössischen Amtes für geistiges...


Gesetzesregister
OG: 87
BGE Register
55-II-272
Stichwortregister
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